Jesus, Nietzsche und Trump. Wahrheit, Irrtum und Lüge in Religion, Philosophie und Politik
Erkenntnisse im Sinne von wahren Erkenntnissen und Irrtümer im Sinne von nachweislich irrtümlichen oder irreführenden Behauptungen gibt und gab es in der Theologie, in der Philosophie und in der Politik. Für die genannten drei Bereiche stehen die Namen Jesu, Nietzsches und Trumps. Donald Trump und die mit seinem Namen verknüpften «alternative facts» beziehungsweise «fake news» stehen für einen Politikstil, bei dem die Grenzen zwischen Wahrheit, Irrtum und Lüge fatal verschwimmen. Dabei erinnert an Trumps Gebaren manches an den von Nietzsche divinierten Übermenschen. Natürlich: Trump ist nicht der «Übermensch». Aber Nietzsche argumentierte leidenschaftlich dafür, das Konzept Wahrheit als Ganzes zu verabschieden. Massgeblich ist nur, was der Übermensch sagt. Nietzsches entschiedene Reserve gegenüber dem Wahrheitsparadigma erreicht einen Höhepunkt in dem berühmten Satz: «Wahrheit ist die Art von Irrtum, ohne welche eine bestimmte Art von lebendigen Wesen nicht leben könnte». Nietzsches Kritik am Wahrheitsparadigma zielte vor allem auch auf das christliche Wahrheitsverständnis. Ein an dieser Stelle einschlägiger Spitzensatz Jesu lautet: «Ich bin […] die Wahrheit» (Joh 14, 6) - ein Satz, der leider auch zum Ausgangspunkt zum Teil verheerender Irrtümer geworden ist. Jesus, Nietzsche und Trump stehen für ganz unterschiedliche Sortierungen von Wahrheitserkenntnis und Irrtum. Hier tut sich eine reizvolle Konstellation auf, die in einen systematischen Zusammenhang gebracht wird und auf die Frage zielt: Was bedeutet das für unsere Rede von Wahrheitserkenntnis und Irrtum?