Die "Furchtbare Mutter": zur feministischen Relevanz eines ungeliebten Phänomens
In: Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis, Volume 15, Issue 32, p. 77-86
ISSN: 0722-0189
Gegenstand dieser Untersuchung sind die furchtbaren, blutopferfordernden dunklen Göttinnen des Hinduismus und Spätbuddhismus. Die Autorin setzt sich kritisch mit der feministischen These auseinander, die furchtbare Mutter sei eine patriarchale Erfindung, eine Projektion männlicher Sexual- und Todesangst, geboren aus dem Bedürfnis, Frauen zu Sündenböcken für verdrängte männliche Unzulänglichkeit zu machen, und fehl am Platze in einem frauenfreundlichen, matriarchalen Weltbild. Hierzu werden unter anderem die Weiblichkeit der Göttinnen, ihre furchtbaren Erscheinungsformen und der Zusammenhang zwischen der furchtbaren Göttin und dem weiblichen Selbstbild analysiert. Die Verfasserin kommt zu dem Ergebnis, daß sich die Furchtbare Göttin als doppelt hilfreich für die Frauen im Patriarchat erweist: einerseits ist sie das Vorbild für die Überwindung des von der Gesellschaft verordneten gespaltenen Selbstbildes durch die Integration des dunklen Anteils, und andererseits verlangt sie die Auseinandersetzung mit dem zornigen Weiblichen auch von den Männern, die damit die gesamte Problematik nicht als 'Frauensache' abtuen können. (ICE2)