Absage an die Natur: die thematischen und erkenntnistheoretischen Grundlagen der deutschen Bevölkerungssoziologie
In: Das Konstrukt "Bevölkerung" vor, im und nach dem "Dritten Reich", S. 255-287
Die Grundlegung eines soziologischen und historischen Bevölkerungskonzepts ist eine typisch deutsche Leistung und berührt ein weites Feld der deutschen Geistesgeschichte. Sie findet in einem Kontext kultureller Evolution statt und ist scharf abgegrenzt gegenüber Naturwissenschaften und Darwinismus. Dieses soziologische Konzept mobilisierte das gesamte wirtschaftliche, kulturelle und historische Wissen. Das soziologische Bevölkerungskonzept war im deutschen Historismus des 19. Jahrhundert und den zeitgenössischen erkenntnistheoretischen Konzepten verwurzelt. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde "Bevölkerung" zu einer eigenständigen analytischen Dimension soziologischer Forschung. Anfänglich stand das soziologische Nachdenken über Bevölkerung nicht konkurrenzlos dar. Um 1900 machten sich Ansätze der Eugenik bemerkbar. Die Bevölkerungssoziologie stand immer in Opposition zu "naturalistischen" Ansätzen. (ICEÜbers)