Frankreich steht im Begriff, seinen Interventionskurs im Sahel zu ändern. Nach einem Mini-Aufwuchs von 600 zusätzlichen Soldaten seit Februar 2020 wird die Antiterror-Operation Barkhane wahrscheinlich auf das vorherige Niveau zurückgeführt werden. Mittelfristig sind weitere Reduzierungen möglich. Auch politisch kommt Bewegung in die französische Sahelpolitik, weil Paris ein Gleichgewicht anstrebt zwischen einem geringeren militärischen Fußabdruck, Terrorismusbekämpfung und größerer lokaler Verantwortung.
Der Bundestag hat Ende Mai die Mandate zur Beteiligung der Bundeswehr an militärischen Einsätzen der Europäischen Union (EUTM Mali) und der Vereinten Nationen (MINUSMA) in Mali verlängert. Damit können insgesamt bis zu 1550 deutsche Soldatinnen und Soldaten in Mali und im Sahel eingesetzt werden, mehr als derzeit in Afghanistan. Gemessen am Ausmaß des Einsatzes verläuft die deutsche Diskussion über die Sahelpolitik schleppend, wenig ergiebig und allzu routiniert. Ein Grund dafür ist, dass Schlagworte und vermeintliche Gewissheiten ('vernetzte Sicherheit', 'Militarisierung', 'mehr lokale Eigenverantwortung') die Debatte bestimmen, die weitgehend losgelöst von strategischen Zusammenhängen und Überlegungen eingeworfen werden.
Am 30. Juni 2019 endet das Mandat der United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali (Minusma). Eine Verlängerung des Mandats durch den VN-Sicherheitsrat gilt als sicher. Dabei ist unklar, welchen Beitrag die Mission zur Stabilisierung Malis zu leisten vermag und wie das Mandat geändert werden könnte, um die Mission effektiver zu gestalten. Angesichts der sich verändernden Rahmenbedingungen in Mali sollte der Sicherheitsrat ein stärkeres Minusma-Engagement in Zentralmali erwägen. Dafür müssen aber auch Abstriche im Norden gemacht werden.
Während sich die Sicherheitslage in Mali und seinen Grenzgebieten stetig verschlechtert, hat die neue 'gemeinsame Truppe' (Force Conjointe, FC) der G5-Sahel-Staaten Mitte November ihre erste Militäroperation abgeschlossen. Sie soll einen regionalen Beitrag zum Kampf gegen Terrorismus und Kriminalität leisten. Am 13. Dezember wird in Paris eine Geberkonferenz stattfinden, um weitere finanzielle Unterstützung und Ausstattungshilfe für die FC zu mobilisieren. Bei diesem Vorhaben sind Deutschland und die EU an der Seite Frankreichs stark engagiert. Die Anstrengungen, regionale Streitkräfte zu befähigen, sind aber mit Problemen behaftet: Die internationalen Partner ziehen einen Capacity-Building-Ansatz, der auf kurzfristige Erfolge ausgerichtet ist, einer Reform des Sicherheitssektors vor und verfolgen keine abgestimmte Strategie. Mali wiederum hält am Status quo fest und ist nicht bereit, politische Eigenverantwortung zu übernehmen
Vor anderthalb Jahren wurde in Algier ein Friedensvertrag für Mali unterzeichnet, doch noch immer ist das Land von Stabilisierung weit entfernt. Das Abkommen ist bislang kaum umgesetzt; der Norden Malis bleibt außerhalb staatlicher Kontrolle, während sich die Sicherheitslage im gesamten Land dramatisch verschlechtert. Umso problematischer ist, dass die Beziehungen zwischen Mali und internationalen Partnern eine sehr einseitige Angelegenheit sind: Die Regierung in Bamako verlässt sich auf externe Unterstützung, tut selbst aber wenig, um das Land zu stabilisieren. Es mangelt nicht nur an einer Umsetzung des Friedensabkommens, sondern auch an grundlegenden Reformen. Um einen »mission creep« zu vermeiden, der auf eine umfassende, langwierige Substitution des malischen Staates durch diverse Missionen (VN, EU) und Geber hinausliefe, sollten die internationalen Partner von der Regierung deutlich mehr politische Eigenverantwortung einfordern. Sinnvoll wäre, mit dem Land engmaschige Ziele zu vereinbaren, die ein Abkommen auf Gegenseitigkeit begründen. (SWP-Aktuell)
Südafrikas Reputation als Vorzeigedemokratie und Investitionsstandort befindet sich im Sinkflug. Verantwortlich dafür sind neben anhaltenden wirtschaftlichen Problemen vor allem die zahlreichen Skandale der Regierung unter Führung von Präsident Jacob Zuma und dem African National Congress (ANC). Innenpolitisch beschleunigt diese Entwicklung die Erosion der ANC-Hegemonie über das Land. Das dürften auch die Kommunalwahlen am 3. August 2016 zeigen, bei denen die Opposition ihre bisherige Erfolgsserie voraussichtlich fortsetzen wird. Mit Blick auf die 2019 anstehenden Legislativ-Wahlen bildet die Abstimmung einen wichtigen Stimmungstest, der zum Katalysator für weitere ANC-interne Verwerfungen und eine Schwächung der Partei werden könnte. (SWP-Aktuell)
