Long description: Ignoranz, Unwissenheit und vor allem bewusstes Nicht-Wissen-Wollen gelten in den heutigen »Wissensgesellschaften« nach wie vor als anstößig. Nichtwissen wird als schnellstens zu behebender Mangel an vermeintlich unverzichtbarem Wissen begriffen. Aus Sicht verschiedener Disziplinen rücken die Beiträge dieses Bandes demgegenüber den vielfältigen Nutzen des Nichtwissens in unterschiedlichen sozialen Kontexten ins Licht - ohne dessen Nachteile zu bestreiten. Sie zeigen: Aktives Nichtwissen schützt uns vor Informationsüberflutung, vor belastendem Wissen und falschen Eindeutigkeiten, kann aber auch strategisch zum eigenen Vorteil genutzt werden.
"In heutigen 'Wissensgesellschaften' lassen sich vielfältige Praktiken des bewussten Nichtwissens beobachten. Diese sind keineswegs irrational, sondern können Antworten auf Probleme und Gefahren geben, die durch Wissen ausgelöst werden." (Autorenreferat)
In recent years, citizens' and civil society engagement with science and technology has become almost synonymous with participation in institutionally organized formats of participatory technology assessment (pTA) such as consensus conferences or stakeholder dialogues. Contrary to this view, it is argued in the article that beyond these standardized models of "invited" participation, there exist various forms of "uninvited" and independent civil society engagement, which frequently not only have more significant impact but are profoundly democratically legitimate as well. Using the two examples of patient associations and environmental and consumer organizations in the field of nanotechnology, it is illustrated that interest-based civil society interventions do play an important role in the polycentric governance of science and technology. In conclusion, some implications for the activities of TA institutions and the design of novel TA procedures are outlined.
Gegenwärtig zeichnen sich in der Humangenetik, der Reproduktionsmedizin, der Hirnforschung und der Psychopharmakologie wissenschaftlich-technische Entwicklungen ab, die dazu genutzt werden könnten, den menschlichen Körper und seine Leistungsfähigkeit zu "verbessern" und zu "optimieren". Die Möglichkeit solcher Technologien des "Enhancement" konfrontiert sowohl die Governance von Technik als auch die Technikfolgenabschätzung mit neuartigen Herausforderungen. Der Verfasser zeigt, dass sich deren Struktur und Ausmaß am besten erfassen lassen, wenn man die Herausbildung von Optimierungstechniken als Technisierungsprojekt begreift und analysiert. Ausgehend von zwei aktuellen TA- und Governance-Konzepten wird untersucht, wie auf die Dynamik dieses Technisierungsprojekts frühzeitig und adäquat reagiert werden kann. In einem abschließenden Ausblick wird verdeutlicht, dass die Governance von Enhancement-Technologie politische Fragen der gesellschaftlichen Zukunftsgestaltung aufwirft und zu einer Politisierung von TA beiträgt. (ICF2)
Biopolitics, understood as the area of social conflict over how to deal with human life, the human body & human nature, hitherto is predominantly shaped by bioethics while the social sciences usually are deemed to be of minor importance. Contrasting with the program of "sociological enlightenment on biopolitics" recently proposed by Wolfgang van den Daele, the article seeks to outline vital research questions & perspectives of a critical sociology of biopolitics which focuses on the analysis & reflection of the dominant problem framings established within bioethical & biopolitical discourse. These more general conceptual considerations are empirically illustrated using the example of the medicalization of shyness, i.e. its transformation into a supposedly widespread mental disorder. As a conclusion, the concept of "reflexive autonomy" within biopolitics is suggested in order to avoid the shortcomings of both essentialist & empiristically narrowed notions of self-determination. References.
Der Beitrag arbeitet heraus, dass aus den Strukturen und der Dynamik der "Wissensgesellschaft" ein Nichtwissen der Politik resultiert, das sich in zentralen Politikfeldern manifestiert und durch intelligentere Strategien der Nutzung und Gewinnung von Wissen, durch die organisationale "Zusammenführung der verteilten Intelligenz", allenfalls zum Teil ausgeglichen und überwunden werden kann. Notwendig erscheinen vielmehr neuartige, reflektierte Strategien des politischen Umgangs mit Nichtwissen. Das Beispiel der Umweltpolitik wird gewählt, da es zum einen extrem wissensabhängig ist, zum anderen aber gerade hier in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Problemlagen zu beobachten ist, die durch unvollständiges, Ungewisses und nicht zuletzt durch gänzlich fehlendes Wissen geprägt sind. Die Frage nach den politischen Folgen kognitiver Ungewissheit wird durch ein Fallbeispiel entsprechend expliziert. Ausgehend von Max Webers (ambivalenter) Vision der "Herrschaft kraft Wissen", werden zwei Entwicklungslinien skizziert, entlang derer das Ideal rationaler, "wissensbasierter" politischer Herrschaft oder Steuerung in den letzten Jahrzehnten gerade auf dem Feld der Umweltpolitik schrittweise erodiert ist. Dann wird die Analyse um eine zweite Form von "Nichtwissen des Staates" erweitert und "radikalisiert".Dieses Nichtwissen ist nicht bloß relativ, im Kontrast zur gesellschaftlichen Wissensexpansion bestimmt, sondern erweist sich als Folge wie Bestandteil einer übergreifenden "Explosion des Nichtwissens" auch und gerade in der so genannten Wissensgesellschaft. Die Vielschichtigkeit, Brisanz und Dynamik der Nichtwissens-Problematik wird insgesamt erfasst, in dem Nichtwissen zum einen scharf von "Risiko" und "Ungewissheit" abgrenzt, zum anderen verschiedene Formen und Dimensionen von Nichtwissen unterschieden werden. (ICA2)