Seit einer Reihe von Jahren experimentieren Unternehmen mit neuen, oft vorwärtsweisenden Arbeits- und Organisationsformen, gleichzeitig sind in anderen Fällen arbeitspolitische Rückschritte festzustellen. Die Frage bleibt also aktuell, wie eine innovative Arbeitspolitik, die Arbeitsverbesserungen mit erhöhter Wirtschaftlichkeit kombiniert, aussehen könnte. Diese empirische Studie gibt einen Einblick in Voraussetzungen, Praxis und Wirkungen einer solchen Arbeitspolitik und arbeitet übertragbare Gestaltungsmerkmale heraus. Auf der Basis eines breit angelegten Vergleichs von Good-Practice-Beispielen aus unterschiedlichen Branchen kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass innovative Arbeitspolitik weiterhin ein tragfähiges Konzept darstellt. Zugleich zeigen sie, dass Positivwirkungen vor allem durch eine kohärente Kombination unterschiedlicher Gestaltungselemente wie Gruppenarbeit, KVP oder neue Entgeltsysteme erreicht werden. Anhand der Darstellung konkreter Fallbeispiele erhalten Praktiker in Unternehmen und Gewerkschaften, die an kompromissfähigen Gestaltungskonzepten interessiert sind, in diesem Buch eine Fülle von Hinweisen
In leistungspolitischen Diskussionen finden sich häufig Kontroversen, die einen Gegensatz herstellen zwischen einerseits Konzepten, die auf die Notwendigkeit messbarer Leistungskennzahlen und das Festhalten an bestehenden Schutzbestimmungen orientiert sind, und andererseits Strategien, denen es um eine Mitwirkung bei der Gestaltung und Optimierung von Arbeitsprozessen und Organisationsstrukturen geht. In Abgrenzung von dieser Entgegensetzung, die letztlich die Handlungsmöglichkeiten von betrieblichen Interessenvertretungen nicht ausschöpft, wird im vorliegenden Beitrag mit dem Begriffspaar "Halten" und "Entfalten" auf die Notwendigkeit einer Doppelstrategie im Bereich gewerkschaftlicher Leistungspolitik hingewiesen. Den Kern des Beitrags bilden drei Thesen, die zentrale Perspektiven betrieblicher Leistungspolitik umreißen und hierbei unter anderem die Bedeutung einer Verschränkung von Arbeits- und Leistungspolitik hervorheben. Zuvor wird in einem knappen Überblick auf einige leistungspolitisch relevante Entwicklungslinien und Handlungsbedingungen hingewiesen. In Form eines Ausblicks werden abschließend eine Reihe von Herausforderungen benannt, die sich - nicht nur im Hinblick auf eine zukünftige Leistungspolitik - hinsichtlich der Anforderungen und Arbeitsweisen der betrieblichen Interessenvertretungen stellen. (ICI2)
"Auch wenn es kaum Studien zum Zusammenhang von finanzmarktorientierter Unternehmenssteuerung und Arbeitspolitik gibt, deuten Interviews mit Betriebsräten darauf hin, dass sich die Perspektiven für eine innovative Arbeitspolitik trotz der sich gegenwärtig abzeichnenden De-Legitimierung von Shareholder Value dominierten Strategien kaum verändert haben. Auch zukünftig ist von einem spannungsvollen Nebeneinander gegensätzlicher Entwicklungslinien auszugehen. Für die Durchsetzung innovativer Gestaltungslösungen erscheint es notwendig, dass Arbeitspolitikkonzepte über das Politikfeld Arbeitsorganisation hinausgehen. Zugleich ergeben sich Folgen für Rollendefinitionen und Arbeitsformen der betrieblichen Interessenvertretung." (Autorenreferat)
