Anhand der Auswertung von politischen, ökonomischen und demographischen Daten kommt die Analyse zu dem Ergebnis, dass die in der Literatur weit verbreitete Einteilung in West-, Zentral-, Süd- und Ostukraine gerade mit Hinblick auf die politischen und kulturellen Ansichten der Bewohner weiterhin sinnvoll ist. Besonders starke Diff erenzen bestehen zwischen der eher ländlich geprägten, überwiegend ukrainischsprachigen Westukraine und der stark urbanisierten und industrialisierten Ostukraine, in welcher etwa 50% der Bewohner weiterhin Russisch als Umgangssprache verwenden. Während die Südukraine politisch und kulturell der Ostukraine sehr ähnlich ist, übernimmt die Zentralukraine eine wichtige Ausgleichsfunktion zwischen den Landesteilen.
Der Wohnungsmarkt war in der Sowjetzeit stark reguliert. Art. 11 der sowjetischen Verfassung von 1977 schrieb vor, dass der Hauptanteil des Wohnraums in Städten in staatlichem Besitz sein musste, Grund und Boden waren komplett verstaatlicht. Im ländlichen Raum war allerdings auch unter der Sowjetherrschaft der überwiegende Teil der Häuser und Wohnungen in Privatbesitz. Bei der Errichtung von Wohnraum spielten staatliche Strukturen eine dominierende Rolle. Haushalte, die an einer Zuteilung interessiert waren, konnten sich auf Wartelisten eintragen. Die Mietpreise für staatliche Wohnungen waren aufgrund hoher Subventionen sehr niedrig und orientierten sich weder an der Nachfrage noch an den Kosten für Errichtung und Instandhaltung. Die sowjetische Gesetzgebung garantierte den Mietern lebenslanges Wohnrecht, eine Übertragung an die Nachkommen war einfach möglich.
In der ukrainischen Sozialpolitik haben sich aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs in den letzten Jahren wieder Handlungsspielräume eröffnet. Diese wurden überwiegend dafür genutzt, die Unterstützung für die Rentnergeneration zu verbessern, welche in der alternden ukrainischen Gesellschaft einen bedeutenden Teil der Wähler stellt. Da gleichzeitig strukturelle Reformen wie eine Anhebung des niedrigen Renteneintrittsalters ausblieben, werden hierdurch der Staatshaushalt und damit auch die nachfolgenden Generationen stark belastet. Weitere große Herausforderungen sind, dass viele Ukrainer nur über einen mangelnden Krankenversicherungsschutz verfügen und dass viele Sozialleistungen sich nur wenig an der Bedürftigkeit des Empfängers orientieren.
In der Ukraine ist es im Zuge der Transformation von einer Sowjetrepublik mit Diktatur und Planwirtschaft zu einem unabhängigen Staat mit Marktwirtschaft und einem weitgehend demokratischen politischen System zu einer schweren ökonomischen Krise gekommen. In dieser hat sich gerade für junge Erwachsene der Zugang zum Arbeitsmarkt erschwert. Im ländlichen Raum, in welchem etwa ein Drittel der ukrainischen Bevölkerung lebt, ist die Situation besonders schwierig, da Dorfbewohner von der wirtschaftlichen Erholung der letzten Jahre deutlich weniger profitieren konnten als Stadtbewohner. Hierdurch hat sich das bereits während der Sowjetzeit bestehende Stadt-Land-Gefälle bei den Lebensgestaltungsmöglichkeiten junger Erwachsener weiter verstärkt. Auch Weltbankberichte belegen, dass in der Ukraine, wie in vielen anderen Ländern Zentral- und Osteuropas, gerade junge Dorfbewohner von Armut betroffen sind. Angesichts dieser Entwicklung untersucht die vorliegende Arbeit anhand zweier regionaler Fallstudien, inwieweit sich in den letzten 25 Jahren die Lebensgestaltungsmöglichkeiten ukrainischer Dorfschulabgänger im Kontext von postsowjetischer Transformation und Globalisierung verengt bzw. erweitert haben. Daneben ist von Interesse, ob die Schulabgänger in der Lage sind, bestehende Chancen mit entsprechenden Strategien zu nutzen. Darauf aufbauend wird