Der 1920 unter französischem Völkerbund-Mandat konstituierte Staat Libanon verdeutlicht das Ringen zahlreicher externer Akteure um gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Einfluss in der Nah- und Mittelost-Region. Von Israel und Syrien eingeschlossen, liegt die Republik an der Konfliktlinie zwischen dem arabischem Raum und dem israelischen Staat. Die Fülle intervenierender ausländischer Mächte führt zu einer Internationalisierung der innerlibanesischen Angelegenheiten: Das Land ist Schauplatz globaler Konfliktaustragung und wird von verschiedensten Akteuren instrumentalisiert und für eigene Zwecke missbraucht. Dies unterhöhlt die Staatlichkeit, verschärft innenpolitische Spannungen und treibt die Polarisierung der Gesellschaft voran, was das Land schließlich ins Bürgerkriegsverderben reißt. Als 1982 die schiitische Widerstandsbewegung Hisbollah in Reaktion auf die israelische Besatzung gegründet wird, ist der wichtigste libanesische Vetoakteur geboren. Die Partei Gottes wächst im Libanon zu einer bedeutenden Institution heran, die sich im politischen, sozialen und wirtschaftlichen System des Landes etabliert. Sie erfüllt in zunehmendem Maße elementare staatliche Aufgaben. Gegenüber den offensichtlich überforderten und schwachen staatlichen Institutionen tritt sie vermehrt als quasi-staatliche Autorität auf. Diese Studie geht der Frage nach, ob und in welchem Maße der libanesische Staat in der Lage ist, seine Funktionen erfüllen zu können. Kombiniert mit dieser Thematik evaluiert sie die Fähigkeit der Hisbollah als 'Ersatzspieler' zum Staat aufzutreten. Dabei stellen sich mehrere, miteinander verwobene Fragen nach dem wechselseitigen Anpassungsprozess, der genauen Tätigkeit der Hisbollah, ihrer Rolle im politischen System sowie den Zielsetzungen ihrer Handlungen. Ist sie Helfer in der Not und unterstützt wohlwollend die staatlichen Institutionen? Arbeitet sie in Einklang mit den Zielen des Staates und akzeptiert sie dessen Spielregeln und Vormachtstellung? Oder ist die Widerstandsbewegung mit ihrer Quasi-Staatstätigkeit der Grund für die Schwäche der libanesischen Staatlichkeit? Verdrängt sie bewusst die staatlichen Institutionen, untergräbt dabei deren Autorität und verfolgt eigene, zum Staat gar konträre Ziele? Die Untersuchung der Rolle der Hisbollah im libanesischen Staat über die Staatsfunktionen eröffnet eine neue Herangehensweise nicht nur zum Verständnis der libanesischen Innen- und Außenpolitik, sondern zur gesamten Nahost-Problematik. Über die Analyse der Leistungserbringung kann ein Bild von der Partei gezeichnet werden, das sich an ihren Tätigkeiten statt an Ideologien orientiert. Durch den Fokus auf den Libanon werden landestypische Probleme und Schwächen auf der mikropolitischen Ebene rekonstruiert, sowie regionale und nationale Effekte aufgedeckt. Dabei wird die Schlüsselrolle der Hisbollah in der Region deutlich - mit entsprechenden Schlussfolgerungen für die internationalen Beziehungen.
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Aus der Einleitung: Die Libanesische Republik liegt in einer Region, die seit Menschengedenken die Szenerie für das Zusammentreffen von Völkern und Reichen bildet. Der Nahe Osten ist der Mittelpunkt von Weltreligionen und kulturelles Sammelbecken. Seine weltpolitische Bedeutsamkeit wird durch seinen Rohstoffreichtum noch verstärkt. Dies führt zu einem brisanten Ringen zahlreicher Akteure um gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Einfluss in einem unüberschaubar komplexen Durcheinander von Akteurskonstellationen und Interessen. Die Region ist bis heute ein Epizentrum von Konflikten, die in alle Erdteile ausstrahlen. In solch einem Umfeld