How does the way we look at a film change when it is classified as "German-Turkish cinema"? And how do we view it when we conceive of its images as products of film watching instead? In interviews with filmmakers, supplemented with analyses and theoretical reflections, this book investigates the question of the creative spaces that emerge for filmmaking between the poles of politics and art.
How do spectators become emotionally involved in cinema? Starting from this question, the book suggests an original view about a critical period in United States film history. In a detailed analysis of individual films, an image emerges of a complex interplay between three affective modes – suspense, paranoia, and melancholy – which draw the spectators to reflect in unique ways about contradictions in their own feelings.
Allmählich kommt Bewegung in die Forschungslage zum sogenannten "deutsch-türkischen Kino". Nachdem jahrelang nur drei Sammelbände und einige verstreute Aufsätze zum Thema vorlagen, hat die Debatte in letzter Zeit mit Monografien etwa von Nanna Heidenreich (2015), Gözde Naiboğlu (2018) und Muriel Schindler (2021) sowie zwei weiteren Sammelbänden (vgl. Alkın 2017, Bayrak u.a. 2020) deutlich an Dynamik gewonnen. Gemein ist den meisten dieser Publikationen der dezidierte Anspruch, das so lange brachliegende Forschungsfeld neu zu konturieren und den Forschungsstand einer kritischen Reflexion zu unterziehen. Diese Kritik richtet sich vornehmlich auf die medien- bzw. filmtheoretische Unterkomplexität, mit der das deutsch-türkische Kino lange angegangen wurde – speziell im Hinblick auf die Frage der Repräsentation (also die Frage, inwieweit filmische Bilder als Abbilder gesellschaftlicher Realität verstanden werden). In diesen Kontext ist auch Die visuelle Kultur der Migration von Ömer Alkın einzuordnen. Was seine Monografie (zugleich seine Dissertation) auszeichnet, ist, dass er nicht nur theoretisch ambitioniert vorgeht, sondern vor allem in historischer Hinsicht eine Forschungslücke schließt, indem er den sogenannten "türkischen Emigrationsfilm" als komplementäre Formation zu den in Deutschland produzierten Filmen in den Blick rückt. Alkın baut seine (über 600 Seiten lange) Arbeit in zwei große Teile auf. Der erste Teil widmet sich ausführlich dem Forschungsstand, den theoretischen und methodischen Vorüberlegungen (etwa zur Abgrenzung des Gegenstands oder zur eigenen Arbeitsweise mit bewegten Bildern) sowie einer Rekapitulation der historischen Kontexte zum Thema Migration sowohl der Filmproduktionen aus Deutschland wie derjenigen aus der Türkei. Die Filme des im konventionellen Sinne "deutsch-türkischen Kinos" (also Produktionen aus Deutschland, die von Menschen mit türkischem Migrationshintergrund inszeniert werden bzw. von solchen Menschen handeln) spielen allerdings im weiteren Verlauf der Arbeit keine nennenswerte Rolle mehr. Dies wirft sogleich die Frage nach dem Erkenntnisgewinn von Alkıns Ansatz auf, beide Formationen zusammenzudenken – könnte sich dieser Gewinn doch erst dort mit voller Überzeugungskraft einstellen, wo man die Filme in vergleichender Analyse aufeinander bezieht. Migration wird von Alkın als "Motiv" in den Filmen, bzw. als "epistemisches Ding" (S. 36f.) verstanden. Das Ziel seiner Arbeit besteht darin, nachzuverfolgen, wie sich dieses Motiv der Migration in den Filmen des Kinos der Türkei, speziell des Yeşilçam-Kinos der 1970er-Jahre, visuell konstituiert. Alkın orientiert sich an Theorien visueller Kultur, bezieht aber auch eine ganze Reihe anderer Ansätze mit ein (Medienphilosophie, Psychoanalyse, Raumtheorie, Erkenntnistheorie, Phänomenologie, Science and Technology Studies), um die Schwierigkeiten der Eingrenzung und Verortung dieses Filmmotivs angemessen zu reflektieren. Über der Vielzahl der Perspektiven verliert sich allerdings gelegentlich die klare Ausrichtung der Argumentation. Der zweite Teil konzentriert sich auf die Analyse der Beispiele, wobei immer wieder theoretische und historische Exkurse eingestreut werden. (Eine Anmerkung zur Form: ein gründlicheres Lektorat hätte dem Buch gutgetan und seine Lesbarkeit deutlich erhöht.) Besonders die historischen Exkurse erweisen sich dabei als wichtig für die Einbettung der Filmanalysen. Alkın nimmt zu Beginn die heuristische Setzung einer "Ereignisstruktur von Emigration" (S. 209) vor, zu deren Status und theoretischer Kontextualisierung man gerne mehr erfahren hätte – etwa mit Blick auf die Frage, inwiefern es sich bei dem untersuchten Korpus um ein Genre handelt, oder wie sein Zusammenhang jenseits einer Gemeinsamkeit von Motiven zu denken ist. Alkın identifiziert vier Elemente dieser Ereignisstruktur: Abwesenheit, Anreise, Ankunft und Anwesenheit, die er anhand der Untersuchung von entsprechenden Szenen herausarbeitet. Insgesamt bleibt in der Hinführung auf die konkreten Analysen eher vage, wie der theoretische Zugriff auf die Filme gedacht wird. Alkın spricht sich dafür aus, "den