Die geringe Wahlbeteiligung bei den Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2024 in Polen war nicht nur der Ermüdung aufgrund des laufenden Wahlmarathons sowie dem langweiligen Wahlkampf geschuldet. Sie verweist auch auf das geringe Wissen über das Europaparlament und die Europäische Union sowie auf die langjährige politische Strategie der Vorgängerregierung, die EU für Krisen verantwortlich zu machen. Zwar ging die Bürgerplattform (Koalicja Obywatelska – KO) von Ministerpräsident Donald Tusk als Wahl- gewinner hervor. Ihr nur symbolischer Sieg bedeutet jedoch auch, dass die polnischen Wähler populistische, antieuropäische oder extrem rechte Politiker als ihre Vertreter ins Europaparlament schicken. Die politische Polarisierung der polnischen Gesellschaft besteht fort.
Seit dem 24. Februar 2022, als Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine begann, überquerten mehr als sieben Millionen Ukrainer – mehrheitlich Frauen und Kinder – die polnische Grenze. Bisher kehrten fünf Millionen in die Ukraine zurück. Daten des Polnischen Entwicklungsfonds (Polski Fundusz Rozwoju) zufolge halten sich in Polen aktuell knapp eineinhalb Millionen Geflüchtete aus der Ukraine auf, 93 Prozent sind Frauen und Kinder. Die Hälfte sind Menschen im erwerbsfähigen Alter, von denen 65 Prozent arbeiten. Gründe dafür, dass die größte Gruppe der ukrainischen Geflüchteten gerade in Polen Schutz fand, sind die geografische Nähe und die Ähnlichkeit der Sprache und Kultur. Ein weiterer Grund ist die Offenheit der Polen, die in einem bisher nicht gekannten Ausmaß aktiv wurden, um den östlichen Nachbarn zu helfen – und das trotz der gegen Geflüchtete gerichteten Regierungsnarration, die seit einigen Jahren allgegenwärtig ist, der fehlenden Vorbereitung der polnischen Gesellschaft auf eine so große Flüchtlingswelle sowie mangelnder realer Unterstützung vonseiten der Zentralregierung für die kommunale Selbstverwaltung, Hilfsorganisationen und Privatpersonen, welche die Flüchtlinge in den ersten Kriegswochen unterstützten. Schließlich brachte die Zentralregierung Flüchtlingshilfen in Form von Sondergesetzen auf den Weg, welche die Geflüchteten mit den polnischen Bürgern rechtlich de facto gleichstellten. Im Ergebnis verbesserten die Hilfsmaßnahmen für Flüchtlinge aus der Ukraine für eine gewisse Zeit das Ansehen Polens im Ausland (insbesondere in den westlichen Staaten), das aufgrund des Konfliktes mit der EU und den die Demokratie abbauenden Entwicklungen stark angekratzt war. Allerdings ist bereits deutlich geworden, dass die polnische Regierung, verhaftet in ihrer eigenen gegen die EU gerichteten Narration, nicht im Stande war, dies zu nutzen.
In Polen ist eine neue gesellschaftliche Bewegung entstanden, die trotz Corona-Pandemie in Massen auf den Straßen der polnischen Städte protestiert. Wird sie etwas in der polnischen Politik verändern? Aufgrund der großen Unsicherheit infolge der Corona-Pandemie, aber auch des angedrohten Vetos der polnischen Regierung gegen das EU-Haushaltspaket ist es schwer, vorherzusagen, welche Ereignisse Chancen haben, in allernächster Zeit auf eine echte politische Veränderung in Polen hinzuwirken. Zweifellos wird aber eine wesentliche kulturelle Veränderung eintreten – die Abkehr der Polen, insbesondere der jungen Menschen, von der Religiosität und das zunehmende Bedürfnis, die Gleichheit der Geschlechter sowie auch der LGBT+-Personen zu garantieren. Diese kulturelle Veränderung treibt die gesellschaftliche Bewegung an, die vom Netzwerk »Landesweiter Frauenstreik« (Ogólnopolski Strajk Kobiet) organisiert wird. Sie kann der wichtigste Faktor sein, der dem Regierungslager der Vereinigten Rechten (Zjednoczona Prawica) in den kommenden Wahlen die Macht entzieht – unabhängig davon, ob die Wahlen ins Frühjahr 2021 vorgezogen oder regulär erst in drei Jahren stattfinden werden. Allerdings wird auch viel davon abhängen, inwieweit die Opposition fähig sein wird, das Potential der Bewegung zu nutzen.
In Polen ist eine neue gesellschaftliche Bewegung entstanden, die trotz Corona-Pandemie in Massen auf den Straßen der polnischen Städte protestiert. Wird sie etwas in der polnischen Politik verändern? Aufgrund der großen Unsicherheit infolge der Corona-Pandemie, aber auch des angedrohten Vetos der polnischen Regierung gegen das EU-Haushaltspaket ist es schwer, vorherzusagen, welche Ereignisse Chancen haben, in allernächster Zeit auf eine echte politische Veränderung in Polen hinzuwirken. Zweifellos wird aber eine wesentliche kulturelle Veränderung eintreten - die Abkehr der Polen, insbesondere der jungen Menschen, von der Religiosität und das zunehmende Bedürfnis, die Gleichheit der Geschlechter sowie auch der LGBT+-Personen zu garantieren. Diese kulturelle Veränderung treibt die gesellschaftliche Bewegung an, die vom Netzwerk "Landesweiter Frauenstreik" (Ogólnopolski Strajk Kobiet) organisiert wird. Sie kann der wichtigste Faktor sein, der dem Regierungslager der Vereinigten Rechten (Zjednoczona Prawica) in den kommenden Wahlen die Macht entzieht - unabhängig davon, ob die Wahlen ins Frühjahr 2021 vorgezogen oder regulär erst in drei Jahren stattfinden werden. Allerdings wird auch viel davon abhängen, inwieweit die Opposition fähig sein wird, das Potential der Bewegung zu nutzen.
"The book provides analysis of causes of democratic backsliding in Poland. The authors propose to take a closer look at historical and identity aspects, economic factors, social and political polarization, institutions, parties and role of external factors (e.g. European Union) - as issues strongly contributing to this process"--