eruiert, welche Handlungsoptionen auf politischer und gesellschaftlicher Ebene bestehen, Dorfschulabgängern neue Lebensgestaltungschancen zu eröffnen. Weiterhin wird geprüft, mit welchen Mitteln die Fähigkeiten der Akteure ausgebaut werden können, bereits bestehende Möglichkeiten zu nutzen. Das verwendete Analyseschema baut überwiegend auf dem Nachhaltigen Lebensgestaltungsansatz (auch: Sustainable Livelihood) auf, der mit Aspekten des Ländlichen Regionalentwicklungskonzepts kombiniert wird. Bei den Fallbeispielregionen, in welchen jeweils mehrmonatige Forschungsaufenthalte durchgeführt wurden, handelt es sich um den zentralukrainischen Rajon Hlobyne (Oblast Poltava) und den südukrainischen Rajon Hola Prystan' (Oblast Cherson). In diesen beiden Kreisen wurde wiederum jeweils eine Gemeinde ausgewählt, auf die sich die Forschung auf lokaler Ebene konzentrierte. Bei den Erhebungen kamen qualitative und quantitative Methoden zum Einsatz. Zentrales Element war eine Umfrage unter Schulabgängern (N=159), die in den Jahren 1981/ 1982, 1989/ 1990 und 1997/ 1998 an den Lehreinrichtungen der untersuchten Gemeinden die unvollständige mittlere Bildung erworben haben. Vor Ort gewonnene Erkenntnisse wurden, soweit möglich, mit statistischen Sekundärdaten verglichen. Die Arbeit kommt zu dem Ergebnis, dass die befragten zentral- und südukrainischen Dorfschulabgänger hinsichtlich der negativen Freiheit, welche als Freiheit von Zwang definiert wird, einen Zugewinn verzeichnen konnten. Dieser wäre allerdings noch größer, wenn nicht die hohe Korruptionsproblematik bestehen würde. Bei der positiven Freiheit, die als Möglichkeit verstanden wird, dass ein Akteur so handeln und sein kann, wie er möchte, hat sich dagegen aufgrund der wirtschaftlichen Krise für die Mehrheit der Befragten bisher eine Verschlechterung ergeben. Diesbezüglich bestehen allerdings deutliche Unterschiede zwischen den beiden untersuchten Regionen. Insgesamt bestehen gute Chancen, dass sich mit der allgemeinen wirtschaftlichen Erholung und der demokratischen Stabilisierung in den nächsten Jahren die Lebensgestaltungsmöglichkeiten junger Dorfschulabgänger auch hinsichtlich der positiven Freiheit verbessern werden. Diesbezüglich hat die Arbeit gezeigt, dass auf politischer Ebene noch zahlreiche Handlungsoptionen zur Förderung dieses Prozesses existieren, die bisher nicht oder nur wenig genutzt wurden. ; In the course of the transition from a Soviet republic, characterised by dictatorship and command economy, to an independent state with market economy and a largely democratic political system, Ukraine has faced severe economic fractures. This crisis especially limited the access of young adults to the job market. The situation is particularly difficult in rural areas, home of one third of the Ukrainian population. Compared to urban citizens, rural inhabitants could benefit from the economic recovery process observed since the year 2000 to a lesser extent. For this reason, the urban-rural divide in livelihood opportunities of young adults, which already existed in Soviet times, increased even further. Reports of the World Bank also support the view that especially young rural inhabitants are prone to poverty. This is not only the case for Ukraine, but also for other Central and Eastern European countries. In view of the described development this thesis examines in two regional case studies, to what extent livelihood opportunities of Ukrainian village school graduates have narrowed or increased over the last 25 years in times of Post-Soviet transition and globalisation. Emphasis is also placed on exploring to what extent school graduates are capable to use existing chances with respective strategies. Based upon the results, possible strategies are