Grundlagen und Kritik der neoliberalen Wirtschaftspolitik
In: WISO: Wirtschafts- und sozialpolitische Zeitschrift, Band 30, Heft 1, S. 19-48
ISSN: 1012-3059
Der Artikel befasst sich mit der Dominanz neoliberaler Politik und neoliberaler Politikberatung in Deutschland. Es wird gezeigt, dass verschiedene Interessengruppen diese Richtung propagieren und hierfür auch Plattformen zur Verfügung stellen, durch die sie diese Vorstellungen sehr wirksam in der Öffentlichkeit platzieren. Im zweiten Teil wird auf die sachlichen Begründungen eingegangen.Es wird gezeigt, dass die neoliberale Wahrnehmung von Wettbewerbsnachteilen der deutschen Wirtschaft aufgrund zu hoher Lohnkosten falsch ist. Dies zeigt ein internationaler Vergleich der Arbeitskosten. Nimmt man, was unverzichtbar ist, die Produktivitätsentwicklung mit ins Bild, ergibt sich der recht eindeutige Befund, dass Deutschland zusammen mit Österreich die niedrigsten Lohnsteigerungen innerhalb der EWU seit Beginn der Währungsunion hat. Die starke Lohnzurückhaltung führte zu einer Spaltung der Konjunktur in eine boomende Exportkonjunktur, die von der hohen Wettbewerbsfähigkeit beflügelt wurde, und eine lahmende Binnennachfrage, die durch die geringen Lohnsteigerungen gehemmt wurde. Der Staat hat dies noch durch eine in der Tendenz restriktive Fiskalpolitik verschärft. Hinzu kommt, dass die Strukturreformen auf dem Arbeitsmarkt, die seit 2003 durchgeführt wurden, die konjunkturellen Spaltungstendenzen verschärft haben. Sie förderten die Wettbewerbsfähigkeit durch niedrigere Lohnnebenkosten und schwächten durch den Lohndruck ebenfalls die Binnennachfrage. Alles in allem hat die neoliberale Politikausrichtung in Deutschland die Wirtschaft eher belastet als stimuliert. (WISO / FUB)