Spätestens seit den 1970er-Jahren hat der Psychoanalytiker und Soziologe Alfred Lorenzer (1922-2002) wichtige Beiträge zur Vermittlung von kritischer Sozialwissenschaft und psychoanalytischen Diskursen geliefert. Aus der Perspektive der Gegenwart und vor dem Hintergrund aktueller Forschungsfragen zeigen die Aufsätze des von Elisabeth Rohr herausgegebenen Sammelbandes nun erneut relevante theoretische und methodologische Anknüpfungspunkte an Lorenzers Werk auf. Die Beiträge beleuchten Fragestellungen aus den Bereichen Sozialphilosophie und -psychologie, Medien- und Erziehungswissenschaft, Psych
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Die Gesellschaft wirkt nicht nur auf das Subjekt ein, sondern bemächtigt sich auch des Körpers. Sie durchdringt ihn in seiner fleischlichen Materialität, beeinflusst und manipuliert ihn. Die traditionsreiche Auseinandersetzung der Frauenforschung mit dem weiblichen Körper in seiner Bedeutung für die Identität von Mädchen und Frauen reflektiert dies und rückt nun den Körper als "Objekt" in den Mittelpunkt der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit. Kontroverse Positionen werden in diesem Band interdisziplinär diskutiert: Sie reichen von psychoanalytisch orientierten bis hin zu konstruktivistischen Ansätzen und spiegeln damit die Vielschichtigkeit der Materie. Denn Körper und Identität sind Themenbereiche, die sich schwerlich nur aus einer Wissenschaftstradition aufschlüsseln und begreifen lassen
Obwohl inzwischen zahlreiche Veröffentlichungen vorliegen, die sich mit den sozialen Bedingungen des Aufwachsens in der Migration und mit den strukturellen Benachteiligungen und Diskriminierungen von männlichen und weiblichen Migrantenjugendlichen beschäftigen, bleiben nach wie vor zentrale Fragen unbeantwortet, die sich auf die subjektive Seite des migrationsbedingten Sozialisationsprozesses und auf das individuelle Erleben geschlechtsspezifischer Identitätsentwicklung in der Migration beziehen. Es ist nach Meinung der Autorin daher notwendig, das Forschungsinteresse auch auf die mit der körperlichen Reifung in der Adoleszenz verbundenen psychischen Prozesse und Konflikte zu richten. Das Ziel ihres Beitrags liegt darin, verschiedene Stränge aus der Migrationsforschung mit der Adoleszenzforschung zu verknüpfen und die Adoleszenztheorie ansatzweise auf weibliche Migrantenjugendliche zu übertragen. Am Beispiel von Interviews mit fünf jungen Migrantinnen aus unterschiedlichen kulturellen und gesellschaftlichen Kontexten verdeutlicht sie die Verarbeitungs- und Bewältigungsmöglichkeiten adoleszenter Lebensverläufe und weist auf Unterschiede zu deutschen weiblichen Heranwachsenden hin. Insgesamt wird festgestellt, dass bei den jungen Migrantinnen nicht von "verlängerter Adoleszenz" im Sinne der westlichen Kultur, sondern von "verlängerter Kindheit" gesprochen werden muss. (ICI2).
Obwohl inzwischen zahlreiche Veröffentlichungen vorliegen, die sich mit den sozialen Bedingungen des Aufwachsens in der Migration und mit den strukturellen Benachteiligungen und Diskriminierungen von männlichen und weiblichen Migrantenjugendlichen beschäftigen, bleiben nach wie vor zentrale Fragen unbeantwortet, die sich auf die subjektive Seite des migrationsbedingten Sozialisationsprozesses und auf das individuelle Erleben geschlechtsspezifischer Identitätsentwicklung in der Migration beziehen. Es ist nach Meinung der Autorin daher notwendig, das Forschungsinteresse auch auf die mit der körperlichen Reifung in der Adoleszenz verbundenen psychischen Prozesse und Konflikte zu richten. Das Ziel ihres Beitrags liegt darin, verschiedene Stränge aus der Migrationsforschung mit der Adoleszenzforschung zu verknüpfen und die Adoleszenztheorie ansatzweise auf weibliche Migrantenjugendliche zu übertragen. Am Beispiel von Interviews mit fünf jungen Migrantinnen aus unterschiedlichen kulturellen und gesellschaftlichen Kontexten verdeutlicht sie die Verarbeitungs- und Bewältigungsmöglichkeiten adoleszenter Lebensverläufe und weist auf Unterschiede zu deutschen weiblichen Heranwachsenden hin. Insgesamt wird festgestellt, dass bei den jungen Migrantinnen nicht von "verlängerter Adoleszenz" im Sinne der westlichen Kultur, sondern von "verlängerter Kindheit" gesprochen werden muss. (ICI2)
In dem Beitrag über die Aktivität fundamentalistischer Missionsgesellschaften aus den USA und die von ihnen betriebene Konversion katholischer Indianer in Ecuador kehrt die Autorin die übliche Blickrichtung des Westens auf "fundamentalistische" Bewegungen um. Es handelt sich hier nicht um "fundamentalistische" Migrantengruppen, deren Anpassungsprozeß in "modernen" westlichen Industriegesellschaften untersucht wird, sondern um die Migration unternehmerisch erfolgreicher Missionsgesellschaften der USA, die den bereits zuvor vielfach kolonialisierten Lebensraum und Symbolhorizont von Indianern Lateinamerikas einem religiös begründeten Prozeß der "Rationalisierung" der Lebensführung unterziehen wollen. Dieser Prozeß führt für die betroffenen Indianer zu einer Form innerer religiöser Migration durch Bekehrung, welche ähnlich gravierende und die Lebenssituation insgesamt verändernde Krisen bewirkt, wie die Migration in eine fremde Kultur. (pre)
Durch das rasche Vordringen und die eminenten Bekehrungserfolge protestantisch-fundamentalistischer Missionsgruppen in Lateinamerika gerät das religiöse Monopol der katholischen Kirche zunehmend ins Wanken. Die dem asketischen Protestantismus zuzurechnenden Missionsgesellschaften verändern nachhaltig Kultur und Lebensformen der lateinamerikanischen Bevölkerung. Die dabei zugrundeliegenden, tiefreichenden und lebensgeschichtlich bedeutsamen, aber ungelösten und unbewußten Konflikte in den Individuen werden mit Hilfe ethnopsychoanalytischer und tiefenhermeneutischer Interpretationen von Feldbucheintragungen zu drei Kirchen-Szenen in Ecuador aufzuschlüsseln versucht. Vorangestellt wird eine eingehende Diskussion der mit der Analyse von Gegenübertragungen verbundenen methodischen Probleme. Im Rahmen der Analysen zeigt sich, daß die Bekehrung der Fundamentalisten im Rahmen einer Modernisierung traditioneller Lebensentwürfe zu sehen ist. Dabei geht es den Evangelikalen vor allem um die körperliche Dressur triebhafter Lebens- und Leibesäußerungen. Die Mormonen hingegen streben eher eine Überwindung mütterlich dominierter, regressiver und unstrukturierter Beziehungsmodalitäten an.
The article presents a case study of an interview with an evangelical convert in the Ecuadorian Andes. The author's conclusions on the displacement of her respondent's personality from his original Indian environment are reflected within the framework of transference and counter-transference. The latter problem is pinpointed in a critical discussion of the central part of the interview situation. Alluding to her findings, the author asserts the methodological value of a psychoanalytic approach for gaining insights which are not patent to other forms of research