Die Zahl der in Friedensmissionen der Vereinten Nationen (VN) tätigen Personen hat 2016 mit knapp 123000 einen historischen Höchststand erreicht. Angesichts schwerer Versäumnisse der VN-Missionen in der Demokratischen Republik Kongo und im Südsudan verfestigt sich auch innerhalb der VN der Eindruck einer zunehmenden Kluft zwischen den Erwartungen, die an die Friedenstruppen geknüpft werden, und deren Fähigkeiten. Ein Aspekt der Debatte betrifft die Frage, wie robust VN-Missionen bei der Durchsetzung ihres Mandats vorgehen sollen. Manche sehen im resoluten Gebrauch militärischer Zwangsmittel den Schlüssel zu größerem Erfolg. Seit fast drei Jahren setzen die VN im Kongo eine Interventionsbrigade ein, die explizit das Mandat hat, bewaffnete Gruppen zu neutralisieren. Die Bilanz zeigt indes sowohl, dass die Brigade nicht als nachahmenswertes organisatorisches Pilotmodell gelten kann, als auch, dass friedenserzwingende Mandate nicht unbedingt mehr Erfolg bei der Friedenssicherung bedeuten. (SWP-Aktuell)
Der Demokratischen Republik Kongo droht in den nächsten zwei Jahren eine weitere Destabilisierung. Vor dem Hintergrund ohnehin sehr fragiler Verhältnisse wird der für 2015/16 anstehende Zyklus von sechs Wahlen die Spannungen im Land verschärfen. Im Fokus der Aufmerksamkeit stehen die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen, gerade weil offen ist, ob und wann diese überhaupt stattfinden werden. Über allem hängt die Frage, ob Präsident Joseph Kabila nach zwei Amtszeiten abtreten wird. Die internationale Gemeinschaft sollte die Wahlen nur unterstützen, wenn die Regierung und die Wahlkommission ein glaubhaftes Interesse an freien und fairen Wahlen zeigen. Dies ist nicht erkennbar. Wahlen sind per se keine Garantie für die Stabilisierung des Landes. Aber ohne Wahlen, die Mindeststandards erfüllen, scheint selbst ein mittelfristiger Abzug der VN-Friedensmission MONUSCO, wie jüngst vom VN-Sicherheitsrat thematisiert, kaum denkbar. (SWP-Aktuell)
Die Terrororganisation Boko Haram wird auf mittlere Sicht die innen- und sicherheitspolitische Agenda in Kamerun bestimmen. Für das Land erwächst daraus eine doppelte Herausforderung, denn es weist ungeachtet der von Boko Haram ausgehenden Bedrohung eine unterschätzte, strukturell und politisch bedingte Krisen- und Konfliktanfälligkeit auf. Die Fähigkeiten von Staat und Gesellschaft Kameruns, diese zweifache Herausforderung zu meistern, sind sehr viel begrenzter, als es das oft bemühte Diktum vom »regionalen Stabilitätsanker« erwarten lässt. Die deutsche Außenpolitik sollte jetzt Ansätze für die Krisenprävention entwickeln. (SWP-Aktuell)
United Nations (UN) peace operations are once again at a crossroads, partly due to overstretched capacities. In the meantime, there are indications that peacekeepers face a new and perhaps less expected challenge. Over the last few years, rulers in Burundi, Chad and the Democratic Republic of the Congo (DRC) have pushed through the reduction of peacekeeping personnel or forced the wholesale withdrawal of peace operations – despite the concerns of the UN. This paper explores whether there is a new hostility to peacekeeping in Africa's weak states. What should and can the UN do if the assistance they offer in support of peace consolidation is rejected by their putative national 'partners', especially when the countries in question continue to face serious post-conflict challenges? Using the cases of UN missions in the DRC and South Sudan, this article examines why the well-established principle of consent of host state governments cannot any longer be taken for granted by peacekeepers. It argues that the increasing hostility towards peace operations is a function of their becoming actors in the domestic power game, as a result of their ever longer and intrusive presence.
Die Unabhängigkeit des Südsudan wird von einigen Mitgliedern der internationalenGemeinschaft und nicht zuletzt der Afrikanischen Union mit gemischten Gefühlenbetrachtet. Zwar hält man die Abspaltung politisch für legitim. Befürchtet wird jedoch,dass von der erfolgreichen Sezession eine Signalwirkung für andere Unabhängigkeitsbewegungenin Subsahara-Afrika ausgehen könnte. Wie begründet ist die Annahme,der »Präzedenzfall« Südsudan könnte separatistische Tendenzen in Afrika befördernund damit langfristig die territoriale Ordnung der Region verändern? Und wie sind indiesem Zusammenhang die Unabhängigkeitsbestrebungen Somalilands zu bewerten?