Der Erste Weltkrieg hat Hitler überhaupt erst möglich gemacht - daran besteht heute kein vernünftiger Zweifel mehr. Umstritten und in vieler Hinsicht ungeklärt ist hingegen, welche eigentliche Bedeutung der Krieg von 1914-1918 sowie die militärische Niederlage und ihre politischen Folgen (Novemberrevolution, Versailler Vertrag) für den Aufstieg und die Durchsetzung des Nationalsozialismus nach 1933 hatten. Dieses Buch erörtert die vielfältigen und oftmals überraschenden Verknüpfungen zwischen dem verlorenen Weltkrieg und der NS-Diktatur. Die Palette der Themen reicht von der Instrumentalisierung und Medialisierung des Großen Krieges durch Indoktrination und Propaganda, aber etwa auch in Literatur, Film und Malerei, bis hin zu den politischen, ökonomischen, militärischen sowie anderen "Lehren", die der Nationalsozialismus aus dem Ersten Weltkrieg für einen neuen, weitaus totaleren Krieg zog. - - "Wie extrem auch immer die innere Motivation war, die Hitler aus dem Krieg und der Revolution zog, und wie radikal die Botschaft, die er in den Münchner Bierkellern und später dann auf der nationalen Bühne verkündete: er hätte nicht allzu viele Zuhörer gefunden, wenn es nicht Millionen gegeben hätte, die bereit waren, wenigstens partiell seiner Diagnose des deutschen Missgeschicks und der seiner Ansicht nach notwendigen Abhilfe zuzustimmen. Der Band macht deutlich, wie sehr diese Bereitschaft auf die zahllosen Methoden und Praktiken zurückzuführen ist, mit denen die Nationalsozialisten das Trauma des Ersten Weltkriegs ausbeuteten." (Aus dem Vorwort von Ian Kershaw)
Am 30. Juni 1934 ('Röhm-Putsch') versuchte die NS-Führung, sich auch des 'Fememörders' Paul Schulz zu entledigen, obwohl sie ihn nur wenige Jahre zuvor mit aufwändigen Kampagnen zum 'Helden' stilisiert hatte. Denn nachdem Schulz von einem republikanischen Gericht wegen Mordes an den 'Verrätern' in den Reihen der 'Schwarzen Reichswehr' zum Tode verurteilt worden war, wurde er 1927 vorzeitig in den 'Kult um die toten Helden' der nationalsozialistischen 'Bewegung' aufgenommen. 1930 jedoch wurde er amnestiert und musste als nun wieder lebendiger 'toter Held' in die NSDAP (re)integriert werden. Der Beitrag untersucht, wie von hier an der Schulz-Mythos ein bemerkenswertes, den Nationalsozialisten bedrohlich werdendes Eigenleben entwickelte. Das Interesse gilt im Folgenden vor allem zwei Aspekten: 1. den 'Femeprozessen' und der Frage, wem und aus welchen Gründen die vermeintliche Leiche ikonisch (1927) und politisch (1934) nützte. Sodann geht es 2. um die Charakteristika dieser Ikonisierung. Sie stehen auch im Mittelpunkt der anschließenden Analyse des Umgangs der Nationalsozialisten mit Schulz nach 1930, an dessen Ende der Beschluss zur Liquidierung von Mythos und Person stand. ; At the 30th of June 1934 ('Röhm-Putsch') the Nazi leaders also attempted to kill the 'Fememörder' Paul Schulz, although they had stylized him as a hero only several years before. After a startling criminal case in 1927, in which Paul Schulz had been sentenced to death due to the murder of 'betrayers' in the 'Schwarze Reichswehr' he was admitted - prior to his death - to a specific cult, which the Nazi 'movement' built around its 'dead heroes'. But in 1930 he was amnestied and had to be (re)integrated into the Nazi party - as a living 'dead hero'. This paper investigates the Schulz-myth, which - from that incident on - evolved into a remarkable life on its own, endangering the national socialists and their concept of 'martyrs'. Two aspects are in the focus of this investigation: 1. The 'Femeprozesse' and the questions who had an iconical (1927) and political (1934) interest in the corpse; furthermore the reasons behind this interest. 2. The characteristics of that iconification of Schulz intended by the Nazi propaganda as well as the problems evocing due to Schulz' survival after 1930 - finally ending in the decision to liquidate both, myth and personality.
'Am 30. Juni 1934 ('Röhm-Putsch') versuchte die NS-Führung, sich auch des 'Fememörders' Paul Schulz zu entledigen, obwohl sie ihn nur wenige Jahre zuvor mit aufwändigen Kampagnen zum 'Helden' stilisiert hatte. Denn nachdem Schulz von einem republikanischen Gericht wegen Mordes an den 'Verrätern' in den Reihen der 'Schwarzen Reichswehr' zum Tode verurteilt worden war, wurde er 1927 vorzeitig in den 'Kult um die toten Helden' der nationalsozialistischen 'Bewegung' aufgenommen. 1930 jedoch wurde er amnestiert und musste als nun wieder lebendiger 'toter Held' in die NSDAP (re)integriert werden. Der Beitrag untersucht, wie von hier an der Schulz-Mythos ein bemerkenswertes, den Nationalsozialisten bedrohlich werdendes Eigenleben entwickelte. Das Interesse gilt im Folgenden vor allem zwei Aspekten: 1. den 'Femeprozessen' und der Frage, wem und aus welchen Gründen die vermeintliche Leiche ikonisch (1927) und politisch (1934) nützte. Sodann geht es 2. um die Charakteristika dieser Ikonisierung. Sie stehen auch im Mittelpunkt der anschließenden Analyse des Umgangs der Nationalsozialisten mit Schulz nach 1930, an dessen Ende der Beschluss zur Liquidierung von Mythos und Person stand.' (Autorenreferat)