Fokus auf die filmästhetischen Besonderheiten der Filme nicht durch eine prädeterminierte filmtheoretische Überlegung einzugrenzen, sondern den materiell unversieglichen Überschuss des Filmischen gegenüber eines schriftlichen Beschreibungssystems [sic], das auch die vorliegende wissenschaftliche Arbeit ist, anzuerkennen und an ihm zu arbeiten" (S. 204). Wie aber kann man am "Überschuss des Filmischen gegenüber eines schriftlichen Beschreibungssystems" arbeiten ohne konsistenten filmtheoretischen Zugang? Hier gibt es einen Bruch zwischen dem theoretischen Anspruch des Buches und der Einlösung dieses Anspruchs in den Analysen – einen Bruch, der übrigens durchaus typisch ist für die akademische Diskussion zu dem Thema. Die ausführlichen Analysen operieren denn auch keineswegs theoriebefreit. Dort, wo sie auf einer kohärenten theoretischen Basis aufbauen – etwa in der Analyse der Anfangssequenz von Davaro (R: Kartal Tibet, TR 1981) – machen sie die stärksten Abschnitte des Buches aus. Dort gelingt es Alkın auf eindrucksvolle Weise, die audiovisuelle Entfaltung des filmischen Bildraums als Entstehungsprozess einer Vorstellung von Sozialität nachzuzeichnen, für die das Verhältnis zwischen Emigrant und Dorfgemeinschaft zum Ordnungsproblem wird (vgl. S. 224-238). Ein anderes Beispiel ist die detailliert kontextualisierte Analyse einiger Sequenzen aus Memleketim (R: Yücel Çakmaklı, TR 1975), in der das komplexe Zusammenspiel von Produktionsumständen, politischen Diskursen, sozialen Kontexten, medialen Konfigurationen und künstlerischen Poetiken voll zur Geltung kommt und nachvollziehbar gemacht wird (vgl. S. 445-479). Hingegen entstehen immer dann Probleme, wenn von einer vermeintlich stabilen, ahistorischen Charakteristik von Migration auf die Filme zurückgeschlossen wird, anstatt auf die generischen Zusammenhänge einzugehen, in denen die formalen Verfahren und ästhetischen Figurationen in ihrer Historizität erkennbar werden könnten (siehe beispielsweise S. 297, wo es heißt, Migration sei gekennzeichnet durch "das binäre Modell einer Medialität von An- und Abwesenheit", und darin liege die "Wesensverwandtschaft zur Medialität des Filmischen"). Ähnlich irritierend wirkt es, wenn am Beispiel einer Szene, in der betont flash zooms eingesetzt werden, nicht etwa auf die entsprechenden historisch verortbaren Konventionen verwiesen wird (etwa jene des Hollywood-Kinos der 1970er Jahre und sicher auch im damaligen Kino der Türkei), sondern ein allgemeiner Exkurs zum Verhältnis von technischen Medien und menschlicher Wahrnehmungsfähigkeit erfolgt (vgl. S. 410f.). Vor diesem Hintergrund ist möglicherweise die letzte Drehung in Alkıns Argumentation zu verstehen, wenn er direkt vor dem kurzen Schlusskapitel die Möglichkeit einer affekttheoretisch basierten Filmanalyse andeutet, die die dauerpräsente Frage der Repräsentationslogik noch einmal von einer anderen Seite beleuchtet. So scheinen bis zuletzt leise Zweifel daran angebracht, wie sinnvoll es ist, Migration tatsächlich als "epistemisches Ding" zu abstrahieren. Denn auch der von Alkın betriebene hohe theoretische Aufwand ändert nichts daran, dass der Akt, auf das filmische Bild zu zeigen und festzustellen: "Dies ist Migration", bzw. "dies ist ein Migrant" selbst ein politischer Akt ist: nämlich ein Akt, der Identität zuschreibt und politische Kategorien – in welcher medialen Vermittlung auch immer – auf die Beschreibung audiovisueller Bilder überträgt. Wenn man daher mit W. J. T. Mitchell von einer visuellen Kultur der Migration spricht, kommt man nicht darum herum, diese Kultur auch historisch zu situieren: als Ergebnis oder Ausdruck eines Prozesses politischer und kultureller Vergemeinschaftung, der sich durch eine spezifische Sinnlichkeit auszeichnet, zugleich aber unweigerlich Ein- und Ausschlüsse produziert. Die visuelle Konstruktion von Migration ließe sich dann nur im Wechselspiel zwischen den Bildern und den Diskursen rekonstruieren, auf die die Bilder sich beziehen. Schließlich drängt sich diesbezüglich noch eine Frage zum theoretisch-analytischen Ansatz der Arbeit auf: Wieso ist darin eigentlich nur von visueller, nicht aber von audiovisueller Kultur die Rede? Schließlich spielt doch die Musik nicht nur, aber gerade auch in den Arabesk-Filmen – dem "türkischen Migrationsgenre schlechthin" (S. 394) – eine zentrale Rolle. Hier scheint ein blinder Fleck der Untersuchung zu liegen; denn es ginge dann letztlich nicht nur um die Sichtbarmachung von Migration (verstanden als epistemisches Problem), sondern um die politische, gesellschaftliche und kulturelle Funktion der Filme, die sich auf den Migrationsdiskurs beziehen. Das Wandern des Arabesk-Modus' von einer kulturellen Formation (verbunden mit der Binnenmigration in der Türkei) in ein musikalisches Genre, von dort ins Kino und von dort wiederum in einen umfassenden Lifestyle ist dafür tatsächlich beispielhaft. Erst als audiovisuelle Figurationen, das heißt, als raumzeitliche