Das Werk Helmuth Plessners: zum Erscheinen der Edition seiner "Gesammelten Schriften"
In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie: KZfSS, Band 36, Heft 4, S. 799-811
ISSN: 0023-2653
Mit dem Erscheinen der "Gesammelten Schriften" von Helmuth Plessner, der zu den Begründern der philosophischen Anthropologie gehört, ist es möglich geworden, sein anthropologisch-sozialtheoretisches Lebenswerk im Kontext seiner Entstehungsbedingungen zu erfassen. Bestimmend für Plessners Denken war das Spannungsverhältnis von "westlichem Geist" und deutscher Philosophie, wobei er der von ihm ausgearbeiteten Anthropologie "die Funktion eines beständigen Korrektivs und zugleich Stimulans der menschlichen Freiheit" zuweist. Wichtige frühe Arbeiten belegen den methodischen Ausgangspunkt der Plessnerschen Philosophie bei I. Kant. Deutlich wird in der Werkausgabe auch der politische Ausgangspunkt seiner anthropologischen Argumentation, der sein "Bild vom Menschen" prägte, ja, er spricht sogar vom "Primat des Politischen für die Wesenserkenntnis des Menschen". Mittelbar werden dabei Aspekte der Geschichte des deutschen Bürgertums sichtbar und deren Teilhabe am Verfall der politischen Kultur in Deutschland. Gerade das Versagen des Bürgertums vor dem Faschismus hat er in kühl-distanzierter Weise aus seinem Exil in Goningen analysiert. Plessner hat immer den Zusammenhang zwischen "anthropologischer Grundlagenforschung und der Krise der bürgerlichen Welt" gesehen. Neben einer kurzen inhaltlichen Skizzierung von Plessners anthropologischem Hauptwerk werden auch editorische Mängel an der Werkausgabe aufgezeigt (Fehlen eines Registers, wenig sorgfältige Neuausgabe Bd. IV etc.). (HM)