Menschenbild, Moral und wirtschaftliche Entwicklung
In: Ethik und Wirtschaft im Dialog 10
Schumpeters "Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung" besitzt heute eine herausragende Bedeutung in der Wirtschaftstheorie. Sie ist das Kernstück moderner ökonomischer Evolutorik und erfaßt ein Phänomen, das weit über ein streng ökonomisches Interesse hinausgeht. Übersehen wurde bislang allerdings, daß Schumpeters Theorie, welche die Innovationsleistung des dynamischen Unternehmers in den Mittelpunkt rückt, ein Menschenbild zugrunde liegt, das in einem krassen Widerspruch zum homo oeconomicus steht. Für Schumpeter stand die Bedeutung des Faktors "Moral" im menschlichen Alltag fest. Obwohl Moral im Werk von Adam Smith einen hohen Stellenwert besaß, folgte in der neoklassischen Ära ein Prozeß ethischer Ausdünnung. Heute sieht die Main-Stream-Ökonomik in der Verdrängung der normativen Dimension einen bewußt gewollten Fortschritt. Offensichtlich wird der hiermit verbundene Realitätsverlust ökonomischer Theorie von einem erstaunlich großen Wissenschaftlerkreis in Kauf genommen. Vertieft man stattdessen die schon vorliegenden Schumpeterschen Einsichten durch Elemente, die der Psychologie der Emotion entstammen, wird deutlich, daß der Evolutionserfolg der Spezies Mensch in einer Ebene menschlichen Bewußtseins gründet, welches jenseits dessen liegt, was als ökonomische Rationalität gilt. Regeln der Moral geben dem Menschen Handlungsorientierung, ohne die er in der Gemeinschaft nicht existieren könnte. Menschen verhalten sich somit moralisch, und sie tun es (meist) nicht aus einem rationalen Kalkül heraus. Die vorliegende, auf einem vermögenstheoretischen Ansatz basierende Argumentation zeigt, daß und wie sich diese für die Ökonomik zum Teil neu entdeckten Erkenntnisse zu einem schlüssigen und realitätsnahen Konzept zusammenfügen lassen.