Bausteine eines soziologischen Krisenverständnisses: Rückblick und Neubetrachtung
In: Krisen verstehen: historische und kulturwissenschaftliche Annäherungen, S. 29-45
Im ersten Schritt des Beitrags werden klassische Figuren der Allgemeinen Soziologie berücksichtigt. Die referierten Positionen liefern Einblicke in Grundzüge des soziologischen Krisenverständnisses. Zugleich wird argumentiert, dass der dort vorherrschende Fokus auf gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge Gefahr läuft, entweder zu abstrakte oder dem Wesen nach strukturkonservative Perspektiven zu stärken, die einem zeitgemäßen Krisenverständnis entgegenstehen. Um dies zu verdeutlichen, wird die Argumentation in einem zweiten Schritt anhand der Organisationsforschung und unter besonderer Berücksichtigung von Innovationsprozessen weiterentwickelt, weil dieser Forschungsbereich auf Grund empirischer und theoretischer Merkmale in besonderer Weise geeignet ist, zu einem verbesserten Verständnis von Krisen beizutragen. Die Argumentation stützt folgende Auffassung: Veränderte Vorstellungen über Dynamiken, Reformerfordernisse und Innovationsnotwendigkeiten erfordern ein gegenüber klassischen Positionen der Soziologie grundlegend erneuertes Krisenverständnis. Dies basiert darauf, nicht fehlende Stabilität oder unzureichende Integration als problematisch auszuweisen, sondern unzureichende Dynamik. Krisen, und zwar auch solche, die tatsächlich zum Kollaps sozialer Gebilde führen, sind ein integraler Bestandteil dieser Dynamik. (ICB2)