Neue Ansätze des Regierens in der Europäischen Union: das Beispiel des europäischen Beschäftigungsregimes
Die Arbeit beschäftigt sich mit der Entwicklung des funktionalen Verhältnisses zwischen den einzelnen Governance-Formen des europäischen Beschäftigungsregimes zwischen 1997-2007. Es wird die Frage behandelt, wie sich das Verhältnis zwischen den separat in das Regime eingeführten Governance-Formen (Richtlinien, Europäische Beschäftigungsstrategie (EBS) und Europäischer Sozialfonds (ESF)) entwickelt hat und welche Faktoren dafür ausschlaggebend waren. Die Analyse zeigt, dass es im Zuge der Koexistenz der Governance-Formen zu einer teilweisen Ex-Post-Integration dieser gekommen ist, da indirekte wie explizite Verknüpfungen zwischen ihnen dazu geführt haben, dass die Richtlinien, die EBS und der ESF zunehmend komplementäre, einander verstärkende Funktionen ausüben. Die Richtlinien bilden durch die Festlegung von Rechten und Mindeststandards das legale Sicherheitsnetz des Regimes und unterstützt so die Umsetzung der Ziele der EBS, rahmt sie legal und beschränkt sie zugleich. Die EBS ist die Brücke des Regimes, da sie für das EU-Arbeitsrecht wie für den ESF zunehmend zum konzeptionellen Bezugsrahmen geworden ist und ihre Instrumente von den supranationalen Akteuren auch genutzt werden, auf die nationale Umsetzung der Richtlinien zu drängen. Mit dem ESF werden durch EU-Beihilfen zunehmend finanzielle Anreize zur Umsetzung der EBS-Ziele gesetzt. Seine Interventionen dienen zudem durch die Ausrichtung auch partiell der Verwirklichung der Richtlinienziele. Für die Arbeit, die einem diachronen Ex-Post-Analyseansatz folgt, werden verschiedene integrationstheoretische Ansätze genutzt: Intergouvernementalismus, Neofunktionalismus und Multi-Level-Governance-Ansatz. Sie werden additiv als analyseleitende Theorien genutzt und dabei hinsichtlich der Erklärungen, die sie für die Entwicklung der Governance-Formen wie ihres Verhältnisses zueinander bieten, überprüft. Es werden Faktoren herausgearbeitet, die einen entscheidenden Einfluss auf diese Regimeentwicklung gehabt haben. Dabei hat sich gezeigt, dass diese Faktoren nur mit allen drei Theorie-Ansätzen erklärt werden können. Aufgrund der vorliegenden Untersuchung kann argumentiert werden, dass im europäischen Mehrebenensystem in einem Regime mit verschiedenen Governance-Formen, die unterschiedliche Politikbereiche betreffen und bei welchen die Kompetenzen auf verschiedene Ebenen verteilt sind, es aber aufgrund gleicher Ziele und gemeinsamer Problemkomplexe funktionale Interdependenzen zwischen den einzelnen Governance-Formen gibt, zumindest eine weitere Teilintegration der Formen möglich ist, wenn die relevanten Akteure die Transaktionskosten gemeinsamer Entscheidungen als so hoch einschätzen, dass sie durch eine weitere Integration minimiert werden können. Somit hängt diese Entwicklung in erster Linie von den Interessen der Mitgliedstaaten ab, aber auch vom Vermögen der Kommission, Koalitionen zu bilden und weitere Integrationsschritte in Paketlösungen einzubinden.