Liberalismus und Verantwortung. Der "einbettende Liberalismus" (Andreas Reckwitz) und die Corona-Pandemie
Der gegenwärtige Ausnahmezustand der Corona-Pandemie verstärkt eine Umdeutung des Liberalismus - nach Mill die Lehre von der Freiheit um ihrer selbst willen - zu einer zweckdienlichen Methode der gesellschaftlichen Konfliktbewältigung. Nirgendwo wird dies so deutlich wie in den Arbeiten des derzeit hoch geschätzten Frankfurter Soziologen Andreas Reckwitz, der sich kürzlich in einem Aufsatz mit der "Krise des Liberalismus" befasst hat. Doch die gesellschaftlichen Problemfelder, die Reckwitz untersucht - Meritokratismus, Infrastruktur und Reziprozität - zeigen, dass das Paradigma des "einbettenden Liberalismus" kaum zum politischen Leitbild der nahen Zukunft werden dürfte. Ein unentschiedener, hybrider Liberalismus, der mit sachten Maßnahmen und Anreizen kaum Veränderungsprozesse anstossen wird, dürfte von einem interventionistischen Post-Krisenstaat hinweggefegt werden.