Eine naturrechtliche Interpretation der politischen Philosophie Hobbes'
In: Thomas Hobbes, Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen Staates, S. 127-144
Die Lehre von der "Unbegreiflichkeit" Gottes ist, so der Verfasser, weit entfernt davon, mit der These vom göttlichen Gebotscharakter des natürlichen Gesetzes unverträglich zu sein. Sie dient vielmehr dazu, einen möglichen Einwand aus dem Weg zu räumen. Wäre Gott uns begreiflich, dann wäre es auch möglich, dass ein akkurates Wissen um seine Natur erweisen könnte, dass er gerade qua seiner Natur für uns keine Quelle von uns verpflichtenden Gesetzen ist. Aber wenn die Natur Gottes ein unbegreifliches Mysterium ist, dann ist es gerade diese Unbegreiflichkeit selbst, die es unmöglich macht, die Unfähigkeit, zu begreifen, als ein Argument gegen das Faktum einzusetzen, dass er es ist, der gebietet. Voraussetzung ist allerdings, dass dieses Faktum hinreichend authentifiziert ist. Wenn dieses Faktum evident ist, dann kann ein Hobbesianer diesem gerade nicht entgegnen, dass die "letzte und höchste Realität amoralisch ist", und daher nicht die Quelle moralischer Ge- und Verbote sein kann. Da wir trivialerweise nicht wissen, was die "letzte und höchste Realität" ist, keinen Begriff von ihr haben, ist unsere Rede nichtssagend und gehaltlos, wenn wir zu wissen prätendieren, dass sie amoralisch ist. Es wird argumentiert, dass Hobbes wirklich meinte, was er bezüglich des göttlichen Gebotscharakters des natürlichen Gesetzes sagte. Er gelangte zu dieser Überzeugung weniger aufgrund der von ihm in solcher Überfülle vorgelegten Zeugnisse aus der Heiligen Schrift, sondern dies ist eher auf den ihm eigenen tiefen Sinn moralischer Verpflichtung zurückzuführen. Der Eindruck, der sich durch das wiederholte Studium seiner Werke aufdrängt, ist, dass Hobbes eine fundamental ehrlicher, ehrbarer Mensch war, ein Mensch von geradezu überwältigendem Pflichtgefühl. Für einen derartigen Menschen ist die Annahme, dass dasjenige, was pflichtgeboten auch gottgeboten ist, so natürlich, dass es nahezu unmöglich erscheint, dies nicht auch formal so zu konzipieren. (ICF2)