Der Vortrag beschäftigt sich maßgebend mit der Frage, ob ein Umbau des Sozialstaates möglich ist, der sowohl das grundlegende Niveau von Sozialleistungen als auch weiterhin gesicherte Wettbewerbsfähigkeit zu realisieren vermag und wie in diesem Kontext eine klare Vorstellung der zukünftigen Gesellschafts- und Sozialstruktur entwickelt wird.
Der Begriff der Freiheit wird in der Covid-19-Pandemie häufig gegen einen Staat in Stellung gebracht, der aus Gründen des Infektionsschutzes gravierend in die Gestaltung des Alltagslebens der Bürger* innen eingreift. In der Auseinandersetzung um den Freiheitsbegriff dürfte sich entscheiden, welche staatlichen Maßnahmen legitimierbar sind. Ein Verständnis von Pandemie und Pandemie-Bekämpfung ist jedoch auf der Basis eines liberalen Freiheitsbegriffs nicht angemessen möglich, der Unfreiheit erst mit der staatlichen Intervention entstehen sieht. Die Freiheits-Frage stellt sich aber bereits beim Ausbruch der Pandemie, also vor aller staatlichen Intervention. Pandemie als sozio-naturaler Zustand ist per se Unfreiheit. Stattdessen ist ein sozialstaatliches Freiheitsverständnis zu entwickeln, das es erlaubt, staatliche Intervention zunächst als Reaktion auf einen Zustand der Unfreiheit zu verstehen. Der Beitrag analysiert detailliert das Spektrum möglicher Formen gesellschaftlicher und politischer Steuerung in Zeiten der Covid-19-Pandemie. Der in der Bundesrepublik Deutschland eingeschlagene Weg staatlich-appellativer Steuerung konkurriert mit Steuerungsmodellen einer Diskriminierung nach Risikogruppen und einer digitalen Präventionsstaatlichkeit, beide mit bedenklichen Folgen für die Freiheit des Einzelnen. Eine angemessene Steuerungsform, die auch Umstellung der Infektionsschutzpolitik von einer polizeirechtlichen zu einer sozialpolitischen Regulierung impliziert, muss auf ein sozialstaatlich ausgerichtetes Verständnis von Freiheit gegründet werden, das seine letztliche Verankerung im Begriff sozialer Freiheit hat.
Kausale Mechanismen und Process Tracing stehen im Zentrum der Methodendiskussion in der Politikwissenschaft. Die beiden Begriffe werden jedoch häufig nur als Schlagworte verwendet. Dieses Buch zeigt, wie Politikforschung mittels Process Tracing systematisch angelegt und wie politische Prozesse mittels kausaler Mechanismen im Detail besser verstanden und erklärt werden können. Es beleuchtet Geschichte und theoretische Grundlagen des Konzepts der kausalen Mechanismen und stellt eine Weiterentwicklung zu einer Theorie kausaler Mechanismen vor. Darüber hinaus wird erläutert, wie in der sozialwissenschaftlichen Literatur bereits identifizierte Mechanismen zur Erklärung politischer Entwicklungen genutzt werden können. Ein Leitfaden zur Vorgehensweise mittels Process Tracing bietet abschließend eine Hilfe zur eigenständigen Analyse politischer Prozesse durch Forscher_innen und Studierende. https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/
Der Begriff der Freiheit wird in der Covid-19-Pandemie häufig gegen einen Staat in Stellung gebracht, der aus Gründen des Infektionsschutzes gravierend in die Gestaltung des Alltagslebens der Bürger* innen eingreift. In der Auseinandersetzung um den Freiheitsbegriff dürfte sich entscheiden, welche staatlichen Maßnahmen legitimierbar sind. Ein Verständnis von Pandemie und Pandemie-Bekämpfung ist jedoch auf der Basis eines liberalen Freiheitsbegriffs nicht angemessen möglich, der Unfreiheit erst mit der staatlichen Intervention entstehen sieht. Die Freiheits-Frage stellt sich aber bereits beim Ausbruch der Pandemie, also vor aller staatlichen Intervention. Pandemie als sozio-naturaler Zustand ist per se Unfreiheit. Stattdessen ist ein sozialstaatliches Freiheitsverständnis zu entwickeln, das es erlaubt, staatliche Intervention zunächst als Reaktion auf einen Zustand der Unfreiheit zu verstehen. Der Beitrag analysiert detailliert das Spektrum möglicher Formen gesellschaftlicher und politischer Steuerung in Zeiten der Covid-19-Pandemie. Der in der Bundesrepublik Deutschland eingeschlagene Weg staatlich-appellativer Steuerung konkurriert mit Steuerungsmodellen einer Diskriminierung nach Risikogruppen und einer digitalen Präventionsstaatlichkeit, beide mit bedenklichen Folgen für die Freiheit des Einzelnen. Eine angemessene Steuerungsform, die auch Umstellung der Infektionsschutzpolitik von einer polizeirechtlichen zu einer sozialpolitischen Regulierung impliziert, muss auf ein sozialstaatlich ausgerichtetes Verständnis von Freiheit gegründet werden, das seine letztliche Verankerung im Begriff sozialer Freiheit hat.
Michael J. Sandel: Vom Ende des Gemeinwohls - Wie die Leistungsgesellschaft unsere Demokratien zerreißt. Frankfurt am Main: S. Fischer 2020. 978-3-10-390000-2
"Unter dem Pflaster liegt der Strand" war eine Parole der Situationistischen Internationale, des Mai 1968 in Frankreich sowie der Titel einer deutschsprachigen anarchistischen Kulturzeitschrift in den 1970er- und 1980er-Jahren. Er steht für ein Zeitempfinden des Aufbruchs, wie es für einen Teil derjenigen Bewegungen prägend war, die mit dem Kürzel "1968" verbunden sind. Der Beitrag zielt nicht auf eine historische Aufarbeitung zum 50-jährigen Gedenken, sondern ist ein Versuch einer politischen Soziologie des Zeitempfindens. Im Zentrum steht die Gegenüberstellung des Zeitempfindens "1968" mit einem ebenso stilisierten Zeitempfinden linksliberaler bundesrepublikanischer Mittelschichten im Jahre 2018. Der Begriff "Zeitempfinden" wird verwendet, um das Zusammentreffen von kognitiven, evaluativen und emotionalen Elementen in der politisch-sozialen Deutung ihrer zeitlichen Position durch einzlene Teilöffentlichkeiten bezeichnen zu können und nicht mit dem philosophischen Terminus des Zeitbewusstseins oder psychologischen Kategorien des Zeitgefühls beziehungsweise der Zeitwahrnehmung verwechselt oder gleichgesetzt zu werden.