discussed that could increase the livelihood opportunities of rural school graduates. Furthermore, possible measures will be analysed that would strengthen the capabilities of school graduates to make use of available opportunities. For the analysis a combination of the Sustainable Livelihood Approach and the Rural Regional Development Approach was used in order to examine the changing structures and processes on different geographical levels (i.e. global, national, regional, local). Two case study areas were surveyed for several months. These are the central Ukrainian Hlobyne rayon (Poltava oblast) and the southern Ukrainian Hola Prystan' rayon (Kherson oblast). For the research on the local level in each of the two districts one rural commune was chosen. In the field study, both qualitative and quantitative methods were used. Core element was a survey carried out among school graduates (N=159), who completed lower secondary education in 1981/ 1982, 1989/ 1990 and 1997/ 1998 in one of the schools of the two villages observed. If possible, findings of the field research were verified with statistical secondary data. The thesis comes to the conclusion that the central and southern Ukrainian village school graduates could benefit from the transition crisis regarding their negative liberty, which is defined as the freedom from being subjected to the authority of others. However, regarding their positive liberty, which is understood as the opportunity of a person, to act and be, like he/ she wants, the majority of the people surveyed faced a drawback affected by the economic crises. Nevertheless, distinctive differences referring to the positive liberty are visible between the two rural focus regions. In general, prospects are high that with an economic recovery and the democratic stabilisation also the positive freedoms of rural school graduates will improve significantly in the upcoming years. The thesis has shown that there exist some unused options for action on the political level which could increase the livelihood opportunities and capabilities of rural school graduates.
Der Wohnungsmarkt war in der Sowjetzeit stark reguliert. Art. 11 der sowjetischen Verfassung von 1977 schrieb vor, dass der Hauptanteil des Wohnraums in Städten in staatlichem Besitz sein musste, Grund und Boden waren komplett verstaatlicht. Im ländlichen Raum war allerdings auch unter der Sowjetherrschaft der überwiegende Teil der Häuser und Wohnungen in Privatbesitz. Bei der Errichtung von Wohnraum spielten staatliche Strukturen eine dominierende Rolle. Haushalte, die an einer Zuteilung interessiert waren, konnten sich auf Wartelisten eintragen. Die Mietpreise für staatliche Wohnungen waren aufgrund hoher Subventionen sehr niedrig und orientierten sich weder an der Nachfrage noch an den Kosten für Errichtung und Instandhaltung. Die sowjetische Gesetzgebung garantierte den Mietern lebenslanges Wohnrecht, eine Übertragung an die Nachkommen war einfach möglich.
In der ukrainischen Sozialpolitik haben sich aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs in den letzten Jahren wieder Handlungsspielräume eröffnet. Diese wurden überwiegend dafür genutzt, die Unterstützung für die Rentnergeneration zu verbessern, welche in der alternden ukrainischen Gesellschaft einen bedeutenden Teil der Wähler stellt. Da gleichzeitig strukturelle Reformen wie eine Anhebung des niedrigen Renteneintrittsalters ausblieben, werden hierdurch der Staatshaushalt und damit auch die nachfolgenden Generationen stark belastet. Weitere große Herausforderungen sind, dass viele Ukrainer nur über einen mangelnden Krankenversicherungsschutz verfügen und dass viele Sozialleistungen sich nur wenig an der Bedürftigkeit des Empfängers orientieren.
