'Eine ideale Wahrscheinlichkeitsauswahl würde genau festgelegten Regeln folgen. Beteiligte Personen müssten sich exakt an diese Regeln halten. Reale Wahrscheinlichkeitsauswahlen in der Sozialforschung jedoch werden auf der letzten Stufe meist von Interviewern durchgeführt, denen je nach Verfahren unterschiedliche Verhaltensspielräume entweder explizit zugestanden oder mangels hinreichender Kontrollen zumindest nicht verwehrt werden. Abhängig vom faktisch vorhandenen Spielraum benachteiligen Interviewer die schwerer erreichbaren Personen aufgrund des relativ höheren Aufwandes zur Kontaktaufnahme. Die dabei erzeugte 'Wahrscheinlichkeitsauswahl' ist verzerrt: Schwerer erreichbare Personen fehlen systematisch in umso größerem Umfang, je größer der Spielraum der Interviewer bei der Auswahl war. Diese Annahmen wurden anhand der 12 ALLBUS-Erhebungen von 1980-2000 überprüft: Bei direkter Auswahl von Personen aus Einwohnermeldeamtslisten (geringer Spielraum) fanden wir einen viel höheren Anteil der relativ schwer erreichbaren Personen als in haushaltsbezogenen Auswahlen wie z. B. nach dem ADM-Design (relativ großer Spielraum). Die Spielräume werden als partielle Rangordnung aus den Methodenberichten der 12 ALLBUS-Erhebungen abgeleitet. Die Auswahlverzerrungen zeigen sich durch den Grad der Abweichung von bekannten Verteilungsparametern, die definitorisch allein durch die Abgrenzung einer geeigneten Teilgesamtheit erzeugt werden.' (Autorenreferat)
'Der Aufsatz beschreibt einen Weg zur Konstruktion interner Kriterien für die Prüfung von Wahrscheinlichkeitsauswahlen und gibt Beispiele für ihre Anwendung. Zunächst wird durch sinnvolle Abgrenzung eine Teilpopulation derart definiert, daß allein durch die Abgrenzung, d.h. ohne zusätzlichen Bedarf an Informationen, Parameter über Merkmalsverteilungen in der Teilpopulation festgelegt sind. Wenn es anschließend gelingt, anhand verfügbarer Daten eine Teilstichprobe auf entsprechende Weise abzugrenzen, können die bekannten Verteilungsparameter als interne Prüfkriterien dienen. Gleichzeitig ist damit eine Grundlage für inhaltliche Interpretationen möglicher Abweichungen der Statistiken aus der Teilstichprobe gewonnen. Die Abweichungen werden hier als Indikatoren für solche Verhaltensweisen der Interviewer und/ oder der zu befragenden Personen gedeutet, die Einfluß auf den Prozeß der dadurch partiell gestörten Wahrscheinlichkeitsauswahl nehmen. Je mehr Spielräume die Auswahlregeln - reguläres Verhalten vorausgesetzt - den beteiligten Akteuren überlassen, desto besser können die Abweichungen die Verhaltensweisen der Akteure indizieren.' (Autorenreferat)
Teile einer Studie des Jugendwerks der Deutschen Shell, die im Jahre 1975 vom Emnid-Institut zum Thema "Jugend zwischen 13 und 24" durchgeführt wurde, werden einer Sekundäranalyse unterzogen. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob Jugendliche, die vergleichbaren Sozialisationsbedingungen ausgesetzt waren, in ihrer Sprache über Werthaltungen konsistenter sind als solche, die sich in ihren Sozialisationsbedingungen unterscheiden. Konzepte zur Beschreibung der Ähnlichkeit von Sozialisationsbedingungen anhand von Kontaktmustern werden vorgestellt. Dazu werden die Daten von 219 Jugendlichen benutzt, die sich in der Schul- oder Berufsausbildung befanden. Aus dieser Untergruppe wurden zwei disjunkte Gruppen mit hoher gruppeninterner Homogenität ihrer Kontaktmuster ausgewählt. Wichtige Probleme der Konzeptualisierung der abhängigen Variable Sprachkonsistenz werden diskutiert. Die Annahmen, die die Wahl bestimmter Meßmodelle anleiten, werden expliziert. Die Ergebnisse deuten darauf hin, daß in Gruppen Jugendlicher mit ähnlichen Kontaktmustern die Sprachkonsistenz höher ist als in Zufallsgruppen. Die Ergebnisse sind allerdings nur unter der Einführung von Zusatzannahmen konsistent. (GB)
In: Modellierung sozialer Prozesse: neuere Ansätze und Überlegungen zur soziologischen Theoriebildung ; ausgewählte Beiträge zu Tagungen der Arbeitsgruppe "Modellierung sozialer Prozesse" der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, S. 695-734
Im vorliegenden Beitrag berichten die Autoren über Überlegungen, "eine angemessene Strategie der Überprüfung von Theorien des (kognitiven) Gleichgewichts bzw. der (kognitiven) Transitiviät zu entwickeln und anzuwenden". Die eher theoretischen und konzeptuellen Analysen werden in einer empirischen Untersuchung von Netzen aus Sympathie- und Präferenzbeziehungen zwischen Individuen als Einheiten angewandt. Zunächst analysieren die Autoren Panel-Daten, die zu neun Zeitpunkten erhoben wurden und sich auf ein in der Zeit entwickelndes Beziehungsnetz unter ca. 180 Studienanfängern an einer bundesrepublikanischen Hochschule bezogen (H.J. Hummel/W. Sodeur 1984). Abschließend werden die von Theodore Newcomb erhobenen Daten (1958) zugrunde gelegt. Die generelle (sozialpsychologische) Hypothese der Untersuchung lautet, daß "Menschen ihre sozialen Beziehungen, z.B. ihre Sympathie für andere Personen, in ganz bestimmter Weise organisieren: Insbesondere machen sie diese Beziehungen nicht bzw. nicht allein abhängig von Eigenschaften der entsprechenden (Ziel-) Person oder von Bedingungen, die unmittelbar das Verhältnis zwischen ihr selbst und der anderen Person betreffen, sondern berücksichtigen auch die soziale Umgebung, in welche sie selbst, die andere Person und die Beziehung zwischen ihnen eingebettet sind. Zur sozialen Umwelt in diesem Sinne gehören solche Menschen, die von einer Person wahrgenommen werden (können) und mit denen sie interagieren (könnte), weil sie demselben Verkehrskreis angehören." (pmb)
Im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projektes "Analyse sozialer Netzwerke" wurde die Gesamtheit der Studienanfänger eines ausgewählten Fachbereichs im Wintersemester 1978/79 untersucht. Die Erhebung erstreckte sich über die ersten neun Wochen des Studiums. Die sich entwickelnden Beziehungen unter den Studenten, die Struktur der Beziehungen im gesamten Netz und Informationsprozesse auf Grundlage der jeweils realisierten Verbindungen bilden den Gegenstand der Untersuchung. Die zeitliche Entwicklung des Beziehungsnetzes wird mit Hilfe struktureller Indizes beschrieben, mit der Herausbildung von Zufallsnetzen verglichen und mit Hilfe der Strukturtheorie interpersoneller Beziehungen erklärt. Den Abschluß des Aufsatzes bildet die Diskussion der empirischen Anwendbarkeit dieser Theorie, die verschiedene Ebene sozialer Systeme vom individuellen Akteur über kleine Gruppen interagierender Personen bis zur Hierarchisierung und Cliquenbildung als Struktureigenschaften des Gesamtnetzes verbinden will. (BO)