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Vor dem Hintergrund der Beschreibung eines interdisziplinären Projekts zur "Systemanalyse des Gesundheitswesens in Österreich" (1972) werden die Perspektiven einer auf Primärprävention ausgerichteten kritischen Sozialmedizin reflektiert. In der Auseinandersetzung mit der bürgerlichen Medizin, die die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Gesellschaftsorganisation und Krankheit ausklammert und sich, vorwiegend naturwissenschaftlich ausgerichtet, auf das kranke Individuum konzentriert, wird der Begriff der Volksmedizin entwickelt. Die politische Bedeutung der Volksmedizin, die verstärkt die Ergebnisse und Methoden der Sozialwissenschaft aufgreift, liegt in der Aufdeckung der Widersprüche und der Einbeziehung der Betroffenen in die Auseinandersetzung mit Gesundheitssystem und Krankheit sowie deren Entstehung in Produktions- und Reproduktionsbereich. Die "Befreiung des Patienten aus seiner ungerechtfertigten Abhängigkeit von der Ärzteschaft und den medizinischen Institutionen", denen die Erfüllung selbst ihrer Reparaturfunktion abgesprochen wird, soll als Durchbrechung des "Arztmonopols" über die Gesundheit erfolgen, indem durch verstärkte Zusammenarbeit mit halbprofessionellen "Gesundheitsarbeitern" im Volk und vom Volk Gesundheitsarbeit geleistet wird. Einer Ausrichtung der medizinischen Forschung auf gesellschaftliche Ursachen von Krankheit sowie dem Erfahrungsschatz der alten Volksheilkunde kommen in der Entwicklung einer so verstandenen "klassenlosen Medizin" besondere Bedeutung zu. (IB)