Unser Gesundheitssystem ist in Wahrheit ein Krankheitssystem. Obwohl die moderne Medizin wahre Wunder vollbringt, steht sie vielen Alltagserkrankungen ratlos gegenüber. Klaus Michael Meyer-Abich, Naturwissenschaftler und Philosoph zugleich, setzt sich systematisch mit den Defiziten der Schulmedizin auseinander. Er plädiert für ein neues Selbstverständnis, das nicht mehr auf den kranken Menschen fixiert ist, sondern die Gesundheit in den Mittelpunkt rückt. Seine Philosophie der Medizin richtet sich an alle, die sich für eine menschliche und bezahlbare Medizin einsetzen.
Das Interesse an der wissenschaftlichen Verwertung embryonaler Stammzellen hat zu einer neuerlichen Debatte darüber geführt, von wann an ein menschlicher Embryo bereits menschliche Qualitäten habe. Man hat diese Frage bisher durchweg auf den Entwicklungsstand des individuellen Zellgebildes bezogen, sie damit aber nach Meinung des Autors falsch gestellt, denn die Menschenwürde ist vor allem ein gesellschaftlicher Wert. Ob einem menschlichen Embryo schon mit der Zeugung oder erst mit einem späteren Entwicklungsstadium die Menschenwürde zukommt, hängt davon ab, was man unter einem Menschen und seiner Würde versteht. Im Sinne des Menschenbilds, dass jede Individuation Ausdruck eines vorgängigen Mitseins ist, ergibt sich die allen Individuen gemeine Würde "des" Menschen primär als ein mitmenschliches oder gesellschaftliches Verhältnis, an dem der Einzelne teilhat. Die gesellschaftliche Menschenwürde kommt dem Embryo danach bereits mit der Befruchtung zu. Ihre jeweilige Individuation folgt dann seiner weiteren Entwicklung. (ICI2)
"In dem Gegensatz von 'schwacher' und 'starker' Nachhaltigkeit geht die schwache nicht weit genug zum Schutz der Natur, die 'starke' hingegen zu weit, weil sie der Wirtschaft unnötig scharfe Grenzen setzen würde. Sinnvoller wäre das positive Ziel, die Wirtschaft zu rekultivieren. Dem steht allerdings das Dreisäulentheorem der Gleichgewichtigkeit ökologischer, sozialer und ökonomischer Ziele entgegen. Hierzu wird eine radikale Anhebung der Erbschaftssteuer vorgeschlagen." (Autorenreferat)
In: Umweltpolitik und Staatsversagen: Perspektiven und Grenzen der Umweltpolitikanalyse ; Festschrift für Martin Jänicke zum 60. Geburtstag, S. 183-189
Ausgehend von Feststellungen wie der "Unregierbarkeit" der Industriegesellschaften, der zunehmend nur noch "symbolischen Politik", der "Entzauberung des Staates" oder des "Staatsversagens" werden die Gesellschaft und die Wirtschaft charakterisiert als Bereiche "subjektloser Herrschaft", in denen Entscheidungen fallen, ohne eigentlich gefällt zu werden: "Wir haben jetzt wohl den Staat und die Wirtschaft, die wir verdienen. Eigentlich aber sollten wir einen besseren Staat und eine bessere Wirtschaft verdienen. Eine bessere Wirtschaft wäre als unser aller Wirtschaft eine demokratisch mündige Wirtschaft, die den Staat nicht verbraucht, sondern sich von ihm im öffentlichen Interesse Grenzen setzen läßt - auch Grenzen der Globalisierung." (pra)
Ausgehend von der Frage, was sich ändern muß, wenn in Zukunft umweltverträglich und sozialverträglich gehandelt und gewirtschaftet werden soll, wendet sich der Beitrag jenseits aller Zuschreibungen derzeitiger Versäumnisse grundsätzlich dem Verhältnis der Gesellschaft zur Natur zu, wobei Gesellschaft verstanden wird als Lebensform des Naturwesens Mensch. Es wird gefragt, was es zu tun gilt, um die Zerstörungen nicht nur zu kompensieren, sondern auch etwas dagegen zu tun. Drei Bereiche werden beschrieben, in denen die politische Ethik der politischen Bildung bedarf: (1) Übersetzung naturwissenschaftlicher in gesellschaftliche Verhältnisse oder naturwissenschaftlicher Entwicklungen in Lebensverhältnisse; (2) Bedürfnisbildung; (3) Demokratisierung der Wissenschaft. Konsequenzen dieser Bereiche für verschiedene Aspekte des politischen Bildung werden diskutiert. Insgesamt werden Umweltverträglichkeit und Sozialverträglichkeit als die neuen Grundsätze der politischen Ethik und des politischen Handelns erkannt. (ICA)
"Um die Wende zum 20. Jahrhundert schien die Industriegesellschaft es mit der Erfüllung des Sicherheitsbedürfnisses ziemlich weit gebracht zu haben (Rechtsstaat, materieller Wohlstand, Sozialstaat). Nun von der Wohlstandsgesellschaft in die Risikogesellschaft geraten zu sein, ist ein die Öffentlichkeit wie die Wissenschaft zutiefst irritierender Befund. Der Autor zeigt, daß die bisherige Risikodiskussion in eine Aporie gerät, wenn man aus unzulässige Vereinfachungen verzichtet, und entfaltet dazu die Sicherheitsfrage vom Versicherungswesen bis zur Schadenswertanalyse und bis zu der Forderung, nicht nur technische, sondern auch soziale Sicherheit zu gewährleisten. Aus dieser Aporie heraus wird der Diskussion eine neue Richtung gegeben: Wissenschaftler und Ingenieure dürfen sich ihre Arbeit nicht dadurch erleichtern, daß sie die Besserung der Menschheit noch dringlicher machen, als sie es ohnehin schon ist. Sicher können nur diejenigen technischen Entwicklungen sein, die dazu beitragen, daß die gesellschaftlichen Konflikte weniger zerstörerisch ausgetragen werden als bisher, die also jedenfalls auch mit noch so kleiner Wahrscheinlichkeit nicht katastrophenträchtig sind und leichter wieder abgeschafft als eingeführt werden können." (Autorenreferat)
Der Autor beschreibt unter ökologischen Aspekten den Zusammenhang und die Auswirkung der wissenschaftlichen Sichtweisen von Natur bzw. technischer Innovation und sozialer Konstruktion bzw. gesellschaftlicher Wirklichkeit. Den Sozialwissenschaften kommt die bisher stark vernachlässigte interdisziplinäre Aufgabe zu, die von den Naturwissenschaften bereitgestellten Innovationen nicht nur als eine soziale Konstruktion, sondern auch in ihrer Bedeutung innerhalb der gesellschaftlichen Wahrnehmung der Umwelt zu erfassen, und so die notwendige Einheit von sinnlicher und geistiger Erfahrung zu gewährleisten, bzw. in das technologiepolitische Bewußtsein zu rufen. (HD)