Kompositionen mit einer bestimmten Dauer, die auf eine bestimmte Weise mit ihrem Publikum interagieren, werden die Filme in dieser Hinsicht lesbar und analysierbar. Alkıns Buch stellt eine dringend benötigte Erweiterung der Forschung zum Zusammenhang von Kino und Migration zwischen der Türkei und Deutschland dar. Die äußerst ambitionierte Arbeit stößt dabei trotz einiger Probleme eine Vielzahl von Fragen an, die über das Feststellen von Forschungslücken hinausgehen: unter anderem solche nach dem Film als Form audiovisueller Diskursivität, nach der Bedeutung von Genres für ein Denken der historischen Dimensionierung ästhetischer Erfahrung, nach der Art und Weise, wie sich der Zusammenhang zwischen Film und Gesellschaft jenseits von Repräsentationslogiken denken lässt und danach, auf welche Weise die Filmwissenschaft der interdisziplinären Beschäftigung mit filmischen Bildern eine möglichst anschlussfähige methodische Grundlage bereitstellen kann. In Bezug auf diese und mehr Fragen erweist sich Alkıns Buch als überaus anregende Lektüre. Literatur: Alkın, Ömer (Hg.): Deutsch-Türkische Filmkultur im Migrationskontext. Verlag: Wiesbaden 2017. Bayrak, Deniz/Dinç, Enis/Ekinci, Yüksel/Reininghaus, Sarah (Hg.): Der deutsch-türkische Film. Neue kulturwissenschaftliche Perspektiven. Bielefeld: Transcript 2020. Heidenreich, Nanna: V/Erkennungsdienste, das Kino und die Perspektive der Migration. Bielefeld: Transcript 2015. Naiboğlu, Gözde: Post-Unification Turkish German Cinema. Work, Globalisation and Politics Beyond Representation. London: Palgrave Macmillan 2018. Schindler, Muriel: 'Deutsch-türkisches Kino'. Eine Kategorie wird gemacht. Marburg: Schüren 2021.
Wenn sich eine übergreifende Tendenz in den geisteswissenschaftlichen Debatten der letzten zwei Jahrzehnte beobachten lässt, so besteht diese in dem Bemühen, die politische Relevanz von Kunst und ästhetischer Erfahrung auf neue, den zeitgeschichtlichen Entwicklungen angemessene Weise zu denken. Die dazu in Anschlag gebrachten Modelle gehen in verschiedene Richtungen und treten miteinander durchaus in Konflikt. Ein Zeichen für die enorme Strahlkraft dieser Hinwendung zum Politischen ist das Erscheinen von Aesthetic Marx, eines Bandes, der antritt, die Theoreme eines vermeintlich so erschöpfend behandelten Denkers wie Karl Marx für die aktuelle Diskussion fruchtbar zu machen. Gleichzeitig markiert der Band nicht nur die Insistenz der gegenwärtigen Problemstellungen; vielmehr dient er auch als Testfall für die Tragfähigkeit jener Ansätze, die sich deren Bewältigung oder doch mindestens Beschreibung zur Aufgabe gemacht haben. So scheint es ja keineswegs selbstverständlich, in diesem Zusammenhang ausgerechnet auf Marx zurückzugreifen, auch wenn niemand bestreiten wird, dass der Kapitalismus "ästhetisch geworden" ist – so die Diagnose, mit der die Herausgeber ihre ambitionierte und zuweilen dichte Einleitung beginnen (S. x). Ebenso unbestreitbar verbindet sich mit der Chiffre 'Marx' noch immer eine Art utopischer Überschuss, den es jedoch – auf welche Weise auch immer – einzulösen gilt. Auf Grundlage dieser Diagnose zielt die Einleitung daher darauf ab, historisch herzuleiten, wie sich das marxsche Werk auf durchaus vielfältige Weise auf jene Ansätze beziehen lässt, die diese ästhetische Dimension als Frage nach dem Politischen konzeptualisieren. Diese Herleitung greift weit aus und verortet Marx nicht nur in historischer Langzeitperspektive, sondern auch mit Blick auf geistesgeschichtlich zentrale Denker wie Aristoteles, Machiavelli, Nietzsche oder Kant – zusätzlich zu denjenigen, die sich ihrerseits auf Marx beziehen (Lukács, Gramsci, Marcuse, Benjamin, Jameson, Derrida, etc.). Sie liefert dadurch eine hervorragende Grundlage nicht nur für die im Band versammelten Beiträge, sondern auch für zukünftige Arbeiten in dieser Richtung. Ein zentrales Manöver ist dabei, den Unterschied zwischen "Ästhetik" ("aesthetics") als philosophische Disziplin und dem "Ästhetischen" ("the aesthetic") als historische Organisation der Sinne hervorzuheben (S. xii). Diese Operation erinnert unmittelbar an die Unterscheidung zwischen 'Politik' und dem 'Politischen', die unter anderem in der jüngeren Rezeption Jacques Rancières in der politischen Philosophie und den Kulturwissenschaften enorm wirkmächtig geworden ist – eine Parallele, die hier jedoch (trotz ausführlicher und durchaus kontroverser Auseinandersetzung mit Rancière) nicht explizit gemacht wird. Wenig überraschend ist es die zweite Bedeutungsdimension des Ästhetischen, die für das "meta-ästhetische" (S. xiii) Projekt des Buches besonders produktiv wird – ist es doch in der aktuellen Diskussion speziell diese Perspektive, in der sich die Verfahren der Künste in ihrer theoriebildenden und politisch intervenierenden Kraft nachvollziehbar machen lassen. Die vielfältigen Facetten dieser Debatte bezieht die Einleitung aufeinander und bereitet so den Zusammenhang der einzelnen Beiträge