Rationalität durch Verfahren in der Europäischen Union: wie Akteure durch Entscheidungsverfahren dazu veranlasst werden können, auf den Einsatz von Machtressourcen zu verzichten
In: Europa nach der Osterweiterung: Europaforschung an der Universität Bamberg, S. 90-104
Der Verfasser stellt Ergebnisse eines Forschungsprojekts vor, bei dem es um das Potenzial spezifischer Verfahren der europäischen Binnenmarktregulierung geht, Entscheidungen zu erzeugen, die dem Gemeinwohl besonders zuträglich sind, weil sie durch die Partikularinteressen der am Entscheidungsprozess beteiligten Akteure besonders wenig beeinflusst werden. Gefragt wird, ob sich innerhalb der EU Entscheidungsverfahren entwickelt haben, die geeignet sind, systematisch Ergebnisse zu erzeugen, die problemadäquater und gemeinwohlförderlicher sind, als dies von zwischenstaatlichen Verhandlungssystemen zu erwarten wäre. Die empirische Untersuchung behandelt zwei Verfahren der Binnenmarktregulierung, nämlich die Normungsverfahren, in deren Rahmen technische Regeln im Lichte inhaltlicher Vorgaben nach einem vielstufigen Verfahren beschlossen werden, sowie die binnenmarktweite Zulassung bestimmter Arzneimittel, an der die Europäische Arzneimittelagentur als Prototyp selbständiger europäischer Regulierungsagenturen beteiligt ist. Die Untersuchung macht ein hohes Maß problemorientierter und problemlösender Zusammenarbeit auf europäischer Ebene sichtbar, das auf den zentralen Stellenwert fachlicher Erwägungen und die Entpolitisierung der Entscheidungsprozesse zurückgeführt wird. Insgesamt wird ein Wandel von interessenbezogenen Aushandlungen zu einer argumentativen Entscheidungsfindung konstatiert. (ICE2)