Tugend und Anstand haben wieder Konjunktur. Geredet wird darüber zumindest viel, mit der Umsetzung hapert es noch. Dabei ist es allerhöchste Zeit, dass wir Ernst machen mit der Tugend, erklärt der Theologe und Soziologe Reimer Gronemeyer. Denn unsere Zeit, mit ihrem entfesselten Kapitalismus, ihrer Egozentrik, ihrer Technologiegläubigkeit und ihrem Optimierungswahn, braucht ein Orientierungssystem: Richt-Werte, die unserem Leben Halt geben, die es individuell und gesamtgesellschaftlich glücken lassen. Reimer Gronemeyer definiert neun gegenwärtige Tugenden: Sanftmut, Freundschaft, Liebe, Gelassenheit, Güte, Treue, Selbstbegrenzung, Einfachheit und Empathie. Zusammen bilden sie die Basis eines bewusst geführten Lebens, das Rücksicht nimmt auf die Mitmenschen und die Umwelt. Denn die negativen Auswüchse unserer Zeit sind ja keine Schicksalsschläge: Wir können uns gegen Hass, Gier und Ignoranz entscheiden und zu einem freundschaftlichen Umgang mit der Welt finden. (Verlagstext)
Der Soziologe, der auch bei "Palliative Care" und in Bundesarbeitsgemeinschaften mit den Themen Hospiz und Sterbehilfe befasst ist, warnt nach seiner Analyse "Kampf der Generationen" (BA 5/04) vor dem Irrweg einer immer stärker werdenden Kontrolle des Lebensendes. Ökonomisierung, Institutionalisierung und Medikalisierung seien die zeitgenössischen Weisen des Umgangs mit dem Sterben, um den Tod mit den Mitteln der modernen Gesellschaft zu bannen. Unter Rückgriff auf zahlreiche Statistiken, Fallberichte und Ortsbeschreibungen zeigt er, dass das Sterben zunehmend maschinenmäßiger in Krankenhäusern und Altenheimen abgewickelt wird, wo man den medizinisch und spirituell narkotisierten Sterbenden am Ende doch einer grenzenlosen Einsamkeit überlassen müsse. Eine auf Zahlen und Fakten basierende Bestandsaufnahme, die sich nicht scheut, den Sinn dieser sich abzeichnenden Entwicklung durch pointierte Fragen radikal anzuzweifeln.
Gronemeyer (Theologe und Soziologieprofessor) und Heller (Professor für Palliative Care und Organisationsethik) beklagen, dass uns die moderne Medizin unfähig gemacht habe, mit dem Schmerz, der Einsamkeit, den Demütigungen des Alters und dem Sterben sozial und menschlich umzugehen. Am Lebensende seien wir radikal auf eine Umsorge angewiesen, die sich nicht berechnen und verrechnen lässt; die nicht im Planungsprojekt einer standardmäi︢gen gesellschaftlichen Sterbeentsorgung aufgeht. Sie kritisieren einen Gesundheitsapparat, der das Lebensende zu einem Behandlungsprojekt macht, in dem eine schwer zu entwirrende Mischung aus Profitinteresse und Standespolitik vorzuherrschen beginnt. Sie fordern: keine endlosen Therapien und keine neuen technischen Verfahren mehr; statt dessen müsse sich das Gesundheitswesen an den Bedürfnissen der Menschen und nicht an den Kalkulationsmodellen der Kliniken orientieren. Ohne die umsorgende Wärme anderer Menschen könne man nicht in Würde sterben. Ein eloquentes Plädoyer, das ergänzend zu Ida Lamp: "Hospiz & Co" ab mittleren Beständen empfohlen wird. (2)
Die Alten sind die Musterschüler der Leistungsgesellschaft, die digitale Avantgarde im Vitaldaten-Monitor, die umworbene Kundschaft eines verantwortungslosen Marktes. Schonungslos schreibt Reimer Gronemeyer über das Altwerden im Würgegriff von Konsum und Jugendwahn. Sein hoffnungsvolles Gegenbild ist eine neue Kultur der Nachdenklichkeit. Sie entfaltet sich im unermüdlich bewussten Unterwegssein. Und in der Entscheidung, Verantwortung zu übernehmen, Nähe zu wagen, neu aufzubrechen. Denn es geht immer um Befreiung. Das persönlichste Buch des renommierten Soziologen Reimer Gronemeyer ist eine Einladung, einen eigenen Umgang mit der großen Aufgabe Alter zu finden. Reimer Gronemeyerist Theologe und Soziologe. Er studierte in Hamburg, Heidelberg und Edinburgh und promovierte in Theologie und Soziologie. Seit 1975 hat Gronemeyer eine Professur für Soziologie an der Universität Gießen inne. Zahlreiche Forschungsprojekte führten ihn nach Osteuropa und Afrika. In seinen Veröffentlichungen (zuletzt: »In Ruhe sterben«, 2014), als Mitherausgeber von Fachzeitschriften und in Stiftungsgremien beschäftigt er sich intensiv mit Fragen der alternden Gesellschaft, Demenz und Sterbebegleitung.