vor, die in drei Sektionen gegliedert sind: "Aesthetics/Emancipations", "Style and Performativity in Marx" und "Modes of Artistic Production". Jede Sektion setzt sich aus vier Aufsätzen zusammen. Der erste Abschnitt versammelt Beiträge, die sich dem inhärenten Zusammenhang zwischen den marxschen Thesen und Axiomen ästhetischer Theoriebildung widmen. So stellt Samir Gandesha in seinem Aufsatz zu "drei Logiken des Ästhetischen bei Marx" die vielleicht nicht erstaunliche, jedoch weitreichende These auf, dass Marx' Begriff des Ästhetischen mit der Entwicklung seines Konzepts des Materialismus eng korrespondiert, wobei beide über das Prinzip der "Sinnlichkeit" miteinander in Beziehung treten (S. 5). Auf diese Weise avanciert die Gesetzmäßigkeit historischen Fortschreitens zu einer ästhetischen Logik. Im Zuge der Ausarbeitung dieser Logik entgeht der Autor nicht immer der Gefahr, sich in 'marxologischen' Spezialdiskussionen zu verlieren, anstatt die Begriffe für übergeordnete Fragestellungen produktiv zu machen. Henry Pickford hinterfragt in seinem Aufsatz die hergebrachte Dichotomie zwischen 'poiesis' (Herstellen) und 'praxis' (Handeln), indem er eine dritte Spielart des produktiven Denkens einführt: 'energeia'. Zur eigentlichen These seines Aufsatzes gelangt Pickford allerdings erst nach zehn Seiten Vorbereitung – das gibt einen kleinen Eindruck in die Komplexität (und lange Geschichte) der in diesem Band aufgegriffenen Diskurse. Er hat dort seine stärksten Momente, wo die Autoren den Mut zur Spekulation entwickeln, z. B., wenn Pickford am Ende seines Aufsatzes die Möglichkeit eines spezifisch marxistischen Begriffs ästhetischer Erfahrung erörtert. In diesem Sinne stellt der Beitrag von Sami Khatib ein Musterbeispiel dar: Er geht vom Faszinosum der eigentümlichen Seinsweise der Warenform – der Realabstraktion – aus und verfolgt die Facetten dieses Phänomens in ihren vielfältigen Verzweigungen, sei es in Theorien der Linguistik oder in paradigmatischen Figurationen der Moderne. Ein Aspekt dieser Seinsweise ist, dass sich Realabstraktion nicht objektivieren lässt; vielmehr bezeichnet sie ein Wahrnehmungsverhältnis, das jede Position der Analyse einfasst, einschließlich Marx' eigener. In der Konsequenz enthüllt der "Modus der Präsentation die Struktur des Untersuchungsgegenstands" (S. 52): Das Problem zeigt sich in der Sprache selbst, es ist sinnlich und übersinnlich zugleich. Formen des Denkens spielen auch für den letzten Aufsatz der ersten Sektion eine wesentliche Rolle: John F. Hartle geht dem Prinzip der "freien Assoziation" bei Marx und Sigmund Freud nach – das eine Mal als Plan sozialer Ordnung, das andere Mal als Verfahren, Zugang zu den "elementaren Kräften unbewusster Wünsche" (S. 73) zu erhalten. Angesichts der theoriegeschichtlich äußerst einflussreichen Kopplung psychoanalytischer und marxistischer Erklärungsmodelle stellt der Aufsatz einen höchst instruktiven Versuch dar, Verwandtschaften und Unterschiede zwischen ihnen freizulegen – Begriffsarbeit im besten Sinne, die die von Rancière so prägnant markierten Verbindungen zwischen dem Ästhetischen und dem Politischen aus ungewohnter Perspektive beleuchtet. Die zweite Sektion legt einen stärkeren Akzent auf die konkrete historische Verortung des marxschen Werkes. Eingeläutet wird dieser Abschnitt von Anna-Katharina Gisbertz. In ihrem Beitrag rekonstruiert sie, wie Marx seine Überlegungen ins Verhältnis zum dominanten ästhetischen Diskurs seiner Zeit setzt. Das von ihr gezeichnete Bild zeigt dabei einerseits einen Marx, der konservativer daherkommt, als es manchmal den Anschein hat. Andererseits wird so erst verständlich, worin die innovative und transformative Kraft seines Denkens in Bezug auf sein historisches Umfeld gelegen haben mag. In Hayden Whites (hier wiederabgedrucktem) Aufsatz wird Geschichte dann selbst zum Gegenstand des Denkens, das emphatisch selbst historisch verortet ist. White erläutert zu Beginn, dass er Marx' historiografisches Schreiben eher als künstlerische denn als wissenschaftliche Tätigkeit versteht – eine Unterscheidung, die White selbst allerdings mehr als einmal in Zweifel gezogen hat. Im vorliegenden Text demonstriert er an Marx' Schriften spezifische Modi geschichtlichen Denkens: den der Synekdoche und den der Metonymie. Aus dem Zusammenspiel dieser Modi lässt sich das Verhältnis zwischen gesetzmäßig konstanten ökonomischen Strukturen und ebenso gesetzmäßig dynamischer langzeithistorischer Entfaltung ableiten. Die Intention des marxschen Vorgehens erkennt White darin, Geschichte in ihrer Veränderbarkeit erfahrbar zu machen und dadurch seinen Leser auf die Möglichkeit der Entscheidung zurückzuwerfen. Auf ganz andere Weise (und auch im Tonfall sich deutlich vom Rest des Sammelbands unterscheidend) wird Geschichte im Beitrag von Terrell Carver in Anschlag gebracht: Carver erklärt, die marxschen Schriften, so weit möglich, vor ihrer Kanonisierung und in ihrer zeitgenössischen Ausrichtung