Die Philosophie Karl Leonhard Reinholds (1757-1823) findet heute vermehrt Beachtung. Während dieser Denker lange Zeit als Popularisator Kants, als Vorläufer Fichtes oder als tatsachenphilosophischer Antipode Schellings und Hegels wahrgenommen wurde und gemeinhin im Ruf eines unsteten und unselbständigen Geistes stand, ist seit einigen Jahrzehnten eine Gegentendenz feststellbar: Reinholds Denkentfaltung wird zunehmend in ihrem gesamten Umfang sowie als eigenwilliger und innovativer Ansatz innerhalb der postkantischen Systemphilosophie zur Kenntnis genommen. Mehr und mehr wird anerkannt, dass Reinhold entscheidende Anstöße zur Entstehung des deutschen Idealismus gegeben und diese Strömung zugleich auf der Grundlage von Einsichten, die in die Richtung der Phänomenologie und Sprachphilosophie des 20. Jahrhunderts weisen, kritisiert hat. Die in diesem Band vereinigten Beiträge gehen auf die I. Internationale Reinhold-Tagung zurück, die vom 14. bis 18. März 1998 in Bad Homburg stattgefunden hat. Sie geben systematische Fragestellungen und entwicklungsgeschichtliche Kontexte aus Reinholds kantischer Phase der Elementarphilosophie, aus der Periode seiner Zusammenarbeit mit Fichte und Jacobi sowie aus seiner sprachphilosophisch orientierten Spätzeit wieder. Alles in allem spiegeln sie das gegenwärtige Bedürfnis, Reinhold zu entdecken, sein Denken und Schaffen in seinen Wandlungen und in seiner thematischen Breite aufzuarbeiten und nachzuvollziehen. Zudem sind sie repräsentativ für die aktuell bestehenden vielfältigen Zugänge zu diesem produktiven Philosophen
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Mit der Abhandlung 'Über das Fundament philosophischen Wissens' (1791) macht der Band eine Schrift Reinholds wieder zugänglich, von der Fichte in einem Brief an deren Verfasser erklärte, er habe sie 'mehrere Male gelesen und sie immer für das Meisterstück unter Ihren Meisterstücken gehalten'. Reinhold unternimmt darin den Versuch, durch die Explikation eines ersten, nicht nur wahren, sondern zugleich auch evidenten Prinzips die Philosophie als 'strenge Wissenschaft', als ein ganzes und unteilbares System, zu begründen. Diese 'Elementarphilosophie' bildet die Voraussetzung dafür, daß auch die besonderen, abgeleiteten philosophischen Grundsätze der Religion, der Moralität und des Rechts bestimmt und allgemeingeltend werden können. Der zweite Text, 'Über die Möglichkeit der Philosophie als strenge Wissenschaft', erschien ein Jahr zuvor in den 'Beyträgen zur Berichtigung bisheriger Mißverständnisse der Philosophen' und verdeutlicht den im 'Fundament des philosophischen Wissens' nur knapp dargestellten Zusammenhang zwischen Reinholds Forderung nach einem ersten Grundsatz der Philosophie und seinem Philosophiebegriff. Karl Leonhard Reinhold wird 1757 in Wien geboren. Nach der Gymnasialzeit tritt er mit 15 Jahren ins dortige Jesuitenkolleg ein und findet zwei Jahre später Aufnahme bei den Barnabiten. Dort wird er Lehrer für Philosophie. Ohne Dispens von den Ordensgelübden verläßt er 1783 das Kloster und geht - inzwischen Freimaurer - nach Weimar. Zunächst Mitarbeiter bei Wielands 'Teutschem Merkur' wird Reinhold auch dessen Schwiegersohn. Drei Jahre später erscheinen die Briefe über Kantische Philosophie, die von Kant selbst als die maßgebliche Auslegung seiner Philosophie autorisiert, entscheidend dazu beitragen, die Philosophie der Aufklärung durch die Fortbildung des Kantischen Kritizismus abzulösen. Sie tragen Reinhold selbst einen Ruf als außerordentlicher Professor nach Jena ein, das zum Zentrum der deutschen Philosophie dieser Jahre wird. Reinhold entwickelt seine Elementarphilosophie als 'Wissenschaft desjenigen, was durch bloßes Vorstellungsvermögen bestimmt ist' in den Beiträgen zur Berichtigung bisheriger Mißverständnisse der Philosophen in zwei Bänden 1790 und 1794. Mit ihr beginnt die Reihe der Umbildungen der Kantischen Philosophie zum Idealismus hin, die in den Systembildungen von Fichte, Schelling und Hegel gipfelt. Seit 1794 Professor in Kiel wendet sich Reinhold der Philosophie Fichtes, Jacobis und Bardilis zu. Es folgen Auszeichnungen, die Aufnahme in die Akademie der Wissenschaften in München sowie reformerische Beiträge in verschiedenen Logen. Reinhold stirbt 1823 in Kiel.
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