Nach Klimt kein Ende? Ambivalenz und politische Legitimation in der Kunstgeschichte der Zwischenkriegszeit
Die Belvedere-Ausstellung Nach Klimt kein Ende machte 2018 auf ein kurioses Phänomen in der Kunstgeschichte aufmerksam: Während die deutsche Kunst der 1920er und 1930er Jahre immer wieder fasziniert, ist die österreichische auf der internationalen Bühne fast unsichtbar. Dieser Artikel untersucht die Gründe für diese Tatsache. Er argumentiert, dass die marginale Position der österreichischen Kunst nach 1918 zwar den Verlust des internationalen politischen und kulturellen Status von Wien widerspiegelt, aber auch eine Funktion einer Vielzahl politischer Faktoren ist. Dazu gehören beispielsweise die Art und Weise, wie die Kunstgeschichte in umfassendere historische Narrative eingebettet ist, insbesondere in die Mythen der Wiedergeburt der neuen Staaten Mitteleuropas; die Tatsache, dass die figurative Malerei einen herausragenden Aspekt der österreichischen Kunst der Zwischenkriegszeit darstellte (mit geringem Interesse an avantgardistischen Praktiken der Fotomontage oder Fotografie); die Tatsache, dass viele österreichische Künstler offen katholische und andere religiöse Werte vertraten; die Ambivalenz und das Unbehagen gegenüber der autoritären Diktatur in Österreich, die dem Anschluss vorausging. All dies hat es schwierig gemacht, die österreichische Kunst in größere Erzählungen über die Moderne einzuordnen. Letztendlich erinnert uns die Ausstellung im Belvedere daran, dass die impliziten Werte und Rahmenbedingungen, die die Geschichtsschreibung der modernen Kunst bestimmen, niemals als "erledigt" betrachtet werden sollten. ; In 2018 the Belvedere Exhibition Nach Klimt kein Ende brought attention to a curious phenomenon in the history of art: the fact that while German art of the 1920s and 1930s has been an object of endless fascination, that of Austria is almost invisible on the international stage. This article examines the reasons for this fact. It argues that while the marginal position of Austrian art after 1918 reflects the loss of international political and cultural status of Vienna, it is also a function of a variety of political factors. These include, for instance, the way that the history of art is enmeshed in wider historical narratives, in particular, the myths of rebirth of the new states of central Europe; the fact that figurative painting was a prominent aspect of interwar Austrian art (with little interest in avant-garde practices of photomontage or photography); the fact that many Austrian artists openly endorsed Catholic and other religious values; ambivalence and awkwardness regarding the authoritarian dictatorship of Austria that preceded the Anschluss. All of these have made it difficult to fit Austrian art into larger narratives of modernism. Ultimately, the paper argues, the Belvedere exhibition reminds us that the implicit values and framework governing the historiography of modern art should never be regarded as ›settled‹.