Rezension von:Franz Segbers (2015): Ökonomie, die dem Leben dient. Die Menschenrechte als Grundlage einer christlichen Wirtschaftsethik, Kevelaer / Neukirchen-Vluyn: Butzon Bercker / Neukirchener Verlagsgesellschaft. 248 S., ISBN 978-3-7666-2179-5, EUR 24,95.
Die Arbeitsmarktentwicklung der letzten fünf Jahre (2007-2012) in der Bundesrepublik Deutschland ist höchst ambivalent zu bewerten. Zwar ist die Arbeitslosigkeit deutlich gesenkt worden, parallel dazu stieg jedoch der Niedriglohnsektor, der ohnehin in den vergangenen zwei Jahrzehnten um rund 50% gewachsen ist, noch einmal an. Insofern ist der Rückgang der Arbeitslosigkeit mit einer Zunahme des Niedriglohnsektors, darunter überdurchschnittlich viele sog. atypische Beschäftigungsverhältnisse, »erkauft« worden. Dieser Bereich bedarf dringend der politischen Regelung, wobei in diesem Beitrag nicht für eine generelle Rücknahme flexibilisierter Arbeitsverhältnisse plädiert wird, sondern die Einführung von Mindestlöhnen – welche inzwischen im Jahr 2014 nach dem Entstehen des vorliegenden Beitrags gesetzlich in Deutschland eingeführt wurden – und eine Neuformatierung des Sozialsystems in Richtung einer Steuerfinanzierung favorisiert werden. There are some contradictory perspectives in regard to the labor market development of the Federal Republic of Germany in the past five years (2007-2012). Although unemployment has decreased substantially, the low-wage labor market, which has grown by 50% for the last two decades, also expanded during this five year period.This decrease in unemployment is exchanged at the »cost« of an increase in the low-wage labor market, with an especially significant increase in so-called atypical employment relationships. This labor market urgently requires political regulation. However, this article does not serve the purpose of pleading for a general reduction of flexible employment contracts, but rather, for the introduction of a minimum wage – which Germany officially implemented in 2014, after the article was written. The article also advocates a reorganization of the social security system by the means of tax financing.
Die Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft ist eine evolutiv offene Ordnung, die sich als eine Verknüpfung von wirtschaftsliberalen, konservativ-ordnungs- politischen und sozialstaatlichen Motiven rekonstruieren lässt. In diesem Sinn hat Müller-Armack den »irenischen« Charakter der Konzeption hervorgehoben, welche die Perspektiven der konfessionellen Sozialethiken ebenso wie liberale und freiheitlich-sozialistische Anliegen verbindet. Ihre historische Durchsetzung verdankt sich nach dem Zweiten Weltkrieg einer besonderen historischen Situa- tion, wobei die entscheidenden Akteure bewusste Protestanten gewesen sind. Auch sachlich ist diese Konzeption in wesentlichen Zügen von sozialethischen Traditionen des Protestantismus bestimmt, sodass von genuin »protestan- tischen Wurzeln der Sozialen Marktwirtschaft« gesprochen werden kann. Die Begründer der Sozialen Marktwirtschaft haben in bewusster Reflektion ihres protestantischen Hintergrundes großen Wert darauf gelegt, dass es sich nicht um eine konfessionell einseitig festgelegte Konzeption handelt, gleichwohl ha- ben sie deren normative Grundlagen und deren Anschlussfähigkeit für eine be- wusst christliche Lebensführung betont. The concept of social market economy is an evolutive open system which can be reconstructed as a correlation of economic-liberal, conservative-regulatory and social-governmental motifs. In this sense, Müller-Armack emphasized the «irenic» character of the concept which combines the perspectives of denominational social ethics as well as the liberal and liberal-socialist matters. Its historical implemen- tation is due to a special historical situation after World War II in which the crucial agents have been avowed Protestants. This conception is also mainly influenced by social-ethical traditions of Protestantism so it can be referred to as genuine «Protestant roots of social market economy». Consciously reflecting their Protestant background the founders of social market economy put emphasis on it not being a denominational onesided concept. Nevertheless, they stressed its normative basis and its being able to connect to a consciously Christian lifestyle.