zu lesen und auf ihr politisches Potential befragen zu wollen – was u. a. die Frage aufwirft, wie die intervenierende Funktion polemischen Schreibens theoretisch zu rekonstruieren wäre. Es folgt eine scharfsichtige Lektüre des 18. Brumaire, die Carvers rhetorischen Aufwand jedoch nur bedingt zu rechtfertigen vermag. Die produktive Kraft historischer Gegenüberstellungen demonstriert Daniel Hartley in seinem Essay, der mit Hilfe von Schillers Briefen Über die ästhetische Erziehung des Menschen einen "Strang ästhetischer Logik" (S. 165) in Marx' politischer Theorie sichtbar zu machen sucht, während seinerseits Schiller dabei auf neue Weise lesbar wird. Ähnlich wie die (offensichtlichere) Paarung von Marx und Freud setzt eine solche Konfrontation einen imaginativen Überschuss frei, der als stärkstes Argument für die anhaltende Relevanz des marxschen Denkens gelten mag. Wenn von Geschichte die Rede ist, ist im Übrigen positiv hervorzuheben, dass die Beiträge des Buches insgesamt sich nicht weiter mit Fragen der periodischen Einteilung (etwa in einen 'frühen' oder 'späten' Marx) aufhalten, sondern ganz auf die Bindekraft der in den Aufsätzen entworfenen gedanklichen Kontexte vertrauen. Die letzte Sektion des Buches widmet sich der künstlerischen Reflexion von Marx' Werk, Leben und Wirken. Den Anfang macht ein Aufsatz von Boris Groys. Diesem geht es nun nicht (mehr) um die Verästelungen der Theorie, sondern darum, den Abstand zwischen der kommunistischen 'Idee' und den historischen Manifestationen dieser Idee auszumessen. In der Kunst, so Groys, realisiere sich der utopische, d. h. der intermediäre Status des kommunistischen Projekts – und zwar nicht nur in ihrer ästhetischen Dimension, sondern eben auch in den Bedingungen ihrer Produktion und Distribution. Die paradigmatische Form, in der sich diese Bedingungen reflektiert finden, ist Groys zufolge die Installation (woraus sich ein Spiel mit der Idee des Bauens am kommunistischen Projekt ergibt). Nach diesen eher grundsätzlichen Erwägungen steuert Robin Greeley eine historische Fallstudie bei, welche die Entwicklungen in der mexikanischen Konzeptkunst nach der Niederschlagung der Studentenproteste 1968 untersucht. Auf schlagende Weise, fast wie ein Gegengewicht, macht der Beitrag nicht nur den kulturellen, sondern auch historischen Abstand zwischen der aktuellen Situation und den Debatten sichtbar, die den Großteil des Sammelbandes beschäftigen. '1968' fungiert dabei wie ein Brennglas, in dem sich diese Diskurse auf eine Weise gebündelt haben, die uns heute, gerade einmal 50 Jahre später, ihrerseits in höchstem Maße erklärungsbedürftig erscheint. Damit ist nicht etwa das Scheitern des Buches diagnostiziert; aber es wird vielleicht deutlich, dass mit diesem Buch vor allem ein Anfang gemacht ist. Erste Schritte, die diesen Abstand adressieren, erfolgen in den letzten beiden Aufsätzen. Der Text von Sven Lütticken befasst sich mit filmischen Auseinandersetzungen mit dem marxschen Werk und dessen Folgen – angesichts der Stellung des Kinos nicht nur in der frühen Sowjetunion (man denke an Eisensteins Kapital-Projekt) ein zentraler Aspekt des hier verhandelten Themas. Der Fokus des Aufsatzes ist jedoch weder ein filmanalytischer noch ein filmtheoretischer. Dies stellt m. E. ein Versäumnis dar, hat doch die Filmtheorie in zahlreichen Ansätzen (von Eisenstein über Baudry bis Jameson) das Verhältnis zwischen dem Ästhetischen und dem Politischen, bzw. der Ökonomie zu formulieren versucht und böte ein entsprechendes Reservoir an Begriffen. Stattdessen ruft Lütticken aktuelle ökonomische Theorien auf, vertreten durch Namen (Negri/Hardt, Boltanski/Chiapello), die im übrigen Buch wiederum geradezu auffällig abwesend bleiben. So wichtig es von einem Marx-Standpunkt aus ist, die Produktionsästhetik zu betonen, scheint hier eine Chance vergeben worden zu sein. Den Abschluss macht ein zweiter Aufsatz von Johan F. Hartle, der die Zirkulation und Modulation von 'Marx' in der Kunst verfolgt. Der Name, bzw. 'das' Bild (denn es ist im Wesentlichen nur 'ein' Bild, das wieder und wieder reproduziert wird) hat längst eine Funktion als Chiffre angenommen, die in gewisser Weise im Cover-Design des Sammelbandes wieder aufgegriffen wird, dessen Titel in leuchtenden Neon-Buchstaben eben jene Spannung zwischen radikalem Veränderungsanspruch und prompter Kommodifizierung auf den Punkt bringt, um die es Hartle geht, und die den Kern des ästhetisch-politischen Paradigmas markiert. So dient der Aufsatz zugleich als passende Zusammenfassung des ganzen Bandes, der sich auf höchst anregende Weise an der Erneuerung dieses Paradigmas versucht – bei aller zuweilen herausfordernden Dichte und auch angesichts des seltsamen Effekts, der sich für den deutschsprachigen Leser ergibt, wenn er die ursprünglich weitgehend auf Deutsch geführten Debatten (von Schiller über Freud bis Habermas) in englischer Übersetzung rezipiert. Diese Mühe ist das Buch allemal wert.