Empirische Untersuchungen über die Auswirkungen der Transformation im ländlichen Alltagsleben der Ukraine sind nur selten zu finden. Makroökonomische und finanzpolitische Betrachtungen dominieren die Fachliteratur. Daher ist das Bild über die Veränderungen im ländlichen Raum auch noch stark von situationsbedingten Einzeleindrücken geprägt. Um diese Lücke etwas zu verringern, hat sich das Osteuropa-Institut entschlossen, eine vom Autor gekürzte Fassung der Diplomarbeit von Herrn Sebastian Klüsener, die er an der Universität Heidelberg (Prof. H.-G. Bohle) und Freiburg (Prof. J. Stadelbauer) vorlegte, in seine Veröffentlichungen mit aufzunehmen, obwohl sich diese Arbeit von den sonst in der Reihe vor allem veröffentlichten Gutachten für Ministerien deutlich unterscheidet. Die vorliegende Fallstudie beschreibt die Veränderungen der Lebensverhältnisse in einer ehemaligen Zuckerkolchose in der Zentralukraine in den letzten zehn Jahren. Sie kann für die Zentralukraine als typisch angesehen werden, selbst wenn anzunehmen ist, dass die Entwicklung in den einzelnen Gemeinden in erheblichem Umfang auch von den jeweils vor Ort agierenden Personen geprägt wird. Daher vermitteln die beschriebenen Vorgänge einen durchaus generalisierbaren Einblick in die Strukturen der ländlichen ukrainischen Gesellschaft, in ihren Wandel und die sich daraus ergebenden Probleme. Die Ergebnisse der Fallstudie sind nicht nur wissenschaftlich interessant, sondern auch für die Gestaltung von Kooperationsprojekten bedeutsam.
This article contributes to the geographic analysis of fertility decline in the demographic transition in Europe. We reanalyze Galloway, Hammel, and Lee's (1994) Prussian data with spatial analysis methods. Our multivariate analysis provides evidence of the predictive effect of both economic and cultural variables. Furthermore, even after all of the observable economic, social, and cultural variables have been controlled for, our findings show that a significant unexplained geographic clustering of fertility decline remains. We then specify spatial econometric models, which show that in addition to economic and cultural factors, socio‐geographic factors such as being adjacent to areas of sharp fertility decline are also needed to understand the pattern of fertility decline. These results provide new support for the role of social diffusion in the process, while allowing for the direct structural effects of economic change.
Untersucht wurden die räumlichen Einkommensunterschiede in Bayern im Kontext des in der bayerischen Verfassung und der Landesplanung verankerten Ziels gleichwertiger Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen. Disparitäten der Einkommensverteilung spielen, unter Berücksichtigung räumlicher Kaufkraftunterschiede, als Messgröße gleichwertiger Lebensverhältnisse eine zentrale Rolle. Die in diesem Beitrag vorgestellte Analyse räumlicher Einkommensunterschiede nutzt konsistente Zeitreihendaten für die bayerischen Kreise im Zeitraum von 1991 bis 2018, die im Rahmen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ermittelt wurden. Anhand des Theil-Index kann für Bayern gezeigt werden, dass räumliche Disparitäten beim Primäreinkommen der Kreise durch Steuern und Sozialleistungen deutlich reduziert werden und allgemein in den letzten Jahrzehnten abgenommen haben. Dies gilt sowohl für Unterschiede zwischen und innerhalb von Regierungsbezirken wie auch für Unterschiede zwischen und innerhalb der nach dem siedlungsstrukturellen Kreistyp gruppierten Kreise, die den Urbanisierungsgrad abbilden. Eine Bereinigung um das regionale Mietpreisniveau reduziert die räumlichen Disparitäten des materiellen Lebensstandards weiter, wodurch großräumige interregionale Unterschiede an Bedeutung verlieren.
Countries in Northwestern Europe, including Belgium, report cohort fertility levels of close to two children per woman; whereas Central European countries, such as Germany, have levels of around 1.6 children. In seeking to explain these differences, some scholars have stressed the role of the social policy context, while others have pointed to variation in fertility‐related social norms. But because these influences are interdependent, it is difficult to isolate their effects on fertility trends. This study attempts to disentangle these two factors by drawing on a quasi‐natural experiment. After World War I Germany was compelled to cede the Eupen–Malmedy territory to Belgium. The population of this region has retained its German linguistic identity, but has been subject to Belgian social policies. We examine whether the fertility trends in this German‐speaking region of Belgium follow the Belgian or the German pattern. Our findings indicate that they generally resemble the Belgian pattern. This suggests that institutional factors are important for understanding the current fertility differences in Western Europe.