Meditation und Psychiatrie: Über die Verseelung und Vergeistigung der Meditation
In: Paragrana: internationale Zeitschrift für historische Anthropologie, Band 22, Heft 2, S. 115-129
ISSN: 2196-6885
Die Anwendung meditativer Praktiken bei schweren psychischen Erkrankungen wird in der Psychiatrie skeptisch betrachtet. Der vorliegende Text wirft die Frage auf, ob dies berechtigt ist. Er sieht eine Ursache für diese Skepsis in einem zu engen, kognitivistischen Verständnis sowohl von psychiatrischen Erkrankungen als auch von Meditation. Meditation wird oft einseitig als Veränderung des subjektiven Erlebens und als Bewusstseinserweiterung interpretiert. Wenn Meditation dem - gemeinhin akzeptierten - Anspruch gerecht werden soll, eine existenzielle Bereicherung zu sein, ist es sinnvoll, sie auch als Übungsweg zu einem differenzierteren praktisch-sinnlichen Kontakt mit der Umwelt und Mitwelt zu verstehen und zu gestalten. Damit eröffnet sich eine neue Perspektive für die psychotherapeutische Behandlung von Lebensformen, die ein Scheitern dieser Interaktivität und eine reduzierte und verschobene Wirklichkeitserfahrung beinhalten.