Jeden Tag sterben in Afrika 6600 Menschen an HIV/AIDS. Präventionskampagnen zeigen bisher kaum Wirkung: Die Infektionszahlen sinken nicht. Allein im Jahre 2001 haben sich im subsaharischen Afrika 3,4 Millionen Menschen neu infiziert. 28 Millionen Afrikaner tragen den Virus in sich. Die westliche Medizin hätte Mittel, die tödliche Krankheit in eine chronische umzuwandeln, aber die Kosten sind astronomisch hoch: So stirbt man in Afrika an AIDS. Dieses Buch wirft vier zentrale Fragen auf: Warum breitet sich die Epidemie im südlichen Afrika so rasend schnell aus? Welche sozialen Folgen hat die AIDS-Katastrophe? Warum wirken die Präventionskampagnen nicht? Welche Auswege gibt es aus dieser afrikanischen Tragödie? Wer die Krankheit bekämpfen will, darf sich nicht auf die medizinischen Aspekte beschränken, sondern muss die sozialen Erschütterungen bedenken, die den massenhaften Aidstod möglich machen. AIDS ist eine Folge sozialer Verwerfungen und wird zugleich zur Ursache weiterer Zerstörung afrikanischer Lebenswelten. Erkennbar wird aber auch eine überwältigende Kompetenz, die Kranken in nachbarschaftlichen Netzen aufzufangen, die es so in Europa längst nicht mehr gibt. Der Autor: Reimer Gronemeyer, Prof. Dr. Dr., geb. 1939; Studium der Theologie in Hamburg, Heidelberg und Edinburgh; lutherischer Pfarrer in Hamburg. Studium der Soziologie. Seit 1975 Professor für Soziologie an der Universität Gießen. Lange Forschungsaufenthalte in Afrika (Sudan, Simbabwe, Namibia, Botswana, Senegal, Südafrikanische Republik). Gegenwärtig Leitung eines Forschungsprojektes der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu den sozialen Fragen von AIDS im südlichen Afrika. Zahlreiche Buchveröffentlichungen u. a.: Kampf der Generationen (München 2. Auflage 2005), Living and Dying with Aids in Africa (Frankfurt/M. 2005), Eiszeit der Ethik (Würzburg 2003), Die 10 Gebote des 21. Jahrhunderts (Düsseldorf 1999), Die neue Lust an der Askese (Berlin 1998), Jugend und Gewalt (Reinbek 1993), Der faule Neger. Vom weißen Kreuzzug gegen den schwarzen Müßiggang (Reinbek 1991), Die Entfernung vom Wolfsrudel (Düsseldorf 1989).
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Es ist stets eine verdienstvolle Aufgabe, wenn renommierte Autoren das vor allem von Teilen der Medienlandschaft getrübte Bild vom "Schwarzen" (besser "Bunten") Kontinent zurechtrücken wollen. Dies versuchen in ihrer Streitschrift auch die beiden an der Uni Gießen tätigen Soziologen. Gronemeyer, von Hause aus Theologe, hatte sich schon öfters zu Afrika geäußert - zuletzt mit "So stirbt man in Afrika an Aids" (Frankfurt 2002, nicht besprochen). Mit seinen unbequemen Ansichten hat er in der Regel provozieren wollen, um Denkanstöße zu geben, Debatten anzuregen. Auch in diesem Buch kritisiert er mit seinem Kollegen schonungslos die nur am Profit interessierten (westlichen) Industriestaaten. Manche Sicht der Dinge gerät dabei allerdings selbst zum Klischee. Am überzeugendsten sind die Alltagsgeschichten (nebst Zitaten) zu spezifischen Themen (z.B. AIDS, Naturheilkunde, Rolle der Frauen). - Ähnlich angelegt wie G. Caplan "Verschwörung gegen Afrika" (BA 6/08), als Gesellschafts- und Zivilisationskritik unbedingt lesenswert. Zur Vertiefung empfiehlt sich "Afrika - ein verlorener Kontinent?" (ID 34/05). (2)