Gentrification in Ostdeutschland: untersucht am Beispiel der Dresdner Äußeren Neustadt
In: Dresdener geographische Beiträge 11
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In: Dresdener geographische Beiträge 11
In: Stadtforschung und Statistik : Zeitschrift des Verbandes Deutscher Städtestatistiker, Band 36, Heft 1, S. 2-8
Die Anspannung der Wohnungsmärkte hat in vielen Städten zu einer Intensivierung der Aufwertungs- und Verdrängungsprozesse geführt. Ein Instrument, mit dem versucht wird, diese Folgen der Wohnungsmarktentwicklung zu begrenzen, ist die soziale Erhaltungssatzung. Für deren Anwendung ist jedoch eine fachliche Begründung erforderlich. Infolgedessen führen vielen Kommunen ein gesamtstädtisches Screening durch, um Verdachtsgebiete für die Ausweisung sozialer Erhaltungssatzungen zu identifizieren. Der Beitrag beschreibt das in Dresden entwickelte und angewandte Verfahren.
Verglichen mit der Entwicklung in Westeuropa und Nordamerika ist die Gentrification in Ostdeutschland ein junges Phänomen. Anfang der 1990er Jahre setzte in vielen ostdeutschen Altbauquartieren eine schnelle bauliche Aufwertung und ein umfangreicher Bevölkerungsaustausch ein. Doch verliefen die Aufwertungsprozesse insgesamt deutlich langsamer und 'sanfter' als anfangs erwartet. Die Aufwertungsprozesse wurden zudem nur in größeren Städten Ostdeutschlands beobachtet und in diesen Städten wiederum nur in einigen wenigen, zum Teil sehr kleinen Quartieren. Die Dresdner Äußere Neustadt zählt zu den ostdeutschen Altbauquartieren, die als 'Inseln des Aufstiegs' bezeichnet werden können. Ziel dieser Arbeit war es, den seit 1989 in der Äußeren Neustadt verlaufenden Quartierswandel zu untersuchen und herauszufinden, ob dieser Wandel als Gentrification bezeichnet werden kann und ob die Begriffe und Konzepte der Gentrificationforschung auf die Äußere Neustadt anwendbar sind. Die als Einzelfallstudie angelegte Untersuchung basiert auf einem breiten Methodenspektrum, zu dem u.a. eine mündlliche Bewohnerbefragung, Gebäude- und Nutzungskartierungen sowie eine Inhaltsanalyse lokaler Printmedien zählen. Zentrales Ergebnis der Arbeit ist, dass sich seit 1990 ein Gentrificationprozess vollzogen hat, der als sanfte Gentrification eines ehemaligen kleinbürgerlichen Mischgebietes zum Szeneviertel des 'bohemian chic' bezeichnet wird. Die spezifische Ausprägung der Gentrification in der Äußeren Neustadt, d.h. deren Dynamik und Typik, wurde anhand der vier Dimensionen des Wandels (bauliche, soziale, kommerzielle, symbolische Gentrification), dem Entwicklungsverlauf der Gentrification und eines Vergleichs mit der Entwicklung anderer ostdeutscher Aufwertungsquartiere vorgenommen. Die bauliche Gentrification der Äußeren Neustadt ist weit fortgeschritten und entspricht dem Wandel vom baulich verfallenen zum fast vollständig sanierten Gründerzeitquartier. Träger der baulichen Aufwertung waren 'landlord developer', die an einer renditeorientierten Bewirtschaftung interessiert sind. Die soziale Gentrification der Äußeren Neustadt ist ein von Pionieren vorbereiteter Wandel vom Quartier mit geringem sozioökonomischen und soziokulturellen Status zu einem Viertel mit mittlerem sozioökonomischen und hohem soziokulturellen Status. Die an der sozialen Gentrification Beteiligten wurden in die sechs Akteursgruppen Pioniere, Nachzügler, A-Gentrifier, B-Gentrifier, Aufsteiger und Andere unterschieden, wobei die Nachzügler und die B-Gentrifier neue, bislang nicht unterschiede Akteure darstellen. Die kommerziellen Gentrification der Äußeren Neustadt vollzog sich als Wandel von einem Quartier des traditionellen Kleingewerbes zu einem Standort privater Kleinbetriebe des 'bohemian chic'. Die symbolische Gentrification ist durch einen Imagewandel vom 'verrufenen Viertel' zum 'bunten Kneipen- und Szeneviertel' geprägt. Der Verlauf der Gentrification der Äußeren Neustadt wurde anhand eines induktiv abgeleiteten Entwicklungsmodells generalisiert. Fasst man dieses Modell, welches aus sechs Phasen besteht, auf einem höheren Abstraktionsniveau zusammen, lassen sich vier Hauptphasen der Gentrification unterscheiden, die auch für die Aufwertung anderer ostdeutscher