Ist die EZB-Politik »voll normal«? Replik auf Jan Sparsam und Malte Flachmeyer
In: Leviathan: Berliner Zeitschrift für Sozialwissenschaft, Band 48, Heft 3, S. 484-500
ISSN: 1861-8588
Jan Sparsam und Malte Flachmeyer erachten die EZB als Teil einer "politisch-ökonomischen Formation", die sie mit Lukas Oberndorfer als "autoritären Wettbewerbsetatismus" bezeichnen. Es kann kein Zweifel bestehen, dass die EZB inzwischen die Funktion einer Wirtschaftsregierung usurpiert hat, die mit demokratischen Grundsätzen nicht zu vereinbaren ist. Keineswegs richtig aber ist, dass die sogenannte unkonventionelle Geldpolitik als "Fortführung der Vorkrisenpolitik mit anderen Mitteln" beschrieben werden kann. Sparsam und Flachmeyer entgeht der enorme Machtzuwachs der EZB, weil sie außer Acht lassen, dass die Anleihekäufe sich nicht quantitativ, sondern qualitativ von den für die Geldpolitik üblichen Offenmarktgeschäften unterscheiden. Sie sind in Wahrheit als fiskalpolitische Maßnahmen zu werten. Da sie das nicht berücksichtigen, unterschätzen sie einerseits die Dimension des demokratietheoretischen Problems der Anleihekäufe und überschätzen gleichzeitig die Möglichkeiten einer Reform der Euro-Zone.