Seit den 1960er Jahren beginnt ein Transformationsprozess des Selbstverständnisses der beiden großen christlichen Konfessionen in Deutschland, der wesentlich durch die Dominanz "sozialer" Themen geprägt ist: Die praktizierte Nächstenliebe - insbesondere in Gestalt von Diakonie und Caritas - wird in der Öffentlichkeit wie häufig auch in den Kirchen selbst geradezu als Ausweis des Christlichen interpretiert. Dementsprechend bedeutete das Entstehen und die Dynamik der sog. Neuen Sozialen Bewegungen eine große Herausforderung, da klassische caritativ-diakonische Handlungsmuster in Frage gestellt wurden. Gleichzeitig initiierten Diakonie und Caritas weitreichende Prozesse der Selbstmodernisierung, die ihrerseits die Neuen Sozialen Bewegungen prägten. Der Band dokumentiert exemplarisch die wechselseitigen Beeinflussungen beider Bereiche und die durch diese Entwicklungen wesentlich geprägte Neuformatierung der bundesdeutschen Zivilgesellschaft.
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Long description: Die konfessionelle Identität der diakonisch-caritativen Institutionen wurde im Zuge der Professionalisierung und des Ausbaus ihrer Arbeit seit den 1960er Jahren zunehmend fragwürdiger. Mit Hilfe des Diakonie- bzw. Dienstbegriffs wurde versucht, sowohl die Eigenständigkeit als auch die Legitimation des eigenen Handelns zu begründen. Dabei gelang es Diakonie und Caritas in vielen Handlungsfeldern sozialer Arbeit, mit innovativen Konzepten konstruktiv auf die Anforderungen der Zeit zu reagieren.
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In den vergangenen Jahrzehnten hat die religiöse und kulturelle Vielfalt in Deutschland zugenommen und als gesellschaftspolitisches Thema an Gewicht gewonnen. Im Hintergrund stehen globale Wanderungsbewegungen ebenso wie eine generell fortschreitende Ausdifferenzierung von Lebenslagen. Diese Entwicklungen stellen auch die öffentliche Organisation sozialer Wohlfahrt vor Herausforderungen, eröffnen aber auch neue Möglichkeiten. Im Besonderen gilt das für konfessionelle Wohlfahrtsverbände wie Diakonie und Caritas, die sich auf ein christliches Wertefundament berufen, das nunmehr mit den Realitäten moderner Einwanderungsgesellschaften und den Tendenzen wohlfahrtsstaatlichen Wandels in Einklang gebracht werden muss.
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Die Frage nach dem politischen Umgang mit der Zeit – im Zuge von Digitalisierung und Tertiarisierung bereits hoch akut – hat angesichts der Covid-19-Pandemie noch an Dringlichkeit gewonnen: Das Jahr 2020 war geprägt von massiven und plötzlichen Umbrüchen, nicht nur der Arbeitswelt. Die Zeitrhythmen aus Erwerbsarbeit, Familienarbeit und Freizeit gerieten aus den Fugen. Daher erscheint die Reflexion der Zeitpolitik dringlich: Welche politischen Rahmenbedingungen benötigt eine lebensdienliche work-life-balance? Wie lässt sich eine Entgrenzung und Verdichtung der Arbeit auf Kosten der Schwächsten verhindern? Wie sind in Pflege- oder Bildungstätigkeiten aufzuwerten? Das »Jahrbuch Sozialer Protestantismus« bietet ein Forum, das diese Reflexion der mit der Zeitpolitik verknüpften sozialpolitischen Themen in protestantischer Perspektive im Spannungsfeld von Wissenschaft und kirchlicher Praxis ermöglicht. [Policies and Politics of Time] Modern information and communication technologies have made time regulations in the workplace and beyond once again a matter of political debate. The COVID19 pandemia has intensified controversy on issues centering around individual and collective work-life-balance, but also around familial care work. The »Yearbook Social Protestantism« provides a forum to discuss the social ethical and political questions in a protestant vein.
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Das Evangelische Soziallexikon ist ein Standardwerk, das seit 1954 in bislang acht Auflagen die sozialen, ökonomischen und politischen Gegenwartsfragen in sozialethischer Perspektive überblicksmäßig thematisiert. Die neunte Auflage weiß sich weiterhin dem Anliegen verpflichtet, zuverlässige Informationen und Hilfe zur eigenen Urteilsbildung aus Sicht evangelischen Glaubens zu geben. Thematische Erweiterungen der überarbeiteten 9. Auflage ergeben sich aus aktuellen Konstellationen und Herausforderungen wie der Europäisierung, dem demografischen Wandel, der Weiterentwicklung der Medienwelten, der Notwendigkeit einer nachhaltigen Lebensweise, den ökonomischen Transformationsprozessen, den sich intensivierenden Teilhabeformen und den Globalisierungsprozessen. Unter den neu aufgenommenen Stichworten finden sich u. a. Bankenkrise, Demografischer Wandel, Energiewende, Generationengerechtigkeit, Inklusion, Institutionelle Anleger, Klimawandel, Postwachstum, Privatsphäre, digitale Sicherheit, Sozialunternehmer, Spekulation, Spieltheorie, Willensfreiheit.
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