Welche Qualen ein Museumsbesucher erleidet, das weiß man erst, seit ein Museumsshop sie lindert: Hier kann man alles anfassen, kaufen und mit nach Hause nehmen; hier findet der Konsument nach der Geisterwelt des Unberührbaren und Unverkäuflichen ins wahre Leben zurück. Ist er dort glücklich? Das ist die Frage, der Walter Grasskamp in seinen zahlreichen Streifzügen durch die Warenwelt nachgeht. Auf ihnen portraitiert er Teetrinker und Zigarettenraucher, Sofabildbesitzer und Popmusikfans, Schmuckträger und Markenbekleidete im Verhältnis zu den Gütern, für die sie das Wertvollste geben, das sie haben, ihr Geld - es sei denn, sie gehören zu den Ladendieben, denen eine eigene Betrachtung gewidmet ist.
Viele Vertreter der Generation der "Jungen Wilden" haben vor dem Boom Anfang der 1980er Jahre wenig Interesse an der Malerei gezeigt. Der vorliegende Essay arbeitet eine in der einschlägigen Literatur durchweg unterschätzte Gemeinsamkeit dieser "Schule" heraus: ihre Unbefangenheit gegenüber dem Kunstmarkt. Vor diesem Hintergrund erweisen sich viele der zeitgenössischen Genealogien der "Jungen Wilden" als zu kurz gegriffen, vor allem, wenn sie eine formale Herkunft aus dem deutschen Expressionismus propagieren. In ihrem Umgang mit dem Kunstmarkt traten die "Jungen Wilden" vielmehr ein spezifisches Erbe der New Yorker Pop Art an, die mit Andy Warhol dem künstlerischen Bilderhandel ein völlig neues Vorbild gegeben und demonstrativ mit traditionellen Skrupeln gebrochen hatte. Warhol hat klar gemacht, dass die Authentizität der zeitgenössischen Kunst eher in ihrem Verhältnis zum Markt zu suchen ist denn in der Glaubwürdigkeit eines Ausdrucks innerer Befindlichkeiten. Warhols Marktbewusstsein bezog sich sowohl auf den Bildermarkt der Medien und Konsumgüter, aus dem er seine Motive bezog, wie auf den der Kunst, wo er deren Bearbeitungen feilbot. Der Autor resümiert, dass die "Jungen Wilden" in dieser Hinsicht die ersten Schüler Warhols gewesen sind und damit in Westdeutschland mit Beginn der achtziger Jahre eine neue Qualität in den Umgang von Künstlern mit dem Kunstmarkt gebracht haben. Das Verhältnis zwischen Künstler und Galerist gilt heute als Schlüsselbeziehung für die Kunst des 2O.Jahrhunderts. Aber erst die offensive Pop Art hat den Fiktionen der Unkommerzialität und den Illusionen einer moralischen Sonderstellung, die zuvor die ökonomische Rolle der Kunst beschönigt und verschleiert hatten, ein offizielles Ende bereitet und die Vermarktungskompetenz des Künstlers als Teil des Kunstwerks selbst begriffen. (ICA2)
Die Postmoderne, Mitte der Sechziger offiziell ausgerufen, ist in die Jahre gekommen; Zeit, eine Bilanz zu ziehen. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Also keine schlichte politisch-ideologische Auseinandersetzung zwischen Verteidigern und Verächtern "der Moderne", sondern ein unbefangener Blick darauf, was die Postmoderne bisher zustande gebracht hat: ästhetisch, theoretisch, politisch. In diesem MERKUR-Doppelheft Nr. 594/595 finden sich Beiträge über Kunst und Architektur, Musik und Film, Literatur und Dekonstruktion, Feminismus und Identität, Philosophie und Geschichte, Wissenschaft und Politik.
Die Frage nach dem Umgang mit der eigenen Vergangenheit stellte sich für das Haus der Kunst in München bereits direkt nach Ende des Zweiten Weltkriegs, als das Haus im Jahr 1946 wieder als Ausstellungsraum diente. Seit 1995 erforscht es aktiv diese Vergangenheit und stellt die Ergebnisse den Besuchern in verschiedener Form zur Verfügung. 2012 erinnerte das Hauses der Kunst unter dem Titel »Geschichten im Konflikt. Das Haus der Kunst und der ideologische Gebrauch von Kunst, 1937 – 1955« mit einer groß angelegten Ausstellung an den 75. Jahrestag seiner Eröffnung im Sommer 1937 – ein Datum, welches das erneute Nachdenken über den komplexen historischen Prozess bedingte, der das Haus der Kunst in seiner heutigen Form hervorgebracht hat. "Das Buch entstand aus einer Vortragsreihe, so dass die Beiträge von sehr unterschiedlicher Informationsdichte sind. Während man historisch auf den aktuellen Stand gebracht wird, ist das von dem amerikanischen Kunsthistoriker Benjamin H.D. Buchloh nicht anders zu erwartende Geschwurbel über die Ausstellung "Entartete Kunst" im Vergleich mit der "Exposition internationale du surréalisme" wenig erhellend. Der Beitrag von Harald Bodenschatz zum NS-Städtebau dient dem Autor vor allem zum Selbstzitat, was zur Funktion des "Hauses der deutschen Kunst" ebenfalls nichts beiträgt. Selbst Walter Grasskamp erschöpft sich im Selbstzitat, wenn er wieder einmal über die erste documenta in Kassel reflektiert, anstatt, dass die frühe Ausstellungsgeschichte des Hauses einmal ernsthaft analysiert würde. Das Buch ist also zum Gutteil eine verpasste Chance. Aber dank seiner schönen Gestaltung und der erzählenden Bildstrecken macht es doch Freude, darin zu blättern. Man muss es also mit einem lachenden und einem weinenden Auge zur Hand nehmen, so wie man heute an dem verkehrsumtosten "Denkmal der Schande" mit einem lachenden und einem weinenden Auge vorbeigeht und sich doch über dessen gelungene Resozialisierung in einem demokratischen Kunstbetrieb freuen kann" (kunstbuchanzeiger.de)