scheinen der Aufbau und die Aufrechterhaltung stabiler Staatlichkeit eine Herausforderung unter schwierigen Vorzeichen. Der 1920 unter französischem Völkerbund-Mandat konstituierte Mittelmeeranrainerstaat Libanon verdeutlicht die allgegenwärtige Präsenz externer Machtspiele. Von Israel und Syrien eingeschlossen liegt die Republik seit der Ausrufung des israelischen Staates 1948 an der Konfliktlinie zwischen arabischem Raum und dem israelischen Staat. Die Fülle intervenierender ausländischer Mächte führt zu einer Internationalisierung der innerlibanesischen Angelegenheiten. Das Land ist Schauplatz globaler Konfliktaustragung und wird von verschiedensten Akteuren instrumentalisiert und für eigene Zwecke missbraucht. Dies unterhöhlt die Staatlichkeit, verschärft innenpolitische Spannungen und treibt die Polarisierung der Gesellschaft voran, was das Land schließlich ins Bürgerkriegsverderben reißt. Als in Reaktion auf die israelische Besatzung 1982 die schiitische Widerstandsbewegung Hisbollah gegründet wird, ist der wichtigste libanesische Vetoakteur geboren. Mit aufsehenerregenden Operationen macht die Organisation weltweit auf sich aufmerksam und wird zu einem der ernsthaftesten Gegenspieler Israels. Die Widerstandsbewegung wächst im Libanon zu einer bedeutenden Institution heran, die sich im politischen, sozialen und wirtschaftlichen System des Landes etablieren kann. Sie erfüllt in zunehmendem Maße elementare staatliche Aufgaben. Gegenüber den offensichtlich überforderten und schwachen staatlichen Institutionen tritt sie vermehrt als quasi-staatliche Autorität auf.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: Abkürzungsverzeichnisiii 1Einleitung1 1.1Untersuchungsgegenstand2 1.2Struktur und Methodik3 1.3Literaturbericht6 1.4Bedeutende Begrifflichkeiten7 2Ausarbeitung der theoretischen Grundlage: Von Hobbes zum Governance-Konzept und der failed states-Forschung8 2.1Die politiktheoretische Genese des Staates8 2.2Definition der Staatsfunktionen11 2.2.1Sicherheit11 2.2.2Herrschaft11 2.2.3Wohlfahrt11 2.3Normative Ansprüche an die Staatsaufgaben12 2.4Vom Leviathan zum Herrschaftsmanager13 2.4.1Herausforderungen an den Nationalstaat13 2.4.2Die Veränderung der Rolle des Staates als Leistungserbringer14 2.4.3Perspektivenwechsel in der Betrachtung des Staates17 2.5Der Governance-Ansatz als Ergebnis und Referenzpunkt18 2.5.1Ursprung von Begriff und Forschung18 2.5.2Governance: Definition und Vorüberlegungen zum Analyseschema19 2.6Indikatoren zur Messung Staatsfunktionen ausfüllender Aufgaben22 2.6.1Sicherheitsfunktion23 2.6.2Herrschaftsfunktion24 2.6.3Wohlfahrtsfunktion24 3.Die Untersuchungsobjekte: Der Libanon und die Hisbollah25 3.1Die Geschichte des Libanon in drei Akten25 3.1.1Erste Phase: 1943 bis 197426 3.1.2Zweite Phase: 1975 bis 199027 3.1.3Dritte Phase: 1991 bis 201130 3.2Die Partei Gottes – Ein Überblick35 4.Analyse der Staatsfunktionen: Vergiftete Hilfe?38 4.1Sicherheitsfunktion39 4.1.1Erste Phase39 4.1.2Zweite Phase40 4.1.3Dritte Phase42 4.2Herrschaftsfunktion52 4.2.1Erste Phase52 4.2.2Zweite Phase53 4.2.3Dritte Phase53 4.3Wohlfahrtsfunktion69 4.3.1Erste Phase69 4.3.2Zweite Phase69 4.3.3Dritte Phase69 5.Konklusion und Ausblick79 Literaturverzeichnis89 Anhang99 Karte des Libanon99 Karte des Südlibanon100Textprobe:Textprobe: Kapitel 3.1.2, Zweite Phase: 1975 bis 1990: Nachdem 1975 in einer christlichen Kirche Schüsse abgefeuert werden, überfallen Bewaffnete im christlich dominierten Osten von Beirut einen Bus mit Palästinensern. Der Konflikt eskaliert in einen Bürgerkrieg. Der machtlose libanesische Präsident bittet 1976 Syrien, Truppen zur Befriedung des Konflikts zu entsenden. Die syrischen Truppen intervenieren