Quartiere charakteristisch sind: eine frühe Pionierphase, eine Pionierphase mit prognostizierter Gentrification, eine Phase der gespaltenen Gentrification und eine Phase der sanften Gentrification. Im zeitlichen Verlauf der Gentrification wurde eine Vielzahl von Einflussfaktoren in unterschiedlicher Intensität und zu unterschiedlichen Zeiten wirksam, u.a. finanzielle Förderungen, Gewinnerwartungen, symbolische Bewertungen, Selbstverstärkungseffekte, Wohnungsmarktentwicklungen, sozialstrukturelle und soziodemographische Faktoren. Der Verlauf der Entwicklung ist teilweise auf den Einfluss politischer Entscheidungen und rechtlicher Rahmensetzungen (z.B. Restitution, Mietenüberleitung, Sanierungsgebietsstatus) zurückzuführen. Es handelt sich dabei nicht um eine Steuerung des Prozesses, sondern eher um Weichenstellungen und Interventionen. Die Gentrification gilt als multikausaler Prozess, der sich nicht auf eine Erklärungsebene reduzieren lässt, sondern aus dem Zusammenspiel mehrerer Faktoren zu erklären ist.:EINLEITUNG Zielstellung der Arbeit Aufbau der Arbeit 1 ZUM STAND DER GENTRIFICATIONFORSCHUNG 1.1 Definition und Abgrenzung der Gentrification 1.2 Eine 'kleine Geschichte' der Gentrification und deren Erforschung 1.2.1 Die erste Gentrificationwelle und der Beginn der Gentrificationforschung 1.2.2 Die zweite Gentrificationwelle und der Boom der Gentrificationforschung 1.2.3 Die dritte Gentrificationwelle und die Wiederbelebung der Gentrificationforschung 1.3 Gentrification in Ostdeutschland 1.3.1 Die Entwicklung der ostdeutschen Altbauquartiere bis 1989 1.3.2 Aufwertungsvorbereitung und prognostizierte Gentrification 1.3.3 Sanierungsphase und Quartiere mit gespaltener Gentrification 1.3.4 Mietermarkt und Quartiere mit sanfter Gentrification 2 KONZEPT UND METHODIK DER UNTERSUCHUNG 2.1 Untersuchungskonzept 2.1.1 Dimensionen der Gentrification 2.1.2 Erklärungen und Entwicklungsphasen der Gentrification 2.2 Messung der Gentrification in der Äußeren Neustadt 2.2.1 Untersuchungsgebiet Äußere Neustadt 2.2.2 Erhebung und Analyse der baulichen Gentrification 2.2.3 Erhebung und Analyse der sozialen Gentrification 2.2.4 Erhebung und Analyse der kommerziellen Gentrification 2.2.5 Erhebung und Analyse der symbolischen Gentrification 2.2.6 Rekonstruktion der zeitlichen Entwicklung 3 DIMENSIONEN DER GENTRIFICATION IN DER ÄUßEREN NEUSTADT 3.1 Vorgeschichte der Gentrification 3.1.1 Von der Vorstadtsiedlung zum Gründerzeitquartier 3.1.2 Die 'real existierende Neustadt' der DDR-Zeit 3.2 Bauliche Gentrification der Äußeren Neustadt 3.2.1 Installierung des Sanierungsgebietes Äußere Neustadt 3.2.2 Wandel der Eigentumsstrukturen 3.2.3 Erneuerung des Gebäude- und Wohnungsbestandes und Wohnumfeldgestaltung 3.2.4 Wohnungsmarktsegmente und Mietpreisentwicklung 3.2.5 Zusammenfassung der baulichen Gentrification 3.3 Soziale Gentrification der Äußeren Neustadt 3.3.1 Einwohnerentwicklung und Wohnmobilität 3.3.2 Alters- und Haushaltsstruktur 3.3.3 Bildung und berufliche Tätigkeit 3.3.4 Einkommenssituation 3.3.5 Gentrificationproteste und Verdrängung der Bewohner 3.3.6 Erlebnismilieus in der Äußeren Neustadt 3.3.7 Die Akteure der Gentrification 3.3.8 Zusammenfassung der soziale Gentrification 3.4 Kommerzielle Gentrification der Äußeren Neustadt 3.4.1 Deindustrialisierung 3.4.2 Der Neustadt neue Kleider – Wandel der Bekleidungsbranche 3.4.3 Dresdens längster Tresen – Wandel der Gastronomiebranche 3.4.4 'Kulturindustrie' 3.4.5 Soziokulturelle Einrichtungen und 'kreative Dienste' 3.4.6 Zusammenfassung der kommerziellen Gentrification 3.5 Symbolische Gentrification der Äußeren Neustadt 3.5.1 Der Entstehungsmythos der Äußeren Neustadt 3.5.2 Geschichten über die Äußere Neustadt 3.5.3 Zusammenfassung der symbolischen Gentrification 3.6 Die Geschichte der Gentrification in der Äußeren Neustadt 3.6.1 Pionierkulturen in der 'real existierenden Neustadt' 3.6.2 Bunte Republik Neustadt 3.6.3 Postsozialistische Transformation und Verdrängungsangst im Goldstaubviertel 3.6.4 Sanierungsflucht und Widerstand 3.6.5 Sanierungsboom im Kneipenviertel 3.6.6 'bohemian chic' im Szeneviertel 4 ZUSAMMENFASSUNG – GENTRIFICATION IN DER ÄUßEREN NEUSTADT 4.1 Dimensionen und Phasenverlauf der Gentrification in der Äußeren Neustadt 4.2 Gentrification in Ostdeutschland und der Fall Äußere Neustadt 4.3 Die Zukunft des Falls Äußere Neustadt 4.4 Die Zukunft der Gentrificationforschung LITERATUR VERZEICHNISSE ANHANG
