Jellineks Parlamentarismus - und Parteianalyse "auf der Grenzlinie von Staatsrecht und Politik"
In: Die normative Kraft des Faktischen: das Staatsverständnis Georg Jellineks, S. 113-132
Jellinek entwickelte in der "Allgemeinen Staatslehre" eine "Zwei-Seiten-Lehre" des Staates, die den Weg zur Anerkennung der soziologischen Betrachtungsweise des Staates ebnete und so die Unhaltbarkeit einer starren Gegenüberstellung von Staat und Gesellschaft relativierte. Die klare Trennung von Recht und Politik ließ sich nicht mehr aufrecht erhalten. Jellineks Ansätze zu einem neuen Verständnis des Parlaments und zum Rückgriff auf den Begriff der Repräsentation gehören damit zu einer Reaktivierung der Staatsrechtslehre. Jellinek sah seine Zeit durch eine "fortschreitende Demokratisierung der Gesellschaft" gekennzeichnet und betrachtete diese Entwicklung als "geschichtlichen Naturprocess", mit großen Auswirkungen auf das politische System und seine Institutionen. Diese wollte er wissenschaftlich in den Griff bekommen, indem er sich aus der Enge des staatsrechtlichen Positivismus zu befreien versuchte und "wissenschaftliche Politik" betrieb. Dabei gehören Untersuchungen zur Geschichte des Parlamentarismus aus vergleichender Perspektive und zur Parlamentarisierung unter Einbeziehung historischer, sozialer und politischer Bedingungen zu Jellineks bevorzugten Gegenständen. Im vorliegenden Beitrag wird seiner Sicht des Parlamentarismus unter folgenden Aspekten nachgegangen: Begriff und Geschichte des Parlamentarismus, Verhältnis von Parlament und Parteien, Parlamentarisierungsdebatte und politisches Engagement sowie Perspektiven des Parlamentarismus. (ICA2)