Der Verfasser sieht einen wirtschaftlichen Vorteil entfalteter Formen von Gruppenarbeit, soweit sie in eine darüber hinausgehende Gestaltung von innovativer Arbeitspolitik eingebettet ist; insgesamt ist dieser aber flächendeckend schwer einzuschätzen. Es gibt derzeit eine erhebliche Spannbreite und auch ein konkurrierendes Miteinander von arbeitspolitischen Konzepten, eine Pluralisierung betrieblicher Strategien, das gilt selbst für die relativ überschaubare Automobilindustrie. Auf der einen Seite haben sich durch die mit "Globalisierung" umschriebenen Wandlungsprozesse die Handlungsmöglichkeiten der Unternehmen stark erweitert, zugleich ist das Verhältnis von Unternehmens- und Betriebsebene aber spannungsreicher geworden. Als Trendaussagen für Industriearbeit stehen Perspektiven der Aufwertung von Kompetenzen der Beschäftigten solchen der Re- Taylorisierung gegenüber. Gerade darum bleiben innovative arbeitspolitische Konzepte weiterhin von hohem Interesse, weil ihre positiven Wirkungen für die Qualität der Arbeit unumstritten sind und ebenso ihre zivilgesellschaftliche Perspektive der Weiterentwicklung der Betriebsdemokratie sowie ihre Kooperationskultur für die Handlungsfähigkeit von Interessenvertretung immer noch beste Voraussetzungen bieten. Sie stärken die ja nach wie vor notwendige kooperative Konfliktbewältigung in den Betrieben, legen eine veränderte Arbeitsweise von Betriebsräten nahe, die sich stärker durch Projektarbeit, Prozessnähe und Beteiligungsorientierung auszeichnen muss. Wo ein breiter Ansatz innovativer Arbeitspolitik verfolgt wird, der auch betriebsorganisatorische Themen und Führungsorganisationsfragen einbezieht und insofern über die Gruppenarbeitsdebatten der 1980er und 1990er Jahre hinausgeht, bieten sich zudem Chancen für eine Interessenvertretungspolitik, die nicht mehr nur auf allgemeine Forderungen oder die traditionell gut organisierten Beschäftigtengruppen abzielt, sondern auch aktiv auf neue Beschäftigtengruppen zugeht. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn Forderungen nach erweiterter Gruppenarbeit kombiniert werden mit Ideen zu einem erweiterten Aufgabenzuschnitt beispielsweise der Meister und einer Überwindung traditioneller Abschottungstendenzen zwischen betrieblichen Fachabteilungen. Überzeugungs- und Mobilisierungskraft bezöge eine derart erweiterte Arbeitspolitik nicht zuletzt daraus, dass sie zum Ziel hätte, integrierte arbeitspolitische Konzepte zu formulieren, in die die Arbeits- und Berufsinteressen unterschiedlicher Beschäftigten-, Berufs- und Statusgruppen eingehen. (ICG2)
Das Projekt "Auto 5000" lässt sich dem Autor zufolge als Good-Practice-Beispiel einer innovativen Arbeitspolitik beschreiben, in welchem es darum ging, Erfahrungen mit Organisationskonzepten, wie erweiterter Teamarbeit, einer Dehierarchisierung der betrieblichen Führungsstrukturen und einer dezentralen Betriebsorganisation zu sammeln und deren Leistungsfähigkeit zu erproben. Aus Sicht der Interessenvertretung sollte damit zugleich eine Alternative zu den bestehenden Retaylorisierungstendenzen aufgezeigt werden. Im Bereich der Fabrikorganisation wurde in den letzten vier Jahren eine Vielzahl von organisatorischen Einzelelementen konzipiert und in die Praxis umgesetzt, die sich mittlerweile zu einem integrierten Gesamtkonzept verknüpft haben. Im vorliegenden Beitrag werden folgende zentrale Elemente der Fabrikorganisation von "Auto 5000" näher dargestellt: Arbeitsorganisation und prozessbestimmte Teamarbeit, erweitertes Funktionsprofil der ersten Führungsebene, flache Hierarchien, prozessorientierte dezentrale Betriebsorganisation, betriebliche Steuerungsformen sowie aktive Einbindung der Arbeitsteams in die Prozessoptimierung ("PDCA-Konzept"). (ICI2)
