Die Dokumentation in der Altenpflege: ihr Zusammenwirken mit der Pflege- und Managementqualität sowie der Lebensqualität der Pflegebedürftigen ; eine internationale Vergleichsuntersuchung
Zur Dokumentation in der Altenpflege existiert international eine große Zahl theoretischer und empirischer Untersuchungen. Der weitaus größte Teil der vorliegenden Veröffentlichungen hat die Beziehung zwischen der Dokumentationsqualität und der Pflegequalität aus professioneller Perspektive zum Gegenstand. Die vorliegende Studie betrachtet darüber hinaus auch die Zusammenhänge der Dokumentation mit den Pflegeergebnissen aus der Perspektive der Klientinnen und Klienten (Pflegezufriedenheit und pflegebezogene Lebensqualität). Die theoretische Analyse erfolgt zunächst aus pflegetheoretischer Sicht. Unumstritten ist die Bedeutung der Dokumentation für die operative Bewältigung des Pflegealltags (etwa als Kommunikationsinstrument oder als Nachweisgrundlage zur Schaffung von Rechtssicherheit). Eine darüber hinausgehende zentrale Aufgabe der Dokumentation ist die Sicherung pflegerischer Professionalität durch ihre Rolle bei der Gestaltung und Reflexion des Pflegeprozesshandelns. Hierzu sind Pflegeprozessmodelle erforderlich, die zu einer integrierten Betrachtung der Prozessschritte, zur partnerschaftlichen Einbeziehung von Klientin bzw. Klient, Angehörigen und anderen Kooperationspartnern und zur inhaltlichen Berücksichtigung der vier pflegerischen Meta-Qualitätsdimensionen (sozial, physisch-funktional, umweltbezogen und psychisch) anleiten. In Ergänzung zu diesen pflegetheoretischen Erwägungen werden in einer institutionenökonomischen Analyse zwei ökonomische Motive des Pflegedokumentations- und mithin des damit verbundenen Pflegetransparenzhandelns betrachtet: Die Reduzierung des Risikos, für negative Pflegeergebnisse verantwortlich gemacht zu werden, die nicht in den eigenen Verantwortungsbereich fallen und die Signalisierung einer aus professioneller Sicht herausragenden Pflegequalität. Die theoretischen Erkenntnisse aus pflegewissenschaftlicher und institutionenökonomischer Sicht werden in einem Metamodell der Pflegeprozessdokumentation zusammengefasst. Zentrale theoretisch erwartete Wirkungszusammenhänge werden anschließend einer empirischen Untersuchung unterzogen. Hierzu wird auf den internationalen Datensatz aus dem EU-Forschungsprojekt Care Keys mit Daten zu insgesamt ca. 1400 ambulant und stationär versorgten Klientinnen und Klienten aus Deutschland, Estland, Finnland, Schweden und dem Vereinigten Königreich zurückgegriffen. Eine vergleichende Darstellung zeigt große internationale Differenzen der Pflegedokumentationsqualität. Die in den empirischen Zusammenhangsanalysen erkennbaren Dokumentationsmotive und -wirkungen bestätigen eine institutionenökonomisch erwartete Bedingung für eine Nutzung des professionellen Potentials der Dokumentation: Diese Nutzung ist nur möglich, so lange die professionellen Motive nicht wegen der geltenden institutionell-administrativen Rahmenbedingungen durch andere, individuell-ökonomische Motive in den Hintergrund gedrängt werden. Drei Muster der Dokumentationsmotive und -wirkungen können empirisch belegt werden: Beim Muster der Dokumentation als bürokratische Aufgabe (zu beobachten in den beiden estnischen Teildatensätzen) folgt das Dokumentationshandeln nichtadäquaten bürokratischen Vorgaben, was sich in der negativen Dokumentationswirkung sowohl auf die professionelle Pflegequalität als auch auf die Pflegeergebnisse aus Klientinnen- bzw. Klientensicht zeigt. Beim Muster der Dokumentation zur Signalisierung professioneller Qualität (zu beobachten vor allem in den finnischen Teildatensätzen) steht eine positive Wirkung der Dokumentation auf den professionellen Dokumentationsoutput negativen Wirkungen auf die Dokumentationsergebnisse aus Klientinnen- bzw. Klientensicht gegenüber. Der Fokus auf die Darstellung einer professionell besonders qualitätvollen Pflege beeinträchtigt die klientinnen- bzw. klientenbezogenen Pflegeergebnisse. Beim Muster der Dokumentation zur Qualitätssicherung und Reduzierung des Risikos (zu beobachten vor allem in den deutschen Teildatensätzen) steht eine negative Wirkung der Dokumentation auf die Pflegebedarfsbefriedigung positiven Wirkungen auf die Pflegequalität aus professioneller Sicht und auf die Pflegeergebnisse aus Klientinnen- bzw. Klientensicht gegenüber. Die Dokumentation wird hier qualitätssichernd, aber auch zum Hinweis auf institutionell begründete Lücken der pflegerischen Bedürfnisbefriedigung verwendet.