Die Gesellschaft der Politik?: zum Politismus der Moderne
In: Wohlfahrtsstaatliche Grundbegriffe: historische und aktuelle Diskurse, p. 23-40
Um einen direkten Vergleich von Wissenschaftstheorie und politischer Theorie zu ermöglichen, argumentiert der Autor aus wissenssoziologischer Perspektive. Er zeigt, dass dadurch beide Theorien als Komponenten einer spezifisch modernen Semantik behandelt werden können, die ihrerseits als Korrelat einer modernen Gesellschaftsstruktur aufgefasst wird. Dies wirft gleichzeitig die Frage nach einer angemessenen Beschreibung dieser Gesellschaftsstruktur auf. Um sie zu beantworten, verwendet der Autor das Theorem der funktionalen Differenzierung, denn Funktionssysteme gehören zu denjenigen sozialen Systemen, die eine Beschreibung ihrer selbst anfertigen und sich daran orientieren können. Im Unterschied zu den Selbstbeschreibungen der Funktionssysteme sind die soziologischen Theorien der Politik, des Rechts, der Erziehung usw. als Fremdbeschreibung angelegt. Sie operieren nicht innerhalb dieser Teilsysteme, sondern innerhalb der Wissenschaft und haben dort größere Freiheiten der Analyse und des Experimentierens mit "inkongruenten Perspektiven". Der komplementäre Nachteil besteht darin, dass sie sich nicht als Reflexionstheorien eignen. Die Wissenschaftstheorie gewinnt nun einen eigentümlichen Mehrwert daraus, dass sie für die Selbstbeschreibung nicht nur der Wissenschaft, sondern auch der anderen Teilsysteme etwas zu besagen scheint. Die politische Theorie bezieht ihren Mehrwert daraus, dass sie Erwartungen bindet, die eigentlich an die Gesellschaftstheorie adressiert werden müssten. In beiden Fällen resultiert daraus eine Überlastung der teilsystemspezifischen Reflexionsfiguren. Die Überlegungen des Autors möchten zeigen, auf welche Weise die Systemtheorie in beiden Fällen zu einer stärkeren Differenzierung beitragen kann. (ICI2)