Leiharbeit ist ein arbeitspolitisches Problem erster Güte. Zwar ist die Zahl der Leiharbeiter nicht überwältigend gross, doch ist es dieser Beschäftigungsform gelungen, die einfache Arbeit in den industriellen Kernsektoren weitgehend zu übernehmen. Dabei müssen Leiharbeitnehmer gegenüber der Stammbelegschaft deutliche Nachteile in Kauf nehmen, denen nur wenige Vorteile gegenüberstehen etwa eine leicht erhöhte Chance, einen Dauerarbeitsplatz zu finden. Promberger durchleuchtet in diesem Buch nicht nur die Leiharbeitsbranche mit ihren sozialhistorischen Entstehungszusammenhängen und relevanten Akteuren, sondern auch die Betriebe, die Leiharbeiter einsetzen. Dabei zeigen sich höchst unterschiedliche Einsatzformen der Leiharbeit: von unproblematischen kurzfristigen Vertretungen bis zur dauerhaften Veränderung der Belegschaftsstruktur durch den Einsatz flexibel-prekärer Beschäftigung, die letztlich die soziale Einbettung von Arbeit, wie sie sich im 20. Jahrhundert entwickelt hat, gesellschaftlich in Frage stellen und soziale Spaltungsprozesse auslösen oder vertiefen könnte. Diesem Trend entgegenzuwirken ist eine genuin politische, auch gewerkschaftspolitische Aufgabe
Die Stellungnahme des IAB zur öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestags am 21. Juni 2021 konzentriert sich auf die Aussagen, die in den Anträgen der Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der AfD zur inhaltlichen und methodischen Ausrichtung des Sechsten Armuts- und Reichtumsberichts enthalten sind. Bilanzierend wird Bezug genommen auf folgende Fragestellungen: Sind mit den verwendeten Bezeichnungen (Prekarität, Wohlstand, Wohlhabenheit) die verschiedenen Lebenslagen in Armut und Reichtum angemessenen angesprochen? Werden verdeckte Armut und Nichtinanspruchnahme zustehender Sozialleistungen (Dunkelziffer) ausführlich genug thematisiert? Wurden Armutsbetroffene am Zustandekommen des Berichts angemessen beteiligt? Als empfehlenswert für den nächsten Armuts- und Reichtumsbericht wird eine Wiederaufnahme des (dann erweiterten) Forschungsstands zur Corona-Krise sowie die stärkere Berücksichtigung vulnerabler Gruppen (Kinder und Altersarmut) in der Ergebnisdarstellung genannt, sowie eine stärkere Herausarbeitung der Verbindung zwischen verschiedenen Lebenslagen, subjektiven Verarbeitungsmustern und soziodemografischen Strukturmerkmalen. (Autorenreferat, IAB-Doku) ; The IAB statement for the public hearing of the Committee of Labour and Social Affairs of the German Bundestag of June 21st 2021 focusses on those statements given in the proposals by the factions of THE LEFT, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN and AfD, which concern the substantial and methodological orientation of the Sixth Governmental Report on Poverty and Wealth. Summarizingly, the paper takes regard to the following questions: Are the concepts used in the report (Precariousness, wellbeing, wealth) adequately chosen for addressing the different life situations in poverty and wealth? Has the non-takeup of justified welfare entitlements been sufficiently considered? Has there been adequate participation of persons in low-income and poverty in the process of reporting? For the next report, a more transparent description of vulnerable groups (children, old age) as well as a more in-depth analysis of the covid-19 effects are recommended, and the connections between life situations, subjective orientations and sociodemographic characteristics should be elaborated more closely.
This paper analyses the structures and patterns, dimensions and interest relations behind 200 years of working time negotiations and conflicts, based on historical and contemporary literature and research, mainly but not exclusively in Germany. One main thesis is that 'new' flexibilization trends are not new at all, while the effective standardization of working hours is limited to a couple of decades in the 20th century. Nevertheless and for various reasons, working time arrangements are a social and political issue which should not be left to individual contracting but subject to reflexive labour policy. ; Dieses Papier analysiert die Strukturen, Muster, Dimensionen und Interessen von 200 Jahren Arbeitszeitpolitik, vor allem in Deutschland. Auf der Grundlage historischer und aktueller Literatur wird die These belegt, dass scheinbar neue Trends der Flexibilisierung von Arbeitszeiten alles andere als neu sind, wenn man den historischen Untersuchungszeitraum ausweitet. Vielmehr beschränkt sich die Phase einer tatsächlichen Standardisierung von Arbeitszeiten auf wenige Jahrzehnte des zwanzigsten Jahrhunderts. Gleichwohl und sinnvollerweise bleiben Arbeitszeitarrangements ein Gegenstand sozialer und politischer Auseinandersetzung. Sie sollten nicht den einzelnen Arbeitsverträgen überlassen bleiben sondern Gegenstand reflexiver Arbeitszeitpolitik sein.
