Die Teilnahme an der diesjährigen Tagung von IWF und Weltbank in Singapur war ein Erlebnis der besonderen Art. Selten werden zivilgesellschaftlichen Beobachterinnen die Gegensätze zwischen Rhetorik und Realität in der internationalen Politik auf so groteske Art und Weise vor Augen geführt. Gute Regierungsführung rangierte ganz oben auf der offiziellen Agenda, während die Arbeit von NGOs und sozialen Bewegungen – die die Tagung kritisch und mit Protesten begleiten wollten – durch das gastgebende Land massiv behindert wurde.
Zusammenfassung Die von der Bundesregierung im Juni 2018 eingesetzte Expertenkommission zum Kohleausstieg und dem damit einhergehenden Strukturwandel zog enormes öffentliches Interesse auf sich. Trotz des komplexen Mandats und der breiten Zusammensetzung gelang es dem Beratungsgremium, an dem auch Umweltverbände und Bürgerinitiativen aus den Tagebauregionen beteiligt waren, einen Kompromiss zu erzielen, der allerdings in der Klimabewegung umstritten ist. Dieser Beitrag zeigt anhand der Erfahrungen der Kohlekommission auf, vor welchen Herausforderungen und Chancen zivilgesellschaftliche Akteure bei der Mitarbeit in solchen Regierungsgremien stehen und unter welchen Bedingungen sich dabei das partizipative Potenzial realisieren lässt. Daraus werden Empfehlungen für zukünftige Expertenkommissionen abgeleitet, um die Rahmenbedingungen für die zivilgesellschaftliche Beteiligung zu verbessern.
Die Energiewende wird politisch viel diskutiert und in der Wissenschaft ausgiebig beforscht. Neben den technischen Untersuchungen, spielen allerdings auch soziale Aspekte eine große Rolle für eine erfolgreiche und von der Bevölkerung akzeptierten Energiewende. Aus diesem Grund widmet sich das Soziale Nachhaltigkeitsbarometer den aktuellen gesellschaftlichen Anliegen, Vorstellungen und Bewertungen der Energiewende. Durch die Forschung an der sozialen Dimension der Energiewende soll eine belastbare empirische Wissensgrundlage über die wahrgenommenen Herausforderungen, Chancen und Risiken der Energiewende geschaffen werden sowie akzeptanz-fördernde Effekte herausgearbeitet werden. Denn für eine erfolgreiche Energiewende ist die Einbindung und Berücksichtigung der Einstellungen der Bevölkerung unabdingbar. Die Daten des Barometers können dazu verwendet werden, wahrgenommene Herausforderungen und Problembereiche zu identifizieren und entsprechende politische Handlungsbedarfe abzuleiten. Es dient als "Frühwarnsystem" zur Unterstützung der politischen Entscheidungsfindung und Prioritätensetzung.
