Modernität und Trauma: Beiträge zum Zeitenbruch des Ersten Weltkrieges
In: Edition Parabasen
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In: Edition Parabasen
Musil entwickelt seine literarische Ganzheitsreflexion in enger Auseinandersetzung mit der Wissenschaft seiner Zeit: von der Gestaltpsychologie bis hin zur Thermodynamik, wie Inka Mülder-Bach in ihrer Lektüre des "Mann ohne Eigenschaften" zeigt. Musils Text sei einerseits von zahlreichen Dualismen geprägt, andererseits erteile er einem 'klassischen' Verständnis von Teil und Ganzheit eine deutliche Absage. Einem Briefpartner beschied Musil 1931 kurz und bündig: "Eine Totalität lässt sich nicht durch noch so viele Einzelheiten darstellen." Zentral ist hierbei nicht zuletzt der Begriff der Darstellung. Totalität wird bei Musil in erster Linie zu einem Problem des eigenen literarischen Verfahrens. Mülder-Bach legt dar, dass das Phänomen der Ganzheit unzählige Aspekte seiner Schreibweise tangiert: vom Wortbau über die Syntax und die Metaphorik bis hin zu der für die Darstellungsebene des Romans zentralen Form des 'Gleichnisses'. Auch die politische Prekarität 'Kakaniens' oder das Geschwisterverhältnis seien als Spiegelungen und Ausdruck der Ganzheitsproblematik zu begreifen. Den Umgang mit Figuren der Vielfalt, der Vollständigkeit, der Teilung, der Verdopplung, der Mitte, der Grenze, der Symmetrie oder des Gleichgewichts sieht Mülder-Bach dabei oft in zunächst paradox erscheinende Versuche einmünden, Trennung und Verbindung irgendwie zusammenzuziehen oder gar zu vereinen. Auch die bekannte auf die Geschwister gemünzte Wendung der "Ungetrennten und Nichtvereinten" erschließe sich erst vor diesem Hintergrund. Angesichts des fragmentarischen Charakters des Romans seien alle Musil'schen Antworten auf das Ganzheitsproblem freilich als "tentativ" zu begreifen.
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Keine andere Figur verletzt so eklatant die ungeschriebenen Regeln des Spiels, als das sich soziale Interaktion im aristokratischen Milieu von Hofmannsthals Komödie »Der Schwierige« gestaltet, wie der neu eingestellte Diener Vinzenz, der eben deshalb das Privileg erhält, den Vorhang über dem Spiel zu heben. Als Vinzenz in der ersten Szene des ersten Akts in die Räumlichkeiten des Bühlschen Palais eingeführt wird, unterrichtet er das Publikum nicht nur über den zeitgeschichtlichen Kontext des Stücks und die Lebensverhältnisse seines Protagonisten. Er bringt die Sprache auch umgehend auf jenen "Punkt", der sich für alle Beteiligten als der "Hauptpunkt" erweisen wird. "Jetzt kommt alles darauf an: geht er [Bühl] mit der Absicht um, zu heiraten?", eröffnet er dem alten Diener Lukas und fügt erläuternd hinzu: "Wenn er sich die Verwandten da ins Haus setzt, heißt das soviel als: er will ein neues Leben anfangen. Bei seinem Alter und nach der Kriegszeit ist das ganz erklärlich." Inmitten der epochalen Katastrophe des Ersten Weltkriegs eine Komödie zu schreiben, die das konventionelle Komödienthema der Heirat im konventionellsten Komödienschema des Missverhältnisses von Absicht und Verwirklichung an einigen Repräsentanten des Wiener Hochadels durchspielt, welche den Krieg weitgehend unbeschadet überstanden haben - dass diese Konstellation beim zeitgenössischen Publikum für Irritationen sorgen könnte, hat Hofmannsthal zumindest geahnt.
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In: Anfänge
In: Schöningh and Fink Literature and Culture Studies E-Books, Collection 2007-2012, ISBN: 9783657100057
Preliminary Material /Aage Hansen-Löve , Annegret Heitmann and Inka Mülder-Bach -- Vorwort /Aage Hansen-Löve , Annegret Heitmann and Inka Mülder-Bach -- "Ankommende Erregungsgrößen". Zur Einführung /Inka Mülder-Bach -- Ankunft und Abenteuer. Philosophische Anmerkungen zu Zeiterfahrungen um 1900 im Ausgang von Émile Zola und Georg Simmel /Dieter Thomä -- Der Erscheinende. Stefan Georges epiphane Augenblicke /Ulrich Raulff -- Skeptisch verweigerte Ankunft. Franz Overbecks Diastase von wahrem Christentum und moderner Kultur /Friedrich Wilhelm Graf -- Das Rätsel der Ankunft. Zwei Kolonialreisen um 1900 /Tobias Döring -- Figuren der Ankunft im russischen Symbolismus um 1900 /Aage A. Hansen-Löve -- Ausgesetzte Niederkunft – Genealogische Figurationen der Ankunft im 20. Jahrhundert /Annette Keck -- Erscheinung und Zeremonie. Ankunftsszenen bei Hugo von Hofmannsthal /Juliane Vogel -- Ankunft des Fremden. Zur Identitätsformel in Rilkes Einakter Die weiße Fürstin /Gerhard Neumann -- Folgenlose Auftritte. Ankunftsszenen im Drama der frühen Moderne /Erika Greber and Annegret Heitmann -- Das Intervall der Versagung. Ankunftsfiguren zwischen Anfang und Ende in Maurice Maeterlincks Les aveugles und Émile Zolas La bête humaine /Kurt Hahn -- Die verwehrte Ankunft. Warten auf Mallarmés Livre /Lars Schneider -- (Un-)Vermittelte Anfänge. Eine kurze Geschichte der weltweiten Blumengrüße /Markus Krajewski -- Kamera-Aggressionen: Technisch-erotische Annäherungen im frühen britischen Film (1895–1901) /Natascha Drubek-Meyer -- Beiträgerinnen und Beiträger /Aage Hansen-Löve , Annegret Heitmann and Inka Mülder-Bach.