Der sogenannte affective turn, der in Medien- und Kulturwissenschaften bereits seit längerem zu verzeichnen ist und mittlerweile auch die Sozialwissenschaften erreicht hat, besitzt ganz offensichtlich politische Implikationen – insbesondere, aber nicht nur, für eine Kritik des Neoliberalismus. Diese sind auch von zahlreichen Forschern aufgegriffen und ausformuliert worden, etwa durch Michael Hardt und Antonio Negri, Lauren Berlant, Sara Ahmed oder Nigel Thrift. Der vorliegende Band, eine Sammlung von Interviews mit dem Philosophen und Affekttheoretiker Brian Massumi, verspricht zumindest in seinem Titel, diese Verbindung von Politik und Affekt auf eine systematische Grundlage zu stellen. Massumi gilt als Vorreiter eines vor allem von Deleuze und Spinoza inspirierten Strangs jüngerer Affekttheorie, der vornehmlich ontologisch argumentiert. In dieser Position ist er breit rezipiert und auch vielfach kritisiert worden. Die Interview-Sammlung dient dazu, seinen Ansatz ausführlich und gleichzeitig verhältnismäßig leicht zugänglich darzustellen. Die Form des Interviews begünstigt gewisse Vereinfachungen und tendiert zu einer Plakativität von Beispielen und Argumenten; gleichzeitig bürgt sie aber für eine Lebhaftigkeit und Nachvollziehbarkeit jenseits der Mühen der Ebene. Insofern kommt diese Form dem persuasiven, seinerseits deutlich auf Affizierung angelegten Stil Massumis entgegen. Wie konzeptualisiert Massumi nun das Verhältnis zwischen Affektivität und Politik? Diese Frage erweist sich schon zu Beginn als falsch gestellt, insofern Massumi zufolge dem Affekt die politische Dimension von vornherein inhärent ist: In beiden Fällen gehe es um Wandel und Veränderung – es gelte lediglich, diese Dimension zum Vorschein zu bringen (vgl. S. ix). Grundsätzlich ist das Programm sehr ambitioniert: Affekt wird einerseits als ontologisches Begründungskonzept eingeführt, das in letzter Konsequenz an die Stelle sowohl einer Medientheorie als auch einer Theorie des Politischen zu treten vermag – und zielt andererseits klar auf menschliche Erfahrung, die sich in Gefühlen wie Furcht und Stolz manifestiert. Was dabei als politisch verstanden wird, bleibt zunächst vage: es gehe um "the arena of social order and reorderings, of settlement and resistance, of clampdowns and uprisings" (S. viii–ix). Bestimmungen der jüngeren politischen Philosophie, etwa die Unterscheidung zwischen Politik und dem Politischen, spielen demzufolge kaum eine Rolle. Vielmehr leitet sich aus dieser Aufzählung eine Tendenz ab, Politik als Feld von Intensitäten und Energien und politisches Handeln als Aktivismus zu begreifen – eine Tendenz, die schon in der Verwendung des Affektbegriffs angelegt ist: "[…] I use the concept of 'affect' as a way of talking about that margin of manoeuvrability, the 'where we might be able to go and what we might be able to do' in every present situation." (S. 3) Die relationale Verschränkung von Körpern in Situationen, nicht das fühlende und denkende Individuum wird daher als primär gesetzt – Emotion sei dabei jener begrenzte Anteil affektiver Erfahrung, der aus persönlicher Perspektive Sinn ergibt. Damit legt Massumi eine einerseits elegante und andererseits etwas glatt erscheinende Begründung des Politischen vor: Die verkörperte Weise menschlichen Existierens "is never entirely personal […] it's not just about us, in isolation. In affect, we are never alone." (S. 6) Mit Körpern sind dabei im wesentlichen menschliche Körper gemeint – eine Fokussierung, die so weder bei Spinoza noch bei Deleuze zu finden ist, und die aus medientheoretischer Sicht nicht unmittelbar eingängig erscheint. Tatsächlich bringt Massumi seinen Ansatz explizit gegen Theorien medialer Vermittlung in Stellung (denen er vorwirft, den cartesianischen Dualismus zwischen Geist und Körper nur zu überbrücken, nicht aber aufzuheben; vgl. auch den Begriff der Immediation, S. 146–176). Daraus ergibt sich zwangsläufig die Frage nach der 'Natürlichkeit' des Affekts und nach dem Verhältnis zu Sprache und Diskurs. Hier weicht Massumi aus: "[Affect] includes very elaborated functions like language. There's an affect associated with every functioning of the body, from moving your foot to take a step to moving your lips to make words. Affect is simply a body movement looked at from the point of view of its potential […]." (S. 7) Man mag diese These als Versuch lesen, Medien- durch Affekttheorie zu ersetzen oder neu zu schreiben – und natürlich könnte man den Spieß umdrehen und kurzerhand Affekt als Medium konzipieren. Es erscheint jedoch nicht ausreichend, Sprache auf die Produktion von Wörtern, bzw. die Wortproduktion auf die Bewegung der Lippen zu reduzieren. Man ignoriert dabei zumindest eine historische Dimension der Bedeutungskonstitution, die nicht einfach aus der Akkumulation von Körperbewegungen besteht, sondern eine Dynamik