Im Kern eines Instrumentenmixes für die deutsche Energie- und Klimapolitik sollte nach Ansicht von Andreas Löschel, Universität Münster, eine allgemeine CO2-Bepreisung stehen, die einen ökonomisch sinnvollen und langfristigen Rahmen für die umfangreiche Transformation setzt. Bei marktwirtschaftlichen Preis- oder Mengeninstrumente genüge zur kosteneffizienten Erreichung der Ziele, klimaschädlichen Aktivitäten einen angemessenen einheitliches CO2-Preis zu geben. Zudem generiere die CO2-Bepreisung Einnahmen, die eine gerechte Transformation ermöglichen. Till Baldenius, Tobias Bernstein, Matthias Kalkuhl, Maximilian von Kleist-Retzow und Nicolas Koch, MCC, diskutieren die Verteilungswirkungen von Preis- und ordnungsrechtlichen Instrumenten für mehr Klimaschutz im Verkehrssektor. Sie zeigen, dass sowohl CO2-Effizienzstandards als auch Subventionen und Fahrverbote problematische Verteilungswirkungen haben und regulatorische Maßnahmen nicht durch vorteilhafte Verteilungswirkung gegenüber Preisinstrumenten gerechtfertigt werden können. Anke Bekk, Anne Held und Jan George, Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung, zeigen, dass eine Abschaffung der EEG-Umlage Verzerrungen im Wettbewerb zwischen konventionellen Technologien und Sektorkopplungstechnologien verringern würde. Eine Refinanzierung über eine höhere CO2-Bepreisung des EEG-Finanzierungssystems könnte somit einen wichtigen Beitrag zur weiteren Marktdurchdringung von Sektorkopplungstechnologien leisten und zur Beschleunigung der Dekarbonisierung der Energiewende beitragen. Allerdings seien damit Verteilungseffekte verbunden, für die ein Ausgleichsmechanismus implementiert werden sollte, beispielsweise eine Pro-Kopf-Ausschüttung zur Entlastung einkommensschwacher Haushalte. Doina Radulescu, Universität Bern, stellt die Probleme vor, die entstehen, wenn mehrere Ziele – Umwelt-, Verteilungs- und Wettbewerbspolitik – mit einem einzigen Instrument adressiert werden. Umweltziele sollten über CO2-Steuern, Verteilungsziele über progressive Einkommensteuern und Industriepolitik über weitere Maßnahmen erreicht werden. Unterschiedliche Vorstellungen von Gerechtigkeit spielen für die Zustimmung zu klimapolitischen Maßnahmen eine große Rolle. Michael Pahle, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Stephan Sommer, RWI, und Linus Mattauch, University of Oxford, untersuchen, unter welchen Aspekten die Bevölkerung einem CO2-Preis zustimmt und ihn als fair wahrnimmt. Sie zeigen, dass zur Verbesserung der gesellschaftlichen Unterstützung eine direkte Rückverteilung, bevorzugt mit einer Pro-Kopf-Prämie, erfolgen sollte. Eine Studie von Daniela Setton und Ortwin Renn, IASS, kommt zu dem Ergebnis, dass die Energiewende von der Mehrheit der Bevölkerung als ungerecht eingestuft wird, insbesondere im Hinblick auf die Kostenverteilung. Quer durch alle Bevölkerungsgruppen zeige sich bei den gewünschten Kostenverteilungsregeln eine klare Präferenz für Verursachergerechtigkeit, dabei stehe jeweils die Klimaverschmutzung oder die Höhe des Energieverbrauchs im Vordergrund. Wer viel verbraucht oder hohe CO2-Emissionen verursache, solle mehr, nicht weniger für die Energiewende zahlen. Es sei vor diesem Hintergrund nicht verwunderlich, dass eine breite Mehrheit der Bevölkerung die EEG-Ausnahmeregeln für die stromkostenintensive Industrie ablehne. Hartmut Kahl, Stiftung Umweltenergierecht, prüft, ob das Modell der Schweiz, die eine CO2-Abgabe auf fossile Brennstoffe erhebt und deren Aufkommen zu zwei Dritteln an die Bevölkerung rückerstattet, als Vorbild für Deutschland dienen könnte. Im Ganzen zeige sich, dass die Pro-Kopf-Rückerstattung einer CO2-Bepreisung in Deutschland rechtlich umsetzbar sei. Ob diese Verwendung der eingenommenen Mittel sinnvoll sei oder die Gelder an anderer Stelle eine ungleich stärkere Hebelwirkung in Sachen Klimaschutz entfalten könnten, sei aber eine andere Frage. Karen Pittel, ifo Institut, diskutiert die Frage der Verteilung der Lasten aus der Klimapolitik auf verschiedene Generationen. Eine Politik, die zu kurzfristig ausgelegt sei, könne die Kosten der Erreichung langfristiger Klimaziele erheblich erhöhen. Die Formulierung von jahresgenauen Zielen für die Emissionsminderung leiste einer solch inkrementellen Denkweise weiteren Vorschub und könne sich negativ auf die Erwartungen und Innovationstätigkeit von Unternehmen auswirken.