"Milieu" - Arbeiteralltagskultur - Arbeiterkultur: methodologische Überlegungen zum Thema "Arbeiterkultur"
In: Geschichte als demokratischer Auftrag: Karl R. Stadler zum 70. Geburtstag, S. 77-117
Der Autor untersucht die beiden konkurrierenden methodischen Ansätze zur Erforschung von Arbeiterkultur und Arbeiteralltagskultur - den pragmatisch-empirischen und jenen, bei dem "Arbeiterkultur" aus einer Theorie der Entwicklung des Klassenbewußtseins deduziert wird, - mit dem Ziel, die Stärken der beiden Methoden miteinander zu verbinden und ihre Schwächen auszuschalten. Er zeigte auf, daß die empirische Methode geeignet ist, die Stichhaltigkeit normativer Theorieansätze zu überprüfen, die dialektischen Beziehungen zwischen Überbau und Basis in ihren konkreten Formen aufzuzeigen, statt sie einfach zu deduzieren, und daß detaillierte empirische Untersuchungen des kulturellen einschließlich des künstlerischen Alltags wichtige Beiträge zur Interpretation komplexer historischer Abläufe ermöglichen. Der andere methodische Ansatz sei unentbehrlich für Hypothesenbildungen und zur Sicherung eines gewissen Abstraktionsniveaus empirischer Untersuchungen. Der Autor stellte sodann anhand von Beispielen aus der Literatur mögliche Verbindungen der beiden Methoden und dadurch die Gewinnung neuer Fragestellungen vor und konkretisierte seine Vorstellungen an Erhard Lucas, Zwei Formen von Radikalismus in der deutschen Arbeiterbewegung. Er forderte, die vielen noch zu klärenden Fragen (z.B. Begriff "Arbeitermilieu", Formen des Übergangs zur Arbeiteralltagskultur, Tendenzanalysen in der heutigen elektronischen "Kulturlandschaft") durch empirische, vergleichende Untersuchungen in ausgewählten Räumen anzugehen, und zwar mit Hilfe von Langzeitreihen, eingebunden in Hypothesen und mit Berücksichtigung solcher Problemfelder wie subjektiver Faktor, Kreativität, Tradition, kulturelle Landschaft, Lebensperspektive usw. (BU)