eigenen Rechts entfaltet. Diese Blindheit auf dem Auge der Geschichte wird in der Auseinandersetzung mit medialen Phänomenen besonders deutlich. So eröffnet sich an einigen Stellen die überaus interessante Perspektive, das Konzept einer Politik des Affekts mit Jacques Rancières Konzept einer Politik des Ästhetischen zu verknüpfen (z.B. S. 36). Allerdings scheinen sowohl der Politikbegriff als auch jener des Ästhetischen zu eng – und diese enge Konzeption verbaut den Blick auf die historische Tiefendimension, etwa, wenn Massumi das Auftauchen der affektiven Kraft der Medien, bzw. ihres politischen Einflusses, an die Reifephase des Fernsehens bindet (vgl. S. 33) – als hätten Zeitungen, Kino und Theater stets nur sachliche Aufklärung betrieben, bzw. sich nicht in die Politik eingemischt. Der Sprung von der Ontologie in konkrete Beispiele wird an solchen Stellen nicht genügend durch Analyse vermittelt – so kann der grundlegende Zusammenhang zwischen Ästhetik und Politik nicht erkannt werden, sondern wird als Anomalie, bzw. als besondere aktivistische Haltung behandelt. Zudem wird die betonte Kontrastierung von Affekttheorie und kritischer Theorie (vgl. S. 14f.) durch die Kritik an der Rolle der Medien im gegenwärtigen Kapitalismus konterkariert. Andererseits finden sich erhellende Stellen und produktive Denkanstöße; so eröffnet z.B. Massumis Vorschlag, Sprache weniger als Korrespondenzverhältnis zwischen Signifikant und Signifikat zu verstehen, sondern eher als Weg, den Bedeutungsexzess affektiver Erfahrung ins Bewusstsein zu heben (vgl. S. 13), zahlreiche Anschlussmöglichkeiten an ästhetische Theorien, die diese historische Dimension betonen. Sprache hätte demnach die Doppelfunktion, Erfahrung sowohl zu erfassen als auch freizusetzen. Die Fokussierung des menschlichen Körpers gegenüber Körpern anderer Art wirft noch weitere Fragen auf: so erweckt die Rede vom Affekt als "Potential" an vielen Stellen den Anschein, als stehe es den Menschen frei, wie sehr sie dieses Potential zu nutzen gedenken: "Our degree of freedom at any one time corresponds to how much of our experiential depth we can access towards a next step – how intensely we are living and moving." (S. 6) Im Umkehrschluss heißt das: einige leben freier als andere. Und mehr noch: der politische Begriff der Freiheit läuft in dieser Bestimmung Gefahr, zum Merkmal eines privilegierten, weil irgendwie "intensiveren" Lebensgefühls zu verkümmern. Das auf das politische Gemeinwesen gerichtete Vermögen des Affekts zur Veränderung bliebe so zugunsten einer affirmativen Selbstfeier auf der Strecke – egal, wie sehr dieses Selbst sich mit anderen überschneidet ("Freedom always comes out of active embeddedness in a complex relational field […]", S. 161). Sobald Massumi die ontologische Ebene verlässt um konkret zu werden, gerät die Verbindung zwischen Affektivität und dem Politischen ins Wanken. So vermag z.B. seine Analyse des zeitgenössischen Kapitalismus (Anfang der 2000er formuliert) heute nicht mehr recht überzeugen – zu sehr bleibt sie den "buzzwords" (S. 22) der damaligen Zeit verpflichtet. Die von ihm diagnostizierte Tendenz des Warenverkehrs zum Immateriellen, einhergehend mit einem Verlust direkten zwischenmenschlichen Kontakts (vgl. S. 113) passt zwar sehr gut zu seiner theoretischen Agenda, ist jedoch mittlerweile ihrerseits als teleologisches Modell kritisiert worden. Immerhin ist diese diskursive Bewegung symptomatisch dafür, wie sehr ein Denken des Politischen unter dem Vorzeichen des Affekts zur ökonomischen Analyse wird (und vielleicht werden muss). In diesem Zusammenhang opfert Massumi gelegentlich theoretische Präzision zugunsten einer zu reibungslos anmutenden Beschreibung affektiver Ökonomien, etwa bezüglich des Ineinandergreifens von Patriotismus und Kapitalismus rund um 9/11 – hier wird nicht klar, wie die "affektive Umformung" ("affective conversion", S. 32) von Furcht vor Terror in Stolz auf das eigene Land vor sich gehen soll. Möglicherweise wird Massumis Projekt eher produktiv, wenn man es als Utopie begreift – Affekt als überschüssiges Potential selbst rigide kontrollierter Situationen (S. 58). Entsprechend müsste man Begriffe wie Mikropolitik (S. 47–82) als Grenzbegriffe verstehen, die sich zwar zeitphilosophisch herleiten, sich aber eben nicht ohne weiteres auf jene Phänomene übertragen lassen, die im Alltagsverständnis 'politisch' sind – etwa auf den Alarmismus der Bush-Regierung nach 9/11. Die Logik der Übertragung operiert hier kumulativ, im Sinne der Formung von Gewohnheiten und Tendenzen. Ein Ereignis ist jedoch mehr als die Summe einzelner Affizierungsakte; es unterbricht den linearen Verlauf der Zeit und öffnet die Sicht auf historische Zusammenhänge. Damit setzt es kritisches Potential frei, wobei 'kritisch' nicht zufällig auf den Konnex zwischen Krise und Kritik hinweist. Die pauschale