Die Autoren der Beiträge zeigen Merkmale und Varianten bevölkerungsbezogener Forschungen und ihre Anwendungen in der NS-Zeit. Im Mittelpunkt stehen Zusammenhänge zwischen der deutschen Bevölkerungswissenschaft und der Bevölkerungspolitik des NS-Staates. Erörtert werden Aspekte der Verbindungen von Wissenschaft und Politik und ihre wechselseitigen Instrumentalisierungen wie zum Beispiel die bevölkerungswissenschaftliche Handhabung empirischer Daten zur Prüfung von Hypothesen.
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Bevölkerungswissenschaft ist die empirische Analyse und akademische Lehre von Bevöl kerungen, von ihren Strukturen und Veränderungen sowie von deren Ursachen und Fol gen. Wie Bevölkerungen zu definieren sind, beschreibt die altehrwürdige Lehre von den 1 Modellen der Demographie. Dieses Verständnis ist seit Jahrzehnten weltweit unstrittig • Mit dieser Definition ihres Faches wehren sich Bevölkerungswissenschaftler dagegen, für Denkansätze und Handlungsweisen in Anspruch genommen zu werden, denen andere Wissenschaftskonzepte, andere Intentionen und ein anderes Politikverständnis zugrunde liegen. Der Unterschied wird namentlich im Verhältnis zu Politik im weitesten Sinne deutlich. Bevölkerungswissenschaft will in ihrem Zweig "Bevölkerungspolitik" nichts an deres als jede Politikwissenschaft: Sie will empirisch fundierte Informationen zu den Ziel Mittel-Verbindungen von Politiken beisteuern, für welche demographische Bedingungen im Ursachen-oder Folge-Zusammenhang bedeutsam werden können. Ein solches Selbstverständnis der Bevölkerungswissenschaft ist in Deutschland in den letzten Jahrzehnten von Personen erarbeitet worden, die den Nachkriegsgenerationen an gehören. Sie stehen weltweit in engem Austausch mit den Kollegen anderer Länder; die internationale Literatur hat sie geprägt und bestimmt ihre Ambitionen.
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Eine Geschichte der modernen Bevölkerungswissenschaft fehlt bis heute. Nationale Spezifika prägten entscheidend diese Disziplin in ihrer jeweiligen Ausgestaltung wie in ihren akademischen Verankerungen. Besonderheiten und Kontinuitäten der Entwicklungen der Bevölkerungswissenschaft zeigt der Beitrag am Beispiel USA und Deutschland und benennt einschneidende Brüche: In Deutschland führte der politische Bruch 1933 zum Verlust von theoretischen Konzeptionen und zur Unterordnung der Bevölkerungswissenschaft unter die 'Volkslehre'. In der US-amerikanischen Bevölkerungswissenschaft richtete sich seit Ende der 1930er Jahre das Interesse verstärkt auf internationale Probleme. Nach 1945 fand in Deutschland nur eine tendenziell auf Bevölkerungsstatistik reduzierte Bevölkerungswissenschaft den Anschluss an die angloamerikanischen bevölkerungswissenschaftlichen Diskussionen. ; Until today, a history of modern population science is still missing. National specifics are responsible for the different character and academic significance of population science. A comparison of national histories of demography in the USA and Germany emphasises characteristics and continuities but on the other hand far-reaching breaks: While in Germany, the political upheaval of 1933 led to an erosion of theoretical concepts and to an integration of demography into the subject of 'Volkslehre', beginning in the late 1930s, US-American demographers increasingly directed their interests towards international problems. After 1945, only population statistics, a reduced part of German population science, managed to catch up with Anglo-American approaches.
'Eine Geschichte der modernen Bevölkerungswissenschaft fehlt bis heute. Nationale Spezifika prägten entscheidend diese Disziplin in ihrer jeweiligen Ausgestaltung wie in ihren akademischen Verankerungen. Besonderheiten und Kontinuitäten der Entwicklungen der Bevölkerungswissenschaft zeigt der Beitrag am Beispiel USA und Deutschland und benennt einschneidende Brüche: In Deutschland führte der politische Bruch 1933 zum Verlust von theoretischen Konzeptionen und zur Unterordnung der Bevölkerungswissenschaft unter die 'Volkslehre'. In der US-amerikanischen Bevölkerungswissenschaft richtete sich seit Ende der 1930er Jahre das Interesse verstärkt auf internationale Probleme. Nach 1945 fand in Deutschland nur eine tendenziell auf Bevölkerungsstatistik reduzierte Bevölkerungswissenschaft den Anschluss an die angloamerikanischen bevölkerungswissenschaftlichen Diskussionen.' (Autorenreferat)
Vor 1952 hatte die Demographie in Deutschland keine organisierte Struktur, keine wissenschaftliche Einrichtung, Zeitschrift oder Organisation. Eine Untersuchung der deutschen Demographie zwischen 1920 und 1950 musste sich daher eine empirische Basis schaffen. Eine Analyse von Publikationen aus den Bereichen Demographie und Wissenschaftsgeschichte ergab eine Liste von 391 Autoren, die in der Literatur genannt worden waren oder selbst einschlägig publiziert hatten. Diese Autoren repräsentieren eine Vielzahl von Disziplinen. Veröffentlichungsort ist in der Regel Berlin. Nur wenige Autoren tauchen in allen Quellen auf. Die Autoren sind über die Geburtskohorten zwischen 1860 und 1910 relativ gleich verteilt. Demographen zitieren jedoch zunehmend ältere, Historiker jüngere Autoren. Demographen zitierten mehr Autoren aus dem Bereichen Statistik, Mathematik, Wirtschaftswissenschaften und Anthropologie, Historiker eher Soziologen, Philosophen, Hygieniker und Geschichtswissenschaftler. 25 der zitierten Autoren mussten Deutschland im Dritten Reich verlassen, 67 starben in oder nach dem Krieg, 60 setzten ihre akademische Karriere nach 1945 fort, 22 von ihnen in offiziellen Funktionen und Ämtern. Bei den zitierten Verfassern handelt es sich also offensichtlich nicht um eine homogene Gruppe, auch nicht bezüglich ihrer Haltung zum Nationalsozialismus. Ihre Publikationen haben wissenschaftlichen, populärwissenschaftlichen oder politischen Charakter. (ICEÜbers)