Das dynamische Verhältnis von Kunst und Psychiatrie in Brasilien zwischen 1920 und 1980
Ziel: Das übergeordnete Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Analyse der Dynamiken zwischen psychiatrischer Praxis und bildender Kunst in Brasilien von 1920 bis 1980 und die in dieser Zeit entstandenen Institutionen in ihrer Neuheit einzuordnen. Die spezifischen Ziele waren (I) zu beschreiben, mit Hilfe welcher ProtagonistInnen die Kunst als klinische Anwendung Eingang in die Psychiatrie fand, (II) aufzuzeigen, unter welchen Umständen und an welchen Orten die PatientInnen arbeiten konnten, (III) zu zeigen, wie die Kunstanwendungen in der Psychiatrie als Aspekt der Behandlung von PatientInnen dokumentiert und rezipiert wurden, (IV) gegenüberzustellen, mit welchen medizinischen, gesellschaftlichen und politischen Vorbedingungen sich die MedizinerInnen und KünstlerInnen konfrontiert sahen und (V) zu erforschen, zu welcher Institutionalisierung und Institutionskritik die neuen Dynamiken an der Grenze von Kunst und Psychiatrie geführt haben. Folgende Methoden wurden angewandt: (I) Systematische Literaturrecherche, (II) ExpertInnenbefragung und Interviews, (III) Analyse von filmischem Material. Ergebnisse: (I) drei medizinische ProtagonistInnen wurden identifiziert: Osório César, Nise da Silveira und Lula Wanderley (II) sowie drei KünstlerInnen: Alice Brill, Almir Mavignier und Lygia Clark. Nur aufgrund des gemeinsamen unberirrten Strebens der zwei Gruppen, die sich auch gegen die Repressionen der Diktatur ab den 1950er Jahren zur Wehr setzten, wurden Kunstateliers (César), Museen (Silveira) und neue Freiheiten (Wanderley) institutionalisiert. (III) Es konnten drei Dynamiken festgestellt werden, die zur Etablierung der Kunst in den Kliniken geführt haben: die Ankunft der Psychoanalyse in Brasilien, die Rezeption der Antropofagia in der Kunst und Psychiatrie und die Institutionalisierungsbestrebungen bzw. Institutionskritik. Schlussfolgerungen: Mithilfe der drei beschriebenen Dynamiken wird gezeigt, dass die entwickelten Therapiemethoden erst durch das Verwischen der Fachgrenzen zwischen MedizinerInnen und ...