Als im Sommer 2003 bekannt wurde, dass die chinesische Regierung mehrere hundert Zeitungen und Zeitschriften einstellen wolle, ging ein Aufschrei durch die internationalen Medien. Nach offiziellen Angaben betrafen die Schließungen lediglich "unrentable" von Regierungs- und Parteiorganen herausgegebene Publikationen. Nicht wenige Kommentatoren mutmaßten daher eine weitere Anpassung des Pressesektors an marktwirtschaftliche Gesetze und internationale Standards im Zuge des Beitritts der VR China in die Welthandelsorganisation (WTO). Manch einer sah in den als Teil einer groß angelegten Medienreform dargestellten Maßnahmen sogar Anzeichen für ein absehbares Ende des chinesischen Propagandaapparats.1 Dagegen fürchteten andere Beobachter jedoch politisch motivierte Schließungen von Zeitungen und Zeitschriften, die in der Vergangenheit nicht den offiziellen Vorgaben der Behörden gefolgt waren. Derartige Vermutungen wurden genährt durch wieder zunehmende staatliche Sanktionen gegen Journalisten und Publikationen ab Juni 2003, die die seit Amtsübernahme der neuen Führung um Staatsund Parteichef Hu Jintao und Ministerpräsident Wen Jia- bao 2002/2003 gestreuten Hoffnungen auf eine ansatzwei- se Liberalisierung der Medienpolitik im Keim zu ersticken schienen.
Die Zentralregierung in Beijing führt seit Anfang Februar eine regelrechte Propagandakampagne gegen prodemokratische Kräfte der Sonderverwaltungsregion durch. In einer Vielzahl von Artikeln der staatlichen Medien wurde nachdrücklich dazu aufgerufen, dass Hongkongs Regierende "Patrioten" sein müssten.
Seit Beginn der Reform- und Öffnungspolitik misst die chinesische Regierung den im Ausland ausgebildeten Studenten und Akademikern eine bedeutende Rolle für die sozioökonomische Entwicklung des Landes bei. So wurden nach jahrzehntelanger Isolierung 1978 erstmals wieder chinesische Studenten in großer Zahl zum Studium auch ins westliche Ausland geschickt.1 Das vordringliche Ziel bestand in einem selektiven Wissens- und Technologietransfer zur Umsetzung der ehrgeizigen Modernisierungspläne des Landes. Schon nach kurzer Zeit wurden die Erfolge und Beiträge der aus dem Ausland zurückgekehrten Studenten gefeiert.
Die Studie befasst sich mit den Auswirkungen des "Reverse Brain Drain" auf Innovations- und Wandlungsprozesse im chinesischen Hochschulwesen seit Beginn der Reform- und Öffnungspolitik Ende der 1970er-Jahre. Auf dem theoretischen Fundament von Innovations- und Diffusionskonzepten untersucht die Arbeit das Wirken außerhalb Festlandchinas promovierter Geistes- und Sozialwissenschaftlern in Lehre, Forschung und akademischer Verwaltung am Beispiel zweier chinesischer Eliteuniversitäten, der Peking-Universität und der Fudan-Universität. Methodisch basiert die Dissertation auf der Analyse von Primär- und Sekundärquellen sowie umfangreicher empirischer Datenerhebungen, v. a. qualitativer Leitfadeninterviews mit im In- und Ausland promovierten Hochschullehrern, Studierenden und Experten sowie vergleichenden Beobachtungen von Lehrveranstaltungen. Eingebettet in die Darstellung politischer und institutioneller Rahmenbedingungen, zeigt die Untersuchung anhand einer Vielzahl von Beispielen, wie geistes- und sozialwissenschaftliche Heimkehrer im chinesischen Hochschulwesen als "Akteure des Wandels" auftreten und Reform- und Internationalisierungsprozesse anstoßen. So wird veranschaulicht, wie Rückkehrer die Integration Chinas in die internationale Wissenschaftsgesellschaft vorantreiben, als "Mittler zwischen den Kulturen" und Förderer der Pluralisierung von Meinungen auftreten sowie die akademische Verwaltungskultur verändern. Die Studie illustriert darüber hinaus die Grenzen der Wirkmöglichkeiten von Rückkehrern. So konfligieren die aus dem Ausland mitgebrachten Innovationen der seit den 2000er-Jahren stark anwachsenden Gruppe geistes- und sozialwissenschaftlichen Rückkehrer teilweise mit im Hochschulwesen vorherrschenden informellen und formellen Normen der internen Organisations-struktur sowie den Interessen und Erwartungen anderer Akteursgruppen – nicht zuletzt der parteistaatlichen Führung. Zwar misst die chinesische Regierung den Rückkehrern im Zuge der ambitionierten Entwicklungspläne zur Internationalisierung des Hochschulwesens und des Auf-baus weltweit wettbewerbsfähiger Spitzenuniversitäten eine wichtige Rolle zu. Der ambivalente Umgang mit ausländischem Gedankengut, die ideologische Instrumentalisierung und Beschneidung akademischer Freiheiten insbesondere in den Geistes- und Sozialwissenschaften verhin-dern bis heute jedoch die freie Entfaltung dieser Disziplinen und verzögern den Diffusionsprozess internationaler Standards, innovativer Inhalte und Methoden in Lehre, Forschung und Verwaltung sowie letztendlich das Erreichen von Weltniveau im chinesischen Hochschulwesen. ; The study explores the impact of academic mobility on innovation and transformation processes in China's higher education sector since the beginning of the reform and open-door politics in the late 1970s. Based on the theoretical foundations of innovation and diffusion concepts, the study employs the case of two Chinese elite universities, Peking University and Fudan University, to examine the influence of Chinese scholars with foreign PhDs in the humanities and social sciences in the fields of teaching, research and academic administration. Methodologically, the study is based on the analysis of primary and secondary sources as well as extensive field work, particularly semi-structured qualitative interviews with university teachers, students, and experts, as well as observations of university courses. Embedded in the description of political and institutional frameworks, the study shows how these returnees actively engage as change agents by influencing reform and internationalization processes, as well as by acting as bridges between China and the global knowledge community. Many returnees take on important roles as "mediators between cultures" and promote the pluralism of opinions in Chinese higher education system. However, the study also illustrates the limits of these foreign educated scholars: The innovations brought in from abroad by this group, which has been growing since the 2000s, conflict in part with traditional norms and characteristics of the internal administrative and or-ganizational structure, as well as with vested interests and expectations of other groups in higher education - not least with the party-state leadership. While the Chinese government attaches great importance to returnees in its ambitious plans for higher education's internationalization and the establishment of globally competitive top universities, the ambivalent treatment of foreign ideas, the curtailment of academic freedoms and ideological instrumentalization, especially in the humanities and social sciences, still thwart the free development of these disciplines. It delays the diffusion of international standards, teaching, research and administrative contents and methods, and ultimately prevents China's universities to bring their potential to full fruition to meet world-class levels.
In den letzten Jahren hat die chinesische Regierung ihre Bemühungen um die Rückkehr von Auslandsstudenten mit Erfolg verstärkt. Das Informations- und Betreuungsangebot für Studenten und Akademiker im Ausland wurde verstärkt. Remigranten leisten als Unternehmer einen bedeutenden Beitrag für die regionale Wirtschaftsentwicklung und erweisen sich als tragende Kräfte in Lehre und Forschung. Ideelle und materielle Anreize und die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen in China werden die Rückkehrerquote weiter ansteigen lassen. Ende 2003 sind allerdings erst ein Viertel der Chinesen nach China zurückgekehrt, die nach 1978 zum Studium ins Ausland gegangen waren. (ICE2)