"Die baltische Subregion Europas ist nicht marginal und nebensächlich, sondern kennzeichnend für die künftige Gestaltwerdung des integrierten Europa. Hier treten Schlüsselprobleme der Transformation wie der Modernisierung exemplarisch zutage, die für die gesamte Strukturbildung Europas wichtig werden. Hier wird zudem das Verhältnis des künftigen abendländischen Europa zu Eurasien mit dessen Kernstaat Rußland essentiell gestaltet - in partnerschaftlicher Konkurrenz mit den USA, der führenden Modernisierungsmacht bei einer globalisierten Umgestaltung unserer Welt. Europa ist mithin herausgefordert, im Baltikum seine Position gegenüber der atlantischen wie der eurasischen Hemisphäre modellhaft zu bestimmen. Das Baltikum gewinnt zudem eine richtungweisende Bedeutung als Gestaltungsraum der nordeuropäischen EU-Erweiterung. Allen skandinavischen Nationen gilt der baltische Raum als integraler Teil der europäischen Gestaltwerdung. Das wird nicht lediglich räumlich, sondern im Sinn grundlegender Umstellungen in Wirtschaft, Sicherheitsgewährleistung und sozialen Strukturen verstanden - wodurch sich dieser Ansatz exemplarisch von traditionell geopolitischen Orientierungen unterscheidet, denen die Politik anderer, in dieser Subregion agierender Staaten folgt. In der bisherigen Entwicklung seit der wiedergewonnenen Souveränität 1991 zeigten sich allerdings sowohl schwerwiegende Beschränkungen und Schwierigkeiten auf baltischer Seite wie Unzulänglichkeiten der westlichen wie östlichen Außenwelt bei der Bewältigung anstehender Herausforderungen in diesem Raum. Dabei geht es nicht lediglich um die Transformierung des vordem sozialistischen Wirtschafts- und Sozialsystems, sondern um eine Neuausrichtung der Entwicklung an den Maßstäben und Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Das betrifft die baltischen und die skandinavischen Nationen wie die anderen europäischen Regionen. Damit einhergehend ändert auch die vormalige Neutralitätshaltung Schwedens und Finnlands ihre Qualität. Diese Zusammenhänge außer acht zu lassen und sich auf eine regionale Sicht zu beschränken bedeutet, die eigentlich essentielle Problematik - nämlich die Gestaltgebung des ganzen Europa - zu verfehlen." (Autorenreferat)