auf Seiten der maronitischen Gruppierungen. Für eine kurze Zeit entspannt sich die Lage leicht - bis zu einem Anschlag der PLO in Israel. Daraufhin marschieren im Rahmen der Operation Litani israelische Truppen im März 1978 in den Libanon ein und besetzen große Teile des Südens. In seiner Resolution 425 fordert der UN-Sicherheitsrat (SC) den Abzug der israelischen Truppen und die Errichtung einer Beobachtermission, der United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL). Raketenanschläge auf israelisches Territorium und ein Anschlagsversuch auf den israelischen Botschafter in London führen 1982 zur Militäroperation Frieden für Galiläa, der zweiten Invasion israelischer Truppen in den Libanon mit dem Ziel die PLO zu vernichten, auch als Erster Libanonkrieg bezeichnet. Weitere Ziele sind die Vertreibung syrischer Truppen aus Beirut und die Unterzeichnung eines israelisch-libanesischen Friedensabkommens. Die Truppen rücken bis Ost-Beirut vor. Im August 1982 ziehen sich nach US-Verhandlungen die syrischen Truppen und die PLO zurück. Die Multinationale Friedenstruppe (MNF), bestehend aus US-amerikanischen, französischen, italienischen und britischen Truppenteilen, soll die libanesische Armee unterstützen und den Abzug der PLO überwachen. Doch die Lage lässt sich nicht stabilisieren. Einen Tag nachdem der von Israel unterstützte libanesische Staatspräsident Bachir Gemayel ermordet wird, rückt das israelische Militär nach West-Beirut ein, um die feindlichen Stellungen auszuschalten. Diese Situation nutzen die Milizen der Forces Libanaises und verüben ein Massaker an der schiitischen Bevölkerung. Bei der israelischen Offensive gegen die PLO greifen weder die syrischen, noch die libanesischen Truppen noch die Amal-Miliz ein. Im gleichen Jahr wird in Reaktion auf die israelische Invasion die Hisbollah gegründet. Unterdessen gerät die MNF immer weiter zwischen die Bürgerkriegsfronten. Bei einem Selbstmordanschlag gegen die US-Botschaft in Beirut sterben 63 Menschen. Ein Bombenanschlag gegen das US-amerikanische und französische Hauptquartier fordert 298 Menschenleben. Weitere verlustreiche Attentate folgen. Als die libanesische Armee zusammenbricht, erlangen drusische und schiitische Milizen im Süden des Landes die Vorherrschaft. Der MNF bleibt nichts anderes übrig als abzuziehen. (vgl. DOS 2011 Gerngroß 2007: 153f.) Im Mai 1983 rückt der Frieden in greifbare Nähe. Unter US-Vermittlung unterzeichnen US-amerikanische, israelische und libanesische Vertreter ein Friedensabkommen. Doch muslimische und syrische Widerstände darauf nehmen zu, sodass das Abkommen nicht ratifiziert wird. Im gleichen Jahr signalisiert die Amal gegenüber christlichen, pro-israelischen Gruppen Dialogbereitschaft (vgl. Diehl 2011: 43). Dies führt zur Abkehr vieler Anhänger und zur Stärkung der Hisbollah. Erst 1985 zieht sich das israelische Militär weitgehend zurück und errichtet an der israelisch-libanesischen Grenze eine sogenannte 'Sicherheitszone'. Den 1.100 Quadratkilometer großen Gürtel kontrolliert es gemeinsam mit der mit ihm verbündeten Südlibanesischen Armee (SLA), einer christlich geführten Miliz. Durch den Rückzug verschwindet auch der Puffer zwischen den Bürgerkriegsparteien und es bricht eine neue Gewaltwelle los. Gleichzeitig kommt es zum Bruch im Movement National. Die Amal-Miliz sieht in der Präsenz hunderttausender Palästinenser den Hauptgrund für den Konflikt und die Lösung dessen in ihrer Vertreibung. Im sogenannten 'Lagerkrieg' kommt es in der Folge zu Kämpfen zwischen schiitischen Amal-Milizen und palästinensischen, linksradikalen und drusischen Kämpfern. 