Abgrenzung gegen die kritische Theorie, der Massumi vorwirft, sie objektiviere und fixiere ihren Gegenstand auf unzulässige Weise, erscheint so als fatale Beschneidung des affekttheoretischen Ansatzes. Massumi verkennt, dass wahre Kritik, wie etwa Jean-Luc Nancy betont, stets aus der Notlage, aus der Krise heraus operiert und sich daher den Standpunkt immer erst erarbeiten muss, von dem aus geurteilt werden kann. Ein solcher fester Standpunkt trägt für Massumi den Namen der Moral und vor allem den der Emotion, die als Gegenbegriff zum Affekt aufgebaut wird. Sie lenke die Energie des Affekts in konventionelle Bahnen, lasse das mit ihm verbundene Potential verkümmern. Hierin liegt schließlich die affekttheoretische Crux von Massumis Politikbegriff: ohne eine Instanz, die aus dem Affektgeschehen Sinn extrahiert, sich positioniert und zustimmt oder ablehnt, ist nicht ersichtlich, wie eine Intervention in die reibungslosen Kreisläufe der Affektökonomien – und damit politisches Handeln – möglich sein soll. Eine solche Instanz muss dazu mit dem Diskurs in Beziehung treten, ohne dass sie zwangsläufig rationalisierend wirken müsste (vgl. S. 115). Das transformative Potential des Affekts braucht Akte der Aneignung, braucht den Widerstand eines Urteils, soll es politisch wirksam werden. Keineswegs wäre es dazu erforderlich, das psychologische Individuum primär zu setzen. Erforderlich wäre aber eine Analyse der Handlungsweisen unter dem Gesichtspunkt der Hervorbringung des Neuen und der Konstitution historischer Erfahrungsräume. Massumis detaillierte Beschreibungen affektiver Vollzüge sind dazu ein erster Schritt. Der Wert des Buches bestünde, so gesehen, nicht darin, dass Massumi fertige Rezepte für die Formulierung einer Theorie des Politischen lieferte – darin liegt auch gewiss nicht seine Absicht. Ihre Produktivität entfalten könnten seine Überlegungen als radikaler Grenzanspruch, der beispielsweise keine simple Abgrenzung einer 'Sphäre' des Politischen oder der Öffentlichkeit mehr erlauben würde. Obwohl also der "turn to affect" keineswegs eine neue Erscheinung ist, und obwohl das vorliegende Buch Massumis durchaus kontroversen Ansatz erschöpfend zu behandeln scheint, wäre damit eher ein Anfang gemacht als das letzte Wort in Sachen "Politik des Affekts" gesprochen.
Das Handbuch führt erstmals die vielseitigen Traditionen der Emotionsforschung zusammen. Den Anfang macht eine historische Betrachtung der Emotions- und Affekttheorien von der Antike bis zur Moderne. Dem folgt eine umfassende Übersicht zentraler Emotionskonzepte der Gegenwart, wie sie in Psychologie und Philosophie diskutiert werden. Vor dem Hintergrund dieser Konzepte und ihrer historischen Verortung entfaltet das Handbuch eine umfassende Typologie der Emotionen. Verschiedenste Komplexe - wie etwa Trauer, Melancholie und Depression oder Freude, Glück und Wohlbefinden - werden jeweils in den Sichtweisen unterschiedlicher Disziplinen dargelegt, darunter Ethnologie, Philosophie, Literaturwissenschaft, Soziologie, Psychologie. Abschließend werden entlang zentraler Konzepte wie Sprache, Kultur, Politik und Medien vier wesentliche Fluchtlinien aktueller Emotionsforschung entfaltet, welche den Horizont einzelner Disziplinen überschreiten und entsprechend in interdisziplinärer Perspektive erschlossen werden. I. Grundlagen.- II. Typologie der Emotionen.- III. Interdisziplinäre Perspektiven.- IV. Anhang
Many claim that political deliberation has become exceedingly affective, and hence, destabilizing. The authors of this book revisit that assumption. While recognizing that significant changes are occurring, these authors also point out the limitations of turning to contemporary democratic theory to understand and unpack these shifts. They propose, instead, to reframe this debate by deploying the analytic framework of affective societies, which highlights how affect and emotion are present in all aspects of the social. What changes over time and place are the modes and calibrations of affective and emotional registers. With this line of thinking, the authors are able to gesture towards a new outline of the political.
Many claim that political deliberation has become exceedingly affective, and hence, destabilizing. The authors of this book revisit that assumption. While recognizing that significant changes are occurring, these authors also point out the limitations of turning to contemporary democratic theory to understand and unpack these shifts. They propose, instead, to reframe this debate by deploying the analytic framework of affective societies, which highlights how affect and emotion are present in all aspects of the social. What changes over time and place are the modes and calibrations of affective and emotional registers. With this line of thinking, the authors are able to gesture towards a new outline of the political.