Klassische Bildung, Volksschule als "Klassenschule" (Preußen)
In: Sozialwissenschaftliche Informationen für Unterricht und Studium: sowi, Band 2, Heft 3, S. 73-75
ISSN: 0340-2304
Probleme des Zusammenhanges von Bildungswesen und sozialer Ungleichheit im Deutschland (besonders Preußen) des 19. Jahrhunderts stehen im Mittelpunkt der behandelten Beiträge: N. Anderson: The Prussian Volksschule in the Nineteenth Century. In: Entstehung und Wandel der modernen Gesellschaft, Festschrift für Hans Rosenberg zum 65. Geburtstag. Hrsg.: Gerhard Ritter, Berlin 1970, 261-279. L. O'Boyle: Klassische Bildung und soziale Struktur in Deutschland zwischen 1800 und 1848. In: HZ Bd. 207, 1968, H. 3, S. 584-609. D. Müller: Sozialstruktur und Schulreform. Forschungsbericht über eine mehrdimensionale Analyse des Schulwesens im 19. Jahrhundert, Modellfall Berlin. In: O. Neuloh, W. Rüegg (Hrsg.): Zur soziologischen Theorie und Analyse des 19. Jahrhunderts. 1971, S. 213-237. (= Studien zum Wandel von Gesellschaft und Bildung im 19. Jahrhundert, Bd. 1, Forschungsunternehmen der Fritz Thyssen-Stiftung). O'Boyle zeigt die politische Funktion der klassischen Studien (Griechisch/Latein); mit Hilfe der alten Sprachen gelang es den deutschen Oberschichten eine Sozialbarriere gegenüber Teilen des aufstrebenden Bürgertums zu errichten. Die höhere Bildung (Gymnasium mit seinen klassischen Bildungselementen) erst öffnete die Zugangschancen zu den Machteliten. Der Beitrag von Anderson analysiert die Mobilitätsfeindlichkeit des preußischen Bildungswesens und erkennt enge Zusammenhänge mit den Grundsätzen der Bildungsfinanzierung; östlich der Elbe insbesondere hatten die Gutsbesitzer, die eigentlich finanzielle Pflichten gegenüber den Schulen hatten, kaum Interesse, die breite Volksbildung ernsthaft zu unterstützen. Müller zeigt die Entwicklung des klassenspezifischen Bildungswesens, in dem das Gymnasium zur Eliteschule wurde (Ausgliederung und Herabstufung der Realschule usw.). (JL)