ZusammenfassungDer Begriff Second Victim beschreibt eine an der Patientenversorgung beteiligte Person, die durch eine außergewöhnliche Situation in der Patientenversorgung selbst traumatisiert wird. Dieses in der Öffentlichkeit noch weitgehend unbekannte, aber weit verbreitete Phänomen wird durch die COVID-19-Pandemie verschärft und birgt das Risiko, durch eine ausgeprägte psychische Überlastung der Behandelnden Gesundheitssysteme zusätzlich unter Druck zu setzen. Dies stellt sowohl für die Patienten als auch für die Mitarbeitersicherheit eine ernstzunehmende Gefahr dar. Das Second-Victim-Phänomen ist gut erforscht und bedarf einer zweigleisigen Strategie. Einerseits müssen Second Victims in einem flächendeckenden, möglichst niederschwellig erreichbaren gestuften System schnell, persönlich und vertraulich unterstützt werden. Andererseits kommt der Stärkung der Resilienz aller Behandelnden besondere Bedeutung zu. Die Resilienz und damit die langfristige Leistungsfähigkeit der Behandelnden kann durch eine besondere Berücksichtigung im Führungsverhalten und in der Krisenkommunikation nachhaltig unterstützt werden. Sie leistet somit sowohl kurzfristig als auch nachhaltig einen positiven Beitrag für die Patientensicherheit und damit die Überlebenschancen vieler Patienten während und nach der COVID-19-Pandemie.
Zusammenfassung Einleitung Second Victims, definiert als medizinische Fachpersonen, die durch einen unvorhergesehenen klinischen Zwischenfall traumatisiert werden, sind ein verbreitetes Phänomen im Gesundheitswesen. Studien aus den USA zeigen hohe Inzidenzen zwischen 10 und 42 % bei medizinischem Personal. Allerdings existiert kein validierter deutscher Fragebogen, der sich mit der Inzidenz und den Auswirkungen auseinandersetzt. Deshalb wurde im Rahmen des SeViD-Projekts (Second Victims im Deutschsprachigen Raum) ein deutschsprachiger Fragebogen zur Beurteilung von Second-Victim-Erfahrungen entwickelt.
Methoden Basierend auf einer Literaturrecherche nach existierenden Fragebögen in englischer Sprache wurde eine vorläufige Version des Fragebogens bestehend aus 4 Bereichen und 14 Fragen erstellt. Diese wurde kognitiven Pretests unterzogen, um die Inhaltsvalidität zu überprüfen.
Ergebnisse Fünfzehn medizinische Fachpersonen aus Krankenhäusern in Deutschland (n = 6) und Österreich (n = 9) nahmen nach Einverständniserklärung als Freiwillige an allen Pretests teil. Sieben Fragen in 3 Bereichen wurden basierend auf kognitiven Pretests leicht modifiziert. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit des Fragebogens betrug 9:01 (±3:05) min im Fall einer vorherigen Second-Victim-Erfahrung und 4:19 (±0:59) min ohne entsprechendes Erlebnis. Die Befragung wurde von allen Freiwilligen als angemessen bewertet.
Schlussfolgerung Es konnte ein inhaltsvalidierter Fragebogen entwickelt werden, der die Auswirkung des Second-Victim-Phänomens in stationären Gesundheitseinrichtungen im deutschsprachigen Raum beurteilen kann. Dieser Fragebogen soll in verschiedenen Settings für medizinisches Fachpersonal sowohl für Erhebungen des Status quo als auch für Verlaufsbeobachtungen in Interventionsstudien eingesetzt werden.
Zusammenfassung Hintergrund und Ziel der Arbeit Für die Übergabe in der Notaufnahme – der Nahtstelle von prähospitaler zu klinischer Versorgung – stellen Merkhilfen ("mnemonics") das "Rückgrat" für eine strukturierte Übermittlung von relevanten Informationen dar. In Deutschland existiert bis zum heutigen Tag keine Standardisierung bzw. konkrete Vorgabe, welche Merkhilfe zur Übergabe genutzt werden soll. Die vorliegende Untersuchung definiert erstmalig anhand eines strukturierten und mehrstufigen Konsentierungsprozesses (Delphi-Verfahren) von Experten (Mandatsträgern), welche Übergabeinhalte für erforderlich gehalten werden. Ziel dabei ist die Schaffung einer Grundlage zur Entwicklung einer bundeseinheitlichen Merkhilfe.
Methodik Durchgeführt wurde ein Delphi-Verfahren, welches sich an den Regularien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF) orientiert.
Ergebnisse Im Rahmen des durchgeführten Delphi-Verfahrens konnte neben konkreten Inhalten der Merkhilfe auch deren Reihenfolge festgelegt werden. Übergabeinhalte wurden zu den Punkten Crew Resource Management (CRM) und Patientenidentifikation, Beschreibung der Notfallsituation, Notfallpriorität (ABCDE-Schema) und Vitalparameter, durchgeführte Maßnahmen, Anamnese, Zusammenfassung mit der Möglichkeit für Rückfragen durch das übernehmende Team sowie Zeitdauer definiert.
Diskussion Die Ergebnisse der Arbeit bilden die evidenzbasierte Grundlage für die Entwicklung einer konkreten Merkhilfe ("mnemonic"). Weitere Untersuchungen sollten sich nach Entwicklung einer geeigneten Merkhilfe darauf fokussieren, diese im Rahmen einer (prä-)klinischen Anwendungsstudie auf Praxistauglichkeit zu testen. Gleichzeitig sollte ein entsprechendes Schulungskonzept ausgearbeitet werden. Langfristig wird als Ziel eine bundesweit einheitliche Einführung angestrebt.