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Die Frage nach der Existenz von europäischer Öffentlichkeit verweist auf die Möglichkeit der Demokratisierung der Europäischen Union und bezieht von da her ihren erkenntnistheoretischen Sinn sowie ihre praktische Relevanz. Aus einer europäischen Perspektive besteht der europäische Kommunikationsraum aus segmentär differenzierten nationalen Öffentlichkeiten. Europäische Öffentlichkeit kann infolge dessen nur als Emergenzphänomen der Transnationalisierung nationaler Öffentlichkeit entstehen. Dieser Prozess ist allerdings konfliktinduziert und führt zu ambivalenten Konstruktionen kollektiver Identitäten: Neben starken nationalen Identitäten existiert eine bislang nur schwach ausgebildete europäische Identität, die sich allerdings dann wieder verflüchtigt, sobald eine konfliktinduzierte Bedrohungsperzeption von nationalen Ressourcen entsteht. Solange dieser Mechanismus wirkt, ist eine mit dem Nationalstaat vergleichbare Demokratisierung der EU auf supranationaler Ebene bestandgefährdend.

Der Autor diskutiert die These, dass es in Europa öffentliche Deliberation im Sinne europäischer Diskurse über europäische Entscheidungsprozesse bereits gibt, die jedoch in starkem Maße an die nationalen Kommunikationsräumen gebunden sind. Ausgangspunkt der Analyse stellt die institutionelle Eigenart des europäischen Entscheidungssystems dar, bei dem der intergouvernemental operierende Ministerrat bzw. der Europäische Rat das zentrale Beschlussorgan ist. Europäische Öffentlichkeit existiert, wenn sich die öffentliche Kommunikation in den nationalen Öffentlichkeitsarenen der Länder Europas in Gestalt horizontaler oder vertikaler Europäisierung verschränkt und dabei auf europäische Entscheidungsprozesse bezogen ist. Für den Zweck der Argumentation wird ein arenatheoretisches Modell demokratischer Öffentlichkeit entwickelt und auf den Kommunikationsraum Europa bezogen. Entlang eines Raumzeitkontinuums werden unterschiedliche Ausprägungen transnationaler Kommunikationszusammenhänge als öffentliche europäische Deliberation beschrieben, anhand des Fallbeispiels der europäischen Fiskalpolitik erläutert sowie als Grundlage für die Formulierung weiterer Forschungshypothesen genutzt. (ICG2)

Der vorliegende Beitrag versucht, den normativen Gehalt demokratischer Selbstbestimmung in ein "arenatheoretisches Öffentlichkeitsmodell" zu integrieren. Dazu werden auf dem Hintergrund eines skizzierten Öffentlichkeitsmodells vier idealtypische Strukturmuster transnationaler Öffentlichkeiten unterschieden und zehn Indikatoren entlang von vier Öffentlichkeitsdimensionen operationalisiert. Mit Hilfe dieser Indikatoren lassen sich für beliebige Zeitintervalle Ausprägungen und Ausmaße von transnationalen Öffentlichkeiten hinsichtlich ihrer Multidimensionalität und Gradualität analysieren und bestimmen. Abschließend wird nach Konstitutionsbedingungen transnationaler Öffentlichkeiten gefragt. Der Autor vertritt die These, dass transnationale Öffentlichkeiten über konfliktträchtige Kommunikationsereignisse hergestellt werden. Je mehr im europäischen Kommunikationsraum konflikthaltige Auseinandersetzungen über europäische Themen und insbesondere politische Entscheidungsregeln geführt werden, desto häufiger verdichtet sich in Europa die öffentliche Kommunikation und desto eher gehen damit auch Konstruktionen von europäischen Kollektividentitäten oberhalb nationaler Gründungsmythen und Differenzsemantiken einher. Dies geschieht allerdings nicht von heute auf morgen. Ein europäisches Zusammengehörigkeitsbewusstsein und -gefühl kann sich nur in einem langen Zeithorizont ergeben. An drei Fallbeispielen wird dieser Gedanke knapp illustriert. (ICA2)

Der Autor stellt die zentrale Hypothese auf, dass konflikt- bzw. katastrophen- oder kriseninduzierte Ereignisse und Vorgänge zu transnationalen Kommunikationsverdichtungen führen können, die aus der Perspektive verschiedener nationaler Medienarenen als zeitgleiche Thematisierung gleicher Bezugsprobleme operationalisierbar sind. Um diese Argumentation zu entfalten, wird zunächst an die Globalisierungsthese sich ausdifferenzierender transnationaler Rechtsräume angeknüpft und die Institutionalisierung gemeinsam geteilter Bezugsprobleme wird am Fall der internationalen Steuerpolitik illustriert. Vor diesem Hintergrund werden internationale Politikprozesse als Themenkarrieren (Issue-Attention-Cycle) reformuliert und es wird der Begriff der "Kommunikationsverdichtung" eingeführt. Im Anschluss an Modelle einer europäischen Öffentlichkeit wird die These entwickelt, dass transnationale Kommunikationsverdichtungen die notwendige Bedingung für die Emergenz transnationaler Öffentlichkeiten sind. Die Hypothesen werden am Beispiel des Politikprozesses "Internationale Steuerpolitik im EU- und OECD-Raum" geprüft und es wird geklärt, warum im einen Fall eine transnationale Öffentlichkeit im deliberativen Sinn emergiert und im anderen Fall nicht. (ICI2)