Der Beitrag diskutiert die Entwicklungen in der Corona-Krise unter dem Gesichtspunkt der Resilienz von Institutionen. Dabei wird erkundet, welche Faktoren diese Resilienz beeinflussen und wie Resilienz ausgebaut werden kann. Neben technischer und organisatorischer Redundanz, Diversität von Ressourcen und dem Vorhandensein von Gemeingütern gilt das Augenmerk der gesellschaftlichen Solidarität als Quelle von sozialer Resilienz.
The paper shows the results of the RESCuE project, an in-depth qualitative investigation of 250 vulnerable households, their living conditions and socioeconomic practices across nine European countries on the background of the European crisis since 2008. After refining the concept and developing an analytical framework, three major findings are in the focus: First, the concept of resilience proves to be useful and transferable into poverty and social policy research under certain prerequisites. Second, a wide scope of interrelated, substitutable and polyvalent practices allows the very few resilient households to gain their livelihood from mixed sources. Among some of them, direct transfer incomes play only a minor role. Third, there is a surprising high relevance of common goods for low income households. Moreover, certain cultural patterns of knowledge and values, and personal networks also play a crucial role for some doing better than other vulnerable households. Policy implications include first the continuing need for the welfare state, as resilience is vulnerable itself. Second, social policy needs to care for common goods of a considerable scope, available for all citizens, but mostly needed by those living on low income. ; Das Papier berichtet die Ergebnisse des Projektes RESCuE, einer vertieft angelegten qualitativen Studie in 250 vulnerablen Haushalten in neun europäischen Ländern vor dem Hintergrund der europaweiten Krise seit 2008. Nach der Verfeinerung des Resilienzkonzeptes und der Entwicklung eines analytischen Rahmens stehen vier wichtige Befunde im Fokus: Erstens, Nutzen und Übertragbarkeit des Konzeptes in Armuts- und Sozialpolitikforschung. Zweitens konnte in den wenigen anzutreffenden resilienten Haushalten ein weites Spektrum von gegenseitig substituierbaren, miteinander verwobenen und polyvalenten Praktiken identifiziert werden, mittels denen ein Lebensunterhalt aus gemischten Quellen erwirtschaftet wird. Direkte Transfereinkommen spielen, zumindest für manche Typen resilienter Haushalte, dabei eine vergleichsweise geringe Rolle. Dies wird drittens unter anderem ausgeglichen durch die hohe Bedeutung und Nutzung von Kollektiv- und Gemeingütern. Hinzu kommen Kulturmuster und Netzwerkbeziehungen, die es den Betroffenen erlauben, mit ihrer Lage besser zurechtzukommen als andere. Für die Sozialpolitik bedeutsam ist erstens die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung oder Schaffung eines leistungsfähigen Wohlfahrtstaates, denn Resilienz von Niedrigeinkommenshaushalten ist oft genug instabil und vulnerabel. Zweitens zeigt sich deutlich die Notwendigkeit eines umfangreichen Spektrums von Gemeingütern, die im Prinzip allen Bürgern zur Verfügung stehen, jedoch vor allem Niedrigeinkommensbeziehern das Leben erleichtern können.
"Vollbeschäftigung verkörpert den Traum von einem sozial gerechten Kapitalismus, erwies sich in der Vergangenheit jedoch als Ausnahme. Würde sie künftig Wirklichkeit, so wäre sie wohl mit einer tiefen Spaltung des Arbeitsmarktes verbunden." (Autorenreferat)
"Vollbeschäftigung verkörpert den Traum von einem sozial gerechten Kapitalismus, erwies sich in der Vergangenheit jedoch als Ausnahme. Würde sie künftig Wirklichkeit, so wäre sie wohl mit einer tiefen Spaltung des Arbeitsmarktes verbunden" (Autorenreferat, IAB-Doku)
"Hartz IV ist nicht 'Armut per Gesetz', sondern ein leidlich funktionierendes, gleichwohl unvollkommenes und umstrittenes System der Bekämpfung von Armut. Wo steht Hartz IV heute und im längeren historischen Kontext? Welche Probleme und Spannungen werden auch in Zukunft fortbestehen?" Forschungsmethode: deskriptive Studie. (Autorenreferat, IAB-Doku).