Von der "wohlgeordneten Liebe" und der "so eigenen Wollust des Geschlechtes": zur Diskussion weiblichen Begehrens zwischen 1730 und 1830
In: Frauenmacht in der Geschichte: Beiträge des Historikerinnentreffens 1985 zur Frauengeschichtsforschung, S. 150-165
Wie zwischen 1730 und 1830 über das weibliche Begehren diskutiert wurde zeigen die Autorinnen anhand von Lexikoneintragungen (Stichworte "Geilheit", "Wollust" und Liebe") aus verschiedenen Jahrzehnten. Die gewonnenen Informationen werden ergänzt durch Stiche in populären Zeitschriften für Frauen, die um die Themen Liebe/ Begehren kreisen. Werden 1732 der Geilheit noch siebeneinhalb Spalten gewidmet und das Phänomen explizit auf Frauen bezogen, so verschwindet der Begriff bis 1827. Im Laufe des 18. Jahrhunderts wird die weibliche Lust zunehmend tabuisiert, die Frau wird zum Objekt männlicher Wollust, die Beschreibungen werden zunehmend moralisch und anonymisiert. Die sexuelle Diskussion dient also der eigenen gesellschaftlichen Standortbestimmung, der Schaffung eines Klassenkörpers. Die bürgerliche Frau ist Spiegel des Kampfes, sie wird zur Repräsentantin der Liebe entsinnlicht. Aus Begehren wird Sehnsucht, ihr Begehren wird geopfert. Die Kupferstiche in den Almanachen zeigen nur bedingt die Distanzierung vom Körperlichen. Es kommen gleichzeitig Liebe und Begehren zur Abbildung sowie die darin angelegten Widersprüche; Zweideutigkeiten und Komik verweisen auf Brüche in der Entwicklung zur zweiten Natur. (IF)