BASE
In: Europa Regional, Band 14.2006, Heft 4, S. 156-166
Das Konzept der Gentrification ist seit mehr als vierzig Jahren Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung und stadtplanerischen Praxis. Die Diskussion um Gentrification umfasst eine Vielzahl unterschiedlicher Themen und sehr kontroverse Standpunkte. Zudem verzeichnete das empirische Phänomen als auch die wissenschaftliche Forschung mehrere Konjunkturzyklen. Die theoretische und empirische Komplexität der Gentrification hat ihr den Ruf eines "chaotischen Konzeptes" eingebracht. Ziel des Textes ist es, eine Übersicht über den aktuellen Stand der Gentrificationforschung und die neuesten empirischen Erkenntnisse zu bieten. Diskutiert werden die Definitionen der Gentrification, die Geschichte der Gentrification und ihrer Erforschung, die Dimensionen der Gentrification, die Akteure der Gentrification, die Erklärungsmodelle der Gentrification, die Verlaufsmodelle der Gentrification und die unterschiedlichen Bewertungen der Gentrification. Wichtigste Ergebnisse sind, dass sich die Gentrification vom einstigen Konzept zur Wiederbelebung innenstadtnaher Wohnquartiere zu einer etablierten Strategie der Raumentwicklung gewandelt hat, die nicht nur auf Städte beschränkt bleibt, sondern inzwischen auch im ländlichen Räumen nachweisbar ist. Diese in bislang drei großen Wellen verlaufende Erfolgsgeschichte der Gentrification hat zu einer fast weltweiten Verbreitung des Phänomens geführt. Der jüngste Konjunkturzyklus ist seit Mitte der 1990er Jahre zu beobachten und u.a. mit einer Ausweitung der Gentrification auf Großstädte in den ehemaligen Ostblockstaaten und einigen Metropolen der Dritten Welt verbunden. Der anfängliche Glaube diesen Prozess anhand einer einzigen, allgemeingültigen Theorie zu erklären, scheiterte an der Komplexität, Historizität, Selbstreferenz und Eigendynamik der Gentrification. Die Gentrification folgt keinen allgemeinen Gesetzen oder einfachen Kausalitäten, sondern ist ein sozialer, evolutionär entstandener Prozess, der in seiner lokalen Ausprägung ständig neu produziert und modifiziert wird. Insbesondere Investoren, Politiker und Planer haben gelernt, wie die Aufwertung von Bestandsquartieren initiiert und gefördert werden kann. Aber auch die "Anwälte der Betroffenen" kennen die Zeichen einer "drohenden" Aufwertung und Verdrängung sowie das Instrumentarium des Widerstandes. Die historisch individuellen Verläufe führen zu fallspezifischen Mustern der Gentrification. Für die Gentrificationforschung ergeben sich daraus folgende Notwendigkeiten und Konsequenzen: eine größere Offenheit des Konzeptes, da Gentrification in der Ausprägung ihrer vier Dimensionen und der räumlichen Verbreitung sehr variabel sein kann; eine sich daraus ergebende größere Bedeutung von detaillierten Fallanalysen aber zugleich auch Vergleiche der Gentrification in verschiedenen Städten/Quartieren und eine daraus abgeleitete Typisierung; eine genauere Untersuchung lokaler Politiken der Gentrification und lokaler Gentrificationdiskurse; eine vergleichende Diskussion und Bewertung der Untersuchungsmethoden der Gentrification. (Autorenreferat)
In: Interdisziplinäre Wohnungsforschung Band 3
Angesichts der sich seit Jahren zuspitzenden Lage auf den Wohnungs- und Immobilienmärkten ist Gentrifizierung zu einem der wichtigsten Begriffe geworden, um die gesellschaftlichen Veränderungen in den Großstädten zu beschreiben. Die Beiträge des Bandes liefern aktuelle Diagnosen der deutschsprachigen Gentrifizierungsforschung und betrachten die jüngsten Entwicklungen anhand einer Vielzahl von Fallbeispielen aus unterschiedlichen Perspektiven. Wie in einem Brennglas lassen sich dadurch gesellschaftliche Veränderungen, soziale Konflikte und politische Aushandlungsprozesse der Stadt- und Wohnungsmarktentwicklung beobachten und verstehen.
In: Dresdner Geographische Beiträge 11/2007
In: Dresdener geographische Beiträge 11