Die Automobilindustrie steht seit langem im Mittelpunkt von Debatten über sich wandelnde Arbeitsstrukturen. Unter Rückgriff auf historische Darstellungen und anhand eigener empirischer Untersuchungen in Automobilbetrieben der Gegenwart verfolgt der Autor in diesem Buch die teils kontinuierlichen, teils abrupten Veränderungsprozesse in dieser Schlüsselbranche. Dabei rekonstruiert er die lange Epoche weitgehender Stabilität tayloristisch-fordistischer Strukturen und die Phase begrenzter Reorganisationsversuche in den 80er Jahren, um sich schließlich den erweiterten Reorganisationsansätzen der letzten Jahre zuzuwenden, die vielfach einen tiefgreifenden arbeits- und betriebsorganisatorischen Umbruch darstellen. Methodisch steht dabei stets im Zentrum, der strukturellen Verflechtung von fertigungstechnischen und Management-Konzepten einerseits, den betrieblichen Sozialbeziehungen - in ihrer Determiniertheit, aber auch in ihrem "Eigensinn" - auf die Spur zu kommen. Durch die Verknüpfung der Resultate vorliegender Studien, oft wenig bekannter historischer Dokumente und aktueller eigener Erhebungen liefert Kuhlmanns Buch einen umfassenden, profunden Überblick über die historische Entwicklung und den derzeitigen Stand betrieblicher Arbeits- und Sozialstrukturen in der deutschen Autoindustrie
In: AIS-Studien: das Online-Journal der Sektion Arbeits- und Industriesoziologie in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS), Band 13, Heft 1, S. 22-39
Auseinandersetzungen um die Digitalisierung der Arbeitswelt werden auch über Diskurse ausgetragen. Wie Wettbewerbsaspekte, Regulierungsfragen, Chancen und Risiken von Digitalisierung in betrieblichen Konflikten um den digitalen Wandel in Stellung gebracht werden, hat Einfluss auf den Ausgang von Auseinandersetzungen und Aushandlungen. Vor diesem Hintergrund untersucht der Beitrag anhand von drei zentralen betrieblichen Handlungsfeldern der Digitalisierung (neue Arbeitsformen, Automatisierung, Überwachung), welche Diskurse in diesen Auseinandersetzungen wie aufgegriffen und wirkmächtig werden. Dabei zeigt sich, dass es der Arbeitgeberseite gelingt, Diskursstrategien zu verfolgen, die sie gegenüber Betriebsräten und Gewerkschaften in die Offensive bringt.
"Das Arbeits- und Betriebsverständnis von Industriearbeitern war seit den 1950er Jahren ein zentraler Forschungsgegenstand der Arbeits- und Industriesoziologie. Hingewiesen wurde auf Merkmale wie ein spezifisches Leistungsbewusstsein und Produzentenstolz, Vorstellungen einer betrieblichen und gesellschaftlichen Dichotomie sowie die Bedeutung kollektiver Formen der Interessenvertretung. Auf der Basis neuerer Studien und eigener Fallstudienbefunde zu innovativer Arbeitspolitik wird im vorliegenden Beitrag argumentiert, dass wesentliche Elemente des in früheren Untersuchungen beschriebenen Arbeits- und Betriebsverständnis auch heute noch zu finden sind. Zugleich schlägt sich die zunehmende Dualisierung von Beschäftigungsbedingungen aber auch bei industriellen Stammbelegschaften in einer stärker werdenden Verunsicherung nieder. Zentrale Bestandteile eines für industrielle Lohnarbeiter typischen Denkens scheinen auch jenseits von arbeitssituativen Unterschieden gültig zu sein." (Autorenreferat, IAB-Doku)