1988 schaltet sich die bisher neutral gebliebene Hisbollah in den Konflikt ein und ergreift Partei für die Palästinenser: der 'Bruderkrieg' gegen die Amal beginnt. Als Premier Rashid Abdul Hamid Karami 1987 einem Attentat zum Opfer fällt, leitet der pro-syrische Außenminister Selim al-Hoss kommissarisch die Regierungsgeschäfte. Für das Amt des scheidenden Staatspräsident Amin Gemayel können sich die Bevölkerungsgruppen auf keinen Nachfolger einigen. Als letzte Amtshandlung setzt Gemayel die Regierung Hoss jedoch kurze Zeit später ab und ernennt General Michel Aoun, einen Maroniten, zum Premier. Da der Präsident damit gegen die im Nationalpakt vereinbarte konfessionelle Aufteilung der Posten verstößt, bilden muslimische Gruppierungen in West-Beirut eine Gegenregierung. Hoss regiert den von muslimischen Milizen und syrischen Truppen kontrollierten Teil des Landes, Aoun das christliche Kernland. (vgl. Barak 2003: 322f; DOS 2011 Gerngroß 2007: 156ff.) Im Jahr 1989 startet Aoun eine Offensive gegen die rivalisierenden libanesischen Milizen und die syrischen Truppen. Unterstützt wird er dabei von der PLO und dem Irak. Die muslimische Seite hat sich mit den Forces Libanaises und den syrischen Truppen verbündet und wird zudem vom Iran unterstützt. Die drohende Spaltung des Landes führt im gleichen Jahr zum Abkommen von Ta'if und der Wahl eines neuen Staatspräsidenten durch das Parlament im saudischen Exil. Doch Renee Muawwad wird wenig später ermordet. Sein Nachfolger Elyas Hrawi setzt Aoun von der Führungsspitze des Heeres ab und unterschreibt die im Ta'if-Abkommen beschlossenen Änderungen der Verfassung. Doch das tatsächliche Ende des Kriegs im Libanon ist mit dem Ende des Kalten Kriegs und dem Beginn des Zweiten Golfkriegs verknüpft. Syriens Handlungsspielraum erweitert sich entscheidend, als sich die USA gegen den Irak auf die syrische Seite stellen und Damaskus freie Hand im Libanon lassen (vgl. Kropf 2007: 81f.). Im Oktober 1990 marschieren libanesische und syrische Truppen in die östlichen Landesteile ein und zwingen Aoun zur Kapitulation (vgl. Sinno 2000: 12). Dies markiert das Ende des Bürgerkriegs. Der 16 Jahre dauernde Konflikt kostet insgesamt mindestens 100.000 Menschenleben, mindestens 100.000 Menschen werden verwundet, 900.000 flüchten vorübergehend, 500.000 emigrieren dauerhaft und 17.000 Menschen gelten bis heute als vermisst (vgl. AA 2011d; BS 2009: 26 DOS 2011). Politische und wirtschaftliche Strukturen werden nachhaltig beschädigt.
Abstract Religion has been taking an increasingly contentious character worldwide. Deprivation, grievances and protest by religious groups seems to be on the rise. Previous research has shown that the marginalization of ethnic groups can contribute significantly to violent conflict. However, we know little about religious groups as existing research has lacked the necessary fine-grained data. This paper introduces the "Religious Minorities at Risk" dataset comprising data on 771 religious minorities worldwide for the period between 2000 and 2014. The dataset contains pertinent worldwide information on relevant characteristics of these minorities, especially those that may explain their motivation and capability to mobilize. Such characteristics include objective deprivation in religious, economic and political terms as well as corresponding subjective grievances and intensities. The dataset also includes group-related features and structural variables that arguably influence minorities' capability to mobilize. Moreover, while previous studies have focussed exclusively on violence, we now have more information available on the exact character of mobilization enabling scholars to distinguish between peaceful and violent forms of mobilization.