In Anlehnung an Max Weber und dessen Unterscheidung zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik legt der Autor dar, inwiefern es sich bei dieser Unterscheidung um einen `unaustragbaren` Gegensatz handelt und in welchem Maße sich dieser Gegensatz auch im Falle repräsentativer ethischer und politischer Theorien der Gegenwart nachweisen läßt. Der Anspruch dieser Theorien, moralisch-politische Wegweiser zu sein und der Moderne Ausweg aus ihrer Krise zeigen zu können, erweist sich für ihn damit als uneinlösbar. Der Weber`sche Dualismus muß insofern als ein Bestandteil der Krise der Moderne begriffen werden und ist wie diese selbst nur dzisionistisch aufhebbar.
In: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie: ARSP = Archives for philosophy of law and social philosophy = Archives de philosophie du droit et de philosophie sociale = Archivo de filosofía jurídica y social, Band 110, Heft 2, S. 229-264
Spätestens seit den Flüchtlingsströmen des Jahres 2015 sind Flucht und Vertreibung, Zuwanderung und Einwanderung zu einer Herausforderung für die westliche Welt geworden, die nach wie vor einer Bewältigung jenseits alles dessen harrt, was sich als Verlegenheitskrisenmanagement bezeichnen ließe. Jede Publikation zur Migrationsthematik bzw. -problematik kann sich daher des öffentlichen Interesses sicher sein. Gleichwohl ist die prinzipielle Unentschiedenheit, die politisch diesbezüglich vorherrscht, eigentlich nur ein Spiegelbild dessen, was sich im Bereich der geistigen Auseinandersetzung mit der besagten Thematik tut. Gelegentlich kommt es allerdings auch zu Ausreißern, wie im Falle der beiden hier besprochenen Publikationen: des Buches von Volker M. Heins, Offene Grenzen für alle. Eine notwendige Utopie (Hamburg 2021), in dem für »Offene Grenzen für alle« ohne ein Wenn und Aber geworben wird, und der Schrift Gemeinwohl und Weltverantwortung (Stuttgart 2022) von Peter Graf Kielmansegg, das sich dem Migrationsthema aus der Perspektive der beiden Titelbegriffe nähert. Im ersteren Fall handelt es sich allerdings um eine publizistische Amokfahrt sondergleichen, während mit der Publikation von Graf Kielmansegg eine Schrift vorliegt, bei der der Rezensent geneigt ist, sie Max Webers berühmter Schrift Politik als Beruf zur Seite stellen, ja sie als deren Nachfolgeschrift zu verstehen. Mit Gemeinwohl und Weltverantwortung könnte es nämlich gelungen sein, den Gegensatz zu überwinden, der Weber zufolge zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik besteht – gerade im Hinblick auf die Migrationsthematik bzw. -problematik also etwas zu leisten, das genau das zu bewältigen verspricht, was Konrad Ott in Zuwanderung und Moral (Stuttgart 2016) noch als einen »clash of morals« im Weber'schen Sinne begriff.
Rezension zu: 1) Eberl, Oliver: Naturzustand und Barbarei - Begründung und Kritik staatlicher Ordnung im Zeichen des Kolonialismus. Hamburg: Hamburger Edition 2021. 978-3-86854-349-0.+++2) Eggers, Daniel: Die Naturzustandstheorie des Thomas Hobbes: Eine vergleichende Analyse von 'The Elements of Law', 'De Cive' und den englischen und lateinischen Fassungen des 'Leviathan'. Quellen und Studien zur Philosophie, Bd. 84. Berlin u.a.: de Gruyter 2008. 978-3-11-020314-1.
In: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie: ARSP = Archives for philosophy of law and social philosophy = Archives de philosophie du droit et de philosophie sociale = Archivo de filosofía jurídica y social, Band 108, Heft 2, S. 191-208
Die Schrift "Politik als Beruf" ging wie ihre nicht weniger berühmte Zwillingsschrift "Wissenschaft als Beruf" vergleichsweise ungeplant aus einer Gelegenheitsarbeit Max Webers im Jahre 1919 hervor. Weber wurde in beiden Fällen gegen Ende des Ersten Weltkrieges zu einer Vortragsreihe eingeladen, die der "Freistudentische Bund, Landesverband Bayern" in der Absicht organisiert hatte, der akademischen Jugend eine Orientierung über den Sinn und Zweck von "geistiger Arbeit als Beruf" zu geben. Und in diesem Sinne sollte Weber in seinen beiden Münchner Reden auch zwischen dem "äußeren" und dem "inneren" Beruf zur Wissenschaft bzw. Politik unterscheiden. Im Gegensatz zur Rede über "Wissenschaft als Beruf", die Weber bereits am 7. November 1917 hielt und zu der er sich in seiner Eigenschaft als Wissenschaftler auch unmittelbar berufen fühlte, kam er der Einladung zur Rede über "Politik als Beruf" letztlich nur unwillig nach. Denn er fürchtete, dass er seine Zuhörer enttäuschen würde, wenn er in der Rede einer erwarteten Stellungnahme zu aktuellen Tagesfragen "nur in einer rein formalen Art" nachkam. Der Autor konzentriert sich bei seiner Analyse und Interpretation von "Politik als Beruf" vor allem auf das letzte und kaum redigierte Drittel der Rede, um zu zeigen, dass Webers Befürchtung nicht nur unbegründet war, sondern dass er im Gegenteil eine Schrift zur Verantwortungsethik von "bleibendem Anspruch" hinterlassen hat. (ICI2)
"Der Autor befasst sich mit John Stuart Mills Vorstellungen von politischer Repräsentation. Bekanntlich war Mill ja ein Vorkämpfer der Verallgemeinerung des Wahlrechts. Dabei galt seine Sorge jedoch in erster Linie der Frage, wie eine Repräsentation der Gesamtheit zu sichern und gleichzeitig eine Despotie der Mehrheit zu verhindern wäre. Dieses Grundproblem der Demokratie, so argumentiert er, sei bei Mill deutlicher herausgearbeitet als bei anderen Denkern. Mill stand bei seinem Eintreten für eine Ausweitung des Wahlrechts vor dem Problem, dass die dadurch zu erwartende Mehrheitsherrschaft einer Herrschaft der Armen und Ungebildeten gleich gekommen wäre. Als Abhilfe schlägt er u.a. ein zwar allgemeines, aber nach Bildung und sittlicher Integrität ungleiches Wahlrecht vor. Weiter wendet er sich gegen das geheime Wahlrecht, um es dem Wähler so zu erschweren, seine Wahlentscheidung aus lediglich egoistischen Motiven zu fällen. Von heute aus realistischer als diese Vorschläge sind sicherlich Mills Überlegungen zum Verhältnis von freiem und imperativem Mandat, zur Frage der Herausbildung von Urteilsfähigkeit durch Repräsentation und Deliberation sowie zur Verantwortlichkeit der Abgeordneten. Der Autor macht deutlich, dass Mill in einem erheblichen Umfang neuere Theorien der politischen Repräsentation vorwegnimmt und seinem Denken deshalb unverminderte Aktualität zukommt." (Autorenreferat). Die Untersuchung bezieht sich auf den Zeitraum 1861 bis 1861.
"Der Autor befasst sich mit John Stuart Mills Vorstellungen von politischer Repräsentation. Bekanntlich war Mill ja ein Vorkämpfer der Verallgemeinerung des Wahlrechts. Dabei galt seine Sorge jedoch in erster Linie der Frage, wie eine Repräsentation der Gesamtheit zu sichern und gleichzeitig eine Despotie der Mehrheit zu verhindern wäre. Dieses Grundproblem der Demokratie, so argumentiert er, sei bei Mill deutlicher herausgearbeitet als bei anderen Denkern. Mill stand bei seinem Eintreten für eine Ausweitung des Wahlrechts vor dem Problem, dass die dadurch zu erwartende Mehrheitsherrschaft einer Herrschaft der Armen und Ungebildeten gleich gekommen wäre. Als Abhilfe schlägt er u.a. ein zwar allgemeines, aber nach Bildung und sittlicher Integrität ungleiches Wahlrecht vor. Weiter wendet er sich gegen das geheime Wahlrecht, um es dem Wähler so zu erschweren, seine Wahlentscheidung aus lediglich egoistischen Motiven zu fällen. Von heute aus realistischer als diese Vorschläge sind sicherlich Mills Überlegungen zum Verhältnis von freiem und imperativem Mandat, zur Frage der Herausbildung von Urteilsfähigkeit durch Repräsentation und Deliberation sowie zur Verantwortlichkeit der Abgeordneten. Der Autor macht deutlich, dass Mill in einem erheblichen Umfang neuere Theorien der politischen Repräsentation vorwegnimmt und seinem Denken deshalb unverminderte Aktualität zukommt." (Autorenreferat)