Zum Symptomwandel neurotischer Störungen: sozialhistorische und sozialpsychologische Aspekte
In: Verunsicherungen: das Subjekt im gesellschaftlichen Wandel ; Münchener Beiträge zur Sozialpsychologie, S. 103-124
Der Verfasser referiert einleitend die These vom Symptomwandel neurotischer Störungen und skizziert die Symptomatik "nachklassischer Neurosen". Er fragt im folgenden nach empirischen Befunden zu dem behaupteten Symptomwandel und zeigt, daß die These vom Symptomwandel nicht zweifelsfrei belegt werden kann. Am Beispiel der Identitätsproblematik wird jedoch deutlich, daß der beschriebene Symptomwandel und neuere psychologische Theorieansätze gleichermaßen die "Identität" als das "eigentliche Problem" in den Vordergrund stellen. Dieser gleichermaßen Patienten und Therapeuten betreffende Prozeß wird auf Tendenzen sozialen Wandels zurückgeführt, die im Sinne eines Modernisierungsschubs zur Erosion traditioneller Lebenswelten, zur Aufweichung von Rollenmustern und zur Auflösung klassischer Familienkonstellationen führen. Diese Entwicklung impliziert einerseits die "Chance einer größeren Freiheit von einengenden traditionellen Regulierungen", macht aber andererseits Identität und Identitätsbildung zunehmend problematisch. (ICE)