Der Band präsentiert Beiträge von Forscherinnen und Forschern aus Ungarn, der Slowakei, Tschechien, Polen und Deutschland. Sie thematisieren Phänomene und Prozesse der Erinnerungskultur der Reformation vom 16. bis zum 20. Jahrhundert im östlichen Mitteleuropa in Konzentration auf markante Beispiele: Themen wie Geschichtsschreibung, Bildende Kunst, Literatur und Architektur werden ebenso behandelt wie Ausprägungen der Fest- und Memorialkultur und deren Wechselwirkungen mit den jeweiligen politischen und religiösen Gegebenheiten. Geographisch schlägt der Band den Bogen von Siebenbürgen über Ungarn, die Slowakei, Böhmen, Schlesien, Pommern, Polen, Preußen bis ins Baltikum und nach St. Petersburg. Die Vielzahl der Fragestellungen bietet dabei zahlreiche Übertragungsmöglichkeiten. Der Band formuliert nicht eine bilanzierende Zusammenfassung, sondern will neue Anregungen zur Beschäftigung mit der Rezeption der Reformation in Ostmitteleuropa vermitteln.
I. Themen Zwischen Disputation und Polemik : "Streitkultur" in den nachinterimistischen Kontroversen / Irene Dingel -- Politik in theologischem Gewand : eine jesuitisch-lutherische Kontroverse im Kontext des Dreissigjährigen Krieges / Silvia Serena Tschopp -- Das Böse ist immer und überall : Antijesuitismus in Polen-Litauen um 1600 / Kolja Lichy -- "Très chrétien" oder "católico"? : der spanisch-französische Präzedenzstreit und die europäische Öffentlichkeit / Thomas Weller -- Die Kontroverse De Indis als Paradigma für den Wandel von Streitkultur und Öffentlichkeit im Spanien des 16. Jahrhunderts / Mariano Delgado -- II. Foren Disput und Wahrheitsfindung im Konfessionellen Zeitalter / Kenneth G. Appold -- Zweikämpfe des Geistes : die Disputation als Schlüsselpraxis gelehrter Streitkultur im konfessionellen Zeitalter / Marian Füssel -- "Gender" : eine Kategorie bei der Analyse theologischer Streitschriften von Frauen, oder : sind die vereinzelten Autorinnen der Reformationszeit "subalterne"? / Barbara Mahlmann-Bauer -- Das frühneuzeitliche Duell in der öffentlichen Streitkultur : zum paradoxen Verhältnis von Gewaltpraxen und normativen Diskursen / Gerd Schwerhoff -- III. Medien Das "Urteil der Kirche" im Osiandrischen Streit : theologische Öffentlichkeit als Schiedsinstanz / Henning P. Jürgens -- "Von dem Anfang der Zerrüttung" : Streit und Erzählung in den innerprotestantischen Kontroversen der 1550er und 1560er Jahre / Marcus Sandl -- Diplomaten und Pamphletisten : die Debatten um eine mögliche Vermählung der Infantin Maria Theresia mit Ludwig XIV. in Archiv-und Druckquellen (1644-1648) / Laura Manzano Baena -- Streiten über das, was Streit verhindern soll : die öffentliche Debatte um den Index librorum prohibitorum im konfessionellen Zeitalter / Ursula Paintner -- Autorenverzeichnis Register.
Das frühneuzeitliche Europa ist gekennzeichnet durch eine enorme Zunahme von Mobilität, bedingt durch bessere Verkehrswege und technische Neuerungen seit dem Ausgang des Mittelalters. Religion konnte sich einerseits hemmend auf solche Mobilitätsprozesse auswirken. Andererseits konnten religiöse Beweggründe raumbezogene Mobilität aber auch befördern, ja zum Teil überhaupt erst bewirken. So löste die konfessionelle Spaltung der lateinischen Christenheit und die nachfolgende Konfessionalisierung in den Territorien Migrationsprozesse bisher ungekannter Größe aus, bis hin zur Auswanderung ganzer Glaubensgemeinschaften nach Übersee.Aber auch wirtschaftliche Zwänge, Kriege und Hungersnöte, die Ausübung von Handel und bestimmten Gewerben oder die akademische Ausbildung sowie die adelige Standeserziehung konnten Menschen gleich welchen religiösen Bekenntnisses dazu veranlassen, dauerhaft oder zeitweilig ihren Aufenthaltsort zu wechseln.Beide Phänomene, Religion und Mobilität, sind von der historischen Forschung bislang zumeist getrennt voneinander behandelt worden. Die Konfessionalisierungsforschung hat Religion bislang als Impulsgeber für Mobilität wahrgenommen und dabei den Zusammenhang mit anderen Formen von Mobilität zum Teil vernachlässigt. Die Beiträge des Bandes tragen dazu bei, religions- und migrationsgeschichtliche Ansätze und Fragestellungen zusammenzuführen und enger miteinander zu verzahnen. Im Mittelpunkt steht die Frage nach dem Stellenwert von Mobilität für die Ausbildung oder Auflösung religiös-konfessioneller Identitäten im frühneuzeitlichen Europa.
Frontmatter -- Cover -- Titel -- Impressum -- Inhalt -- Einleitung: An den Rand gedrängt - den Rand gewählt. Anfangshafte Ü berlegungen zu innerchristlichen Marginalisierungsstrategien -- Das Soziale und der Raum: Marginalisierung und Raumsemantik im Kontext der frühen Wittenberger Reformation -- »… als die gehorsamen Gottes kinder vnd sün vnd töchtern, die da abgesündert seind, vnd sollen sein, von der welt«: Die Schleitheimer Artikel als Dokument der Selbstmarginalisierung -- Integration oder Marginalisierung: Der Umgang mit theologischer Devianz auf der Straßburger Synode von 1533 -- Neuvermessung der Ränder des Orbis christianus: Die ambivalente Marginalität des äthiopischen Christentums in protestantischer Wahrnehmung des 16. Jahrhunderts -- Die Kirche als kleine Herde: Die Wittenberger Ekklesiologie des Kreuzes nach 1548 -- Eindeutiger Außenseiter?: Die Auseinandersetzung des Flaciuskreises mit Schwenckfeld im Vergleich mit anderen innerreformatorischen Debatten -- »Pseudoferum resonet pulpita Cacolicωn«: Die romische Zensur Johann Wilds und ihr Echo beim englischen Puritaner William Crashaw Anfang des 17. Jahrhunderts -- Diesseits oder jenseits des katholischen Randes?: Zur Laienkelchdebatte im Spannungsfeld von Tridentinum und Römischer Kurie -- Die Einschluss- und Ausschlussformeln in reichsrechtlichen Dokumenten der Reformationszeit -- »Öffentliche«, »private« und »häusliche« Religionsausübung: Zur Herausbildung ihrer begrifflichen Unterscheidung um 1600 -- Mandate gegen den Pietismus: Zum Versuch der rechtlichen Ausgrenzung einer protestantischen Gruppe ab 1690 und ihre Systematisierung durch Erdmann Neumeister -- Marginalisierung2 = Elite?: Die Idee einer »heiligen Verwandtschaft« im Reichsgrafenstand um 1700 -- Die Täufer in der römisch-katholischen Häresiographie des konfessionellen Zeitalters.
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Öffentlich ausgetragene Debatten gehören zu den Grundmerkmalen moderner Gesellschaften. Eine entwickelte »demokratische Streitkultur« gilt mithin geradezu als Voraussetzung für das Funktionieren einer Demokratie. Die dieser Wahrnehmung oft implizit zu Grunde liegende These vom »Strukturwandel der Öffentlichkeit« ist in den letzten Jahrzehnten von Seiten der Geschichtswissenschaft verschiedentlich relativiert worden.Was hatten diese unterschiedlichen Formen des öffentlich ausgetragenen Streits gemeinsam? Inwieweit prägten und strukturierten sie die jeweilige(n) historische(n) Öffentlichkeit(en)? Wie wurde das Phänomen des Streits von den Zeitgenossen jeweils wahrgenommen und bewertet? Lassen sich diesbezüglich signifikante Unterschiede zur Zeit der frühen Reformation oder der Frühaufklärung konstatieren? Gab es so etwas wie eine spezifische Streitkultur des konfessionellen Zeitalters?
Öffentlich ausgetragene Debatten gehören zu den Grundmerkmalen moderner Gesellschaften. Eine entwickelte »demokratische Streitkultur« gilt mithin geradezu als Voraussetzung für das Funktionieren einer Demokratie. Die dieser Wahrnehmung oft implizit zu Grunde liegende These vom »Strukturwandel der Öffentlichkeit« ist in den letzten Jahrzehnten von Seiten der Geschichtswissenschaft verschiedentlich relativiert worden.Was hatten diese unterschiedlichen Formen des öffentlich ausgetragenen Streits gemeinsam? Inwieweit prägten und strukturierten sie die jeweilige(n) historische(n) Öffentlichkeit(en)? Wie wurde das Phänomen des Streits von den Zeitgenossen jeweils wahrgenommen und bewertet? Lassen sich diesbezüglich signifikante Unterschiede zur Zeit der frühen Reformation oder der Frühaufklärung konstatieren? Gab es so etwas wie eine spezifische Streitkultur des konfessionellen Zeitalters?
Neue Techniken zur Informationsübermittlung befördern den Informationsaustausch. Das ist eine für das 20. und 21. Jahrhundert ganz selbstverständliche Feststellung. Genauso selbstverständlich gilt sie aber auch für das 16. Jahrhundert und die Frühe Neuzeit insgesamt. Ein allseits bekanntes Beispiel dafür ist die Verbesserung der Techniken des Buchdrucks durch die Verwendung beweglicher Lettern. Dies führte dazu, dass neue Medien entstanden und sich dauerhaft etablierten, wie z.B. die Flugschrift und die "Neue Zeitung". Andere bereits bekannte Genera wie Lieder und Predigten erhielten durch die veränderte Kommunikationssituation eine neue Bedeutung in den Auseinandersetzungen der Zeit. Daraus ergaben sich vielfältige Chancen und Herausforderungen, denn die Nutzung dieser neuen Medien wie die Transformation bestehender Medienformate und deren flächendeckende Verwendung setzte politische, soziale, juristische und religiöse Veränderungsprozesse in Gang bzw. beförderte sie.Die Beiträge des Sammelbandes möchten diese neuen Kommunikationsformen und -methoden ebenso wie die Veränderungsprozesse für das 16. Jahrhundert ausleuchten. Dies geschieht, indem Wandlungs- und Transformationsprozesse durch die Nutzung bekannter sowie die Schaffung neuer Medienformate, der Umgang mit Meinungsvielfalt und der damit einhergehenden Pluralität an Deutungen des Zeitgeschehens sowie die Entstehung einer neuen Streitkultur und neue Ordnungsversuche analysiert werden.
Neue Techniken zur Informationsübermittlung befördern den Informationsaustausch. Das ist eine für das 20. und 21. Jahrhundert ganz selbstverständliche Feststellung. Genauso selbstverständlich gilt sie aber auch für das 16. Jahrhundert und die Frühe Neuzeit insgesamt. Ein allseits bekanntes Beispiel dafür ist die Verbesserung der Techniken des Buchdrucks durch die Verwendung beweglicher Lettern. Dies führte dazu, dass neue Medien entstanden und sich dauerhaft etablierten, wie z.B. die Flugschrift und die "Neue Zeitung". Andere bereits bekannte Genera wie Lieder und Predigten erhielten durch die veränderte Kommunikationssituation eine neue Bedeutung in den Auseinandersetzungen der Zeit. Daraus ergaben sich vielfältige Chancen und Herausforderungen, denn die Nutzung dieser neuen Medien wie die Transformation bestehender Medienformate und deren flächendeckende Verwendung setzte politische, soziale, juristische und religiöse Veränderungsprozesse in Gang bzw. beförderte sie.Die Beiträge des Sammelbandes möchten diese neuen Kommunikationsformen und -methoden ebenso wie die Veränderungsprozesse für das 16. Jahrhundert ausleuchten. Dies geschieht, indem Wandlungs- und Transformationsprozesse durch die Nutzung bekannter sowie die Schaffung neuer Medienformate, der Umgang mit Meinungsvielfalt und der damit einhergehenden Pluralität an Deutungen des Zeitgeschehens sowie die Entstehung einer neuen Streitkultur